Strategie & Management

Aus- und Weiterbildung I

Aus- und Weiterbildungen in der Schweiz – ein Überblick

Die Schweiz kennt viele Bildungswege und sie weist eine hohe Bildungsrate auf. Doch mit welcher Entwicklung kann die Wirtschaft rechnen? Und warum herrscht trotz des hohen Ausbildungsniveaus ein Fachkräftemangel? Klar ist: Weiterbildungen sind auf beiden Seiten des Anstellungsverhältnisses essenziell, um langfristig gegen Unsicherheiten im Markt gerüstet zu sein.
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Die Schweiz steht an der Bildungsspitze. Bei der Anzahl an Studierenden an den 200 Top-Hochschulen liegen wir hinter Schweden auf dem zweiten Platz im internationalen Vergleich (siehe Abb. 1: Quelle Bildungsbericht Schweiz 2018, SKBF). Tendenz: steigend. Denn wie aus einer Prognose des Bundesamts für Statistik (BFS) hervorgeht, werden bis 2045 rund 60 Prozent der Bevölkerung einen höheren Berufsbildungsabschluss aufweisen. Diese sogenannten tertiären Bildungsabschlüsse sind in der Wirtschaft gefragt. Dies bestätigt auch eine weitere internationale Studie, in der die Schweiz zusammen mit Österreich den Spitzenplatz betreffend Gleichgewicht von Bildungswesen und Wirtschaft belegt.

Zunehmende Digitalisierung

Dieser hohe und zunehmend höher werdende Ausbildungsgrad ist die Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen. Die Digitalisierung trägt einen grossen Teil dazu bei. Nicht umsonst wird sie häufig auch als «virtuelle industrielle Revolution» bezeichnet. Es ist schwierig vorherzusagen, mit welcher Auswirkung und mit welcher Geschwindigkeit Automatisierungsprozesse voranschreiten. Dennoch werden Berufsfelder abnehmen, die durch einen hohen Routineanteil eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit aufweisen. 

Eine US-Studie geht von einem Automatisierungsrisiko von über 50 Prozent aus. Für den Schweizer Arbeitsmarkt würde das bedeuten, dass in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren rund zwei Millionen Arbeitskräfte von der Automatisierung betroffen sein könnten. Diese Methode ist aber teilweise umstritten und andere Studien kommen auf ein weitaus tieferes Automatisierungsrisiko, wie zum Beispiel von zwölf Prozent in Deutschland. Beschäftigungen werden aber in den Berufsfeldern zunehmen, die nur gering von der Automatisierung betroffen sind. Doch gerade weil dies nicht-routinierte Tätigkeiten betrifft, die Fachwissen voraussetzen, ist ein solides Bildungssystem mit Weiterbildungsmöglichkeiten essenziell. Doch wie sieht das Schweizer Bildungssystem aus und wohin gehen Ausbildungstrends?

Bewährte Berufslehre

Die Zahl der Schüler in der Grundschule steigt seit 2017 an. Ein Trend, der gemäss BFS mindestens während der nächsten zehn Jahre anhalten wird. Eine Möglichkeit für den Berufseinstieg bietet nach der Schule die Berufslehre. Diese berufliche Grundausbildung ist in der Schweiz durchaus beliebt. Rund zwei Drittel der Schul­abgänger entscheiden sich nach der Schule für eine Lehre. Wenn dies so bleibt, braucht es mit der zunehmenden Anzahl an Schülern im Jahr 2025 aber rund 25 800 zusätzliche Lehrstellen, wie aus einem Szenario des BFS hervorgeht. 

Dennoch sind Berufslehren nach wie vor erfolgversprechend. Nach dem Lehrabschluss findet die Mehrheit der Lernenden eine Arbeitsstelle und berufsbildende Abschlüsse bieten dieselben Erfolgschancen im Arbeitsmarkt wie allgemeinbildende Abschlüsse. Allerdings liegen auch hier Unterschiede in verschiedenen Berufen vor. Lehrstellensuchende haben klare Wunschvorstellungen bei der Berufswahl. 

