Strategie & Management

Aus- und Weiterbildung II

Arbeitswelt 4.0: Gesucht sind menschliche Fähigkeiten

Welche Kompetenzen und Fertigkeiten sind gefragt in der Arbeitswelt 4.0? Welche Weiterbildungen und Massnahmen nimmt der gewiefte Berufstätige in Angriff, um für die Zukunft gewappnet zu sein? Eine Herausforderung ist, das zu finden und zu beherrschen, was Computer und Roboter nicht können. Also sehr Menschliches.
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Eine neue Arbeitswelt zeichnet sich ab; eine Welt, in der viele unbekannte Fähigkeiten gefragt sind. Wie kann man sich darauf vorbereiten und entsprechend weiterbilden? Wie kann man Schritt halten mit ihr? Eine Ausprägung der digitalisierten Welt selber erleichtert die Weiterbildung enorm. Nämlich deren Verfügbarkeit via Internet. E-Learning erlaubt das orts- und zeitunabhängige Lernen im eigenen Tempo, sofern man über einen Internetanschluss verfügt. Man kann sich genau das aneignen, was man benötigt, Module überspringen oder auch wiederholen. 

Nicht ohne Grundkompetenzen

Plattformen wie Coorpacademy, Udacity, Udemy, edX, Coursera, Google Classroom und Linkedin Learning machen es möglich, um nur einige zu nennen. Je nach Anbieter und Kurs kann man im Anschluss an den absolvierten Kurs und 
an eine erfolgreich abgelegte Onlineprüfung sogar oft ein personalisiertes Zer­tifikat ausdrucken.

Natürlich setzt E-Learning digitale Grundkompetenzen voraus. Die Strategie des Bundesrates zur digitalen Schweiz sieht vor, dass die gesamte Bevölkerung be­fähigt werden soll, digitale Informations- und Kommunikationstechnologien zu nutzen. Damit sollten irgendwann in der Zukunft alle Bewohner dieses Landes zu E-Learning fähig sein.

E-Learning ist nicht alles

Allerdings ist man aus verschiedenen Gründen von reinem E-Learning weg und hin zu Blended Learning gekommen, der Mischung aus Online- und traditionellem Lernen. Auch eignen sich nicht alle Lerninhalte für die reine Onlinevermittlung. Viele der im Rahmen von Arbeitswelt 4.0 nachgefragten Kompetenzen benötigen praktische Übung, Feedback, Austausch. Das bedeutet, dass sich der Arbeitswelt-4.0-kompatible Mensch die Theorie vielleicht via E-Learning aneignet, um anschliessend in physischen Treffen das Erlernte in die Praxis umzusetzen und so seine Fertigkeiten zu optimieren. 

Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sind denn aber nun in der von Digitalisierung geprägten Arbeitswelt 4.0 gefragt? Sicher einmal alle, die ein Computer nicht hat; alles, was nicht automatisiert und standardisiert werden, nicht von künstlicher Intelligenz erlernt und umgesetzt oder von Blockchain gemanagt werden kann. Selbstverständlich gehören dazu alle haptischen Fähigkeiten, alles handwerklich nicht Standardisierte, denn damit haben Computer und Roboter grosse Mühe. 

Auch kreativ kann ein Computer nicht sein. Zielorientiert, empfänger- und situationsadäquat kommunizieren kann er nur in dem Mass, wie die künstliche Intelligenz mit Vorlagen gefüttert wurde. Wenn für eine Kombination der Vorgaben eine adäquate Antwort gefragt ist, die anders ausfällt als ein FAQ oder eine reine Addition der Einzelteile, kommt KI an den Anschlag. Echte Serviceorientierung geht ihr weitgehend ab – zumindest vorläufig noch. Wo Fingerspitzengefühl verlangt ist, kann ein Roboter nicht lösungsorientiert handeln. 

Soft Skills gefragt

Beziehungen aufzubauen und Emotionen zu zeigen, fällt ihm derzeit ebenfalls noch ziemlich schwer. Dies sind also alles Fertigkeiten, auf denen Menschen künftig ihre Tätigkeitsfelder aufbauen oder als Alleinstellungsmerkmale gegenüber Robotern anführen können.

Die sogenannten «Soft Skills» kommen somit künftig stark ins Rennen. Sie umfassen persönliche, soziale und metho­dische Kompetenzen. Für jene, die sich darunter nicht viel vorstellen können: Soft Skills beinhalten unter anderem Fähig­keiten wie Verhandlungsgeschick, Kreativität, Entscheidungs- und Dele­gationsstärke, Menschenkenntnis, Motivierungsvermögen, Präsentationsstärke, Stressbe­wältigungsvermögen, Überzeugungsvermögen, Vernetzungsfähigkeit, Teamfähigkeit und Anverwandte. Also menschliche, auf dem Papier schwer nach­weisbare Kompetenzen.

An diesem Sammelsurium wird klar, dass Soft Skills nur bis zu einem gewissen Grad online erlernbar sind. Methoden, Vorgehensweisen und Best Practices dazu können sehr wohl so vermittelt werden. Danach sollten die Lernenden Praxisfälle durchspielen, um ein Gefühl für die Gesetzmässigkeiten zu entwickeln. Im stillen Kämmerlein an seinem Auftritt, seiner Präsentations- oder Verkaufstechnik zu feilen, ist nicht besonders effektiv. Erst das Feedback aus einer Gruppe hilft dem Präsentierenden, an seiner Aussenwirkung und jener seiner Folien beziehungsweise sonstigen Informationsträgern zu feilen und sie schlussendlich zur Vollendung zu treiben. 

Mehr Projektmanagement 

Es zeichnet sich ebenfalls ab, dass die Arbeitswelt 4.0 verstärkt Projektarbeit anstelle von Daily Business und Routine­arbeit mit sich bringen wird. Dies be­deu­tet, dass vermehrt Projektmanagementfähigkeiten gefragt sein werden. Also sollte man sich erstens sicherlich einen Werkzeugkasten mit entsprechenden Kenntnissen aneignen sowie möglichst auch Praxis. Projektmanagementmethoden entlang von Prozessmodellen und Good Practices kann man sich in der Theorie vergleichsweise schnell aneignen. 

Wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, welche Kompetenzen im Projektteam vor­handen sein müssen und wie sie ab­gedeckt werden. In der Individual Competence Baseline ICB sind dafür 29 Kompetenzen identifiziert (siehe Abbildung). Fast die Hälfte sind methodischer und technischer Natur – wie beispielsweise Termine, Leistungsumfang und Finanzen –, ein Sechstel ergibt sich aus dem Kontext, sprich: Rahmenbedingungen wie Stra­tegie, Organigramm, Vorschriften oder Firmenkultur. Ein Drittel sind wiederum Soft Skills.

Die Schöpferin der ICB, die International Project Management Association (IPMA), stellt mit ihrem Ansatz die Menschen in den Mittelpunkt. Denn sie sind es, die ein Projekt zum Erfolg bringen oder scheitern lassen. Es genügt also nicht, ein Projekt technisch zu führen und die Rahmenbedingungen zu kennen. Die Königsdisziplinen sind wiederum Soft Skills. Denn es kann Konflikte geben. Es wird Gruppendynamik entstehen, man wird kommunizieren, moderieren, delegieren, Sitzungen führen, entscheiden, motivieren müssen.

Social-Net