Um diesem Wunsch nachzukommen, wird oft lieber ein zehntes Schuljahr absolviert, als die Lehre in einem anderen Beruf gemacht. Da einige Berufe, wie zum Beispiel in der Betreuung oder in der Pflege, beliebter sind als andere, wie etwa im Gastro-Bereich, dem Detailhandel oder in handwerklichen Berufen, bleiben trotzdem jedes Jahr viele Lehrstellen unbesetzt. 

Hohe Tertiärquote

Das schweizerische Tertiärsystem umfasst den gesamten Hochschulsektor. Dieser beinhaltet die universitären Hochschulen, die eidgenössischen technischen Hochschulen, die Fachhochschulen, die pädagogischen Hochschulen sowie Institutionen, die zur höheren Berufsbildung gezählt werden. Dazu gehören höhere Fachschulen sowie verschiedene höhere Berufs- und Fachprüfungen. 

Heute verfügt in der Schweiz knapp jede dritte Person der 20- bis 34-Jährigen über eine Hochschulausbildung. Dazu kommen weitere 15 Prozent, die einen höheren Berufsbildungsabschluss aufweisen. Diese hohe Tertiärquote bestätigt sich auch im internationalen Vergleich. Der Grund dafür wird darin gesehen, dass der technologische Wandel aus der Bildungsexpansion entstanden ist und umgekehrt auch mehr gut ausgebildete Fachkräfte verlangt sind. Abbildung 2 bietet eine Übersicht über das Schweizer Tertiärsystem und dokumentiert aktuelle Zahlen und Trends. 

In diesem Zusammenhang kommt die Frage auf, warum trotzdem an allen Enden qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Dies liegt zum einen daran, dass sich die hohen Ausbildungen nicht mit den verlangten Fachbereichen decken. Zudem beschränkt sich der Fachkräftemangel keinesfalls auf Berufe mit hohen Qualifikationsanforderungen. Betrachtet man die Berufe, die höhere Ausbildungen verlangen, lässt sich ausserdem feststellen, dass es auch innerhalb von Berufsgruppen starke Unterschiede gibt. 

So stellte das Bundesamt für Wirtschaft (Seco) 2016 in den naturwissenschaft­lichen Berufen einen Mangel an Chemikern, Mathematikerinnen und Statistikern, nicht aber an Biologinnen, Geografen und Meteorologinnen fest. Doch gerade in diesen naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen, wie auch im Gesundheitsbereich, ist aufgrund der aktuellen Studierendenzahl in Zukunft mit mehr Studienabschlüssen zu rechnen. 

Beliebte Fachhochschulen

Allgemein dürfte die Studierendenzahl an den Hochschulen in den nächsten Jahren nur leicht zunehmen. Denn sie hängt von der Anzahl der Maturitätsabschlüsse und der Übertrittsquote von den Gymnasien an die universitären Hochschulen ab. Beide Faktoren sollten sich bis 2025 gemäss BFS nur geringfügig erhöhen. Ebenfalls wird damit gerechnet, dass die Anzahl ausländischer Studierender konstant bleiben wird. Jedoch wird der Weg an die Universitäten wohl vermehrt über andere Ausweise wie etwa die Ergänzungsprüfung zur Berufsmaturität oder Hochschulabschlüsse erfolgen. 

An Fachhochschulen wird allerdings von einer stärkeren Zunahme der Studierendenanzahl bis 2025 ausgegangen. Das BFS rechnet mit einem minimalen Wachstum von fünf Prozent und einem maximalen von 20 Prozent. Trifft letzteres Sze­nario ein, müssten an Fachhochschulen zusätzlich 1000 Vollzeitstellen geschaffen werden. Dieser Zuwachs liegt auch daran, dass viele Jugendliche die Berufsmaturität erlangen und damit direkt an Fachhochschulen einsteigen können.

Abschlüsse der höheren Berufsbildung, wie höhere Fachschulen, Berufs- und höhere Fachprüfungen, stagnieren seit rund 15 Jahren. Dies ist durch die Konkurrenz der beliebten Fachhochschulen zu begründen. Trotzdem steuert die höhere Berufsbildung jährlich rund 44 Prozent zu den tertiären Erstabschlüssen bei, wie aus den Zahlen aus dem Jahr 2016 hervorgeht. Zudem ist sie wichtig, da sie die Linie der Diversität von Allgemein- und Berufsausbildung auch auf der Tertiärstufe weiterzieht. 

Die Menge an Fachkräften mit höherem Bildungsabschluss wird also gesamthaft gesehen in den nächsten Jahren zunehmen. Hier stellt sich die Frage, ob diese überhaupt im Arbeitsmarkt gebraucht werden. Ein Blick auf die Anstellungsquote, die ein Jahr nach Abschluss vorliegt, gibt Aufschluss. Je nach Hochschultyp und Nachfrage in der jeweiligen Branche, haben 87 bis 97 Prozent der Hochschulabsolventen ein Jahr nach Abschluss eine Anstellung. Bei Fachhochschulen liegt der Wert bei 90 Prozent. Die Nachfrage ist also nach wie vor gegeben und die Wirtschaft kann sich darauf einstellen, dass Fachkräfte nachrücken. 

Nachhaltige Investition

Bildung hört mit dem Eintritt ins Berufsleben aber nicht auf. Die Gesellschaft verändert sich und Berufsfelder sind im Wandel. Weiterbildungen sind notwendig, um mithalten zu können und auf dem neusten Wissensstand zu bleiben. Nichtformale Weiterbildungen bieten hier die Gelegenheit, verlangte Kompetenzen nachträglich zu erwerben, vorhandene zu vertiefen und sie in Hinblick auf neue Aufgaben zu erweitern. So können Bildungsdefizite aufgeholt und das Wissen aufgefrischt werden. Denn gerade bei einem hohen Bildungsniveau verlieren Fachkompetenzen mit der Zeit an Wert. Und auch Grundkompetenzen wie Leseverständnis und Alltagsmathematik nehmen bei Erwachsenen ab. 

Trotz Unsicherheitsfaktoren wie etwa der Digitalisierung lässt sich in der Schweiz keine steigende Weiterbildungsaktivität beobachten. In der Regel sind es die Personalverantwortlichen und die direkten Vorgesetzten in den Betrieben, die Arbeitnehmer zu Weiterbildungsaktivitäten motivieren. Dies lässt den Schluss zu, dass auch die Arbeitgeber in den letzten 20 Jahren keine Veranlassung sahen, den oben beschriebenen Entwicklungen mit erhöhten Weiterbildungsinvestitionen in ihre Belegschaften zu begegnen. Doch dies würde sich lohnen. 

Denn Befragungen zum Nutzen arbeitgeberfinanzierter Weiterbildungen zeigen, dass gerade bei betriebsrelevanten Aspekten, wie beispielsweise der Produktivitätssteigerung oder der Erweiterung des Aufgabenbereichs, Verbesserungen festgestellt wurden. 

In Aus- und Weiterbildungen zu investieren lohnt sich für Arbeitnehmer genauso wie für Arbeitgeber. Denn Bildung ist genau das: eine Investition. Das bedeutet auf der einen Seite, dass Zeit und Geld aufgebracht werden müssen. Auf der anderen Seite liegt der Nutzen, der sich bei den Kompetenzen, dem Lohnniveau oder Zukunftsperspektiven zeigen kann. Ist der Nutzen höher als die Investition, sind Bildungsmassnahmen sinnvoll. Ganz nach dem Motto «man lernt nie aus» ist dabei aber zentral, dass es mit einer abgeschlossenen Ausbildung nicht getan ist. Berufstätige und Unternehmen – nicht zuletzt auch KMU – müssen sich bewusst sein, dass Weiterbildung interne Prozesse optimiert und gleichzeitig für externe Risiken ausrüstet.

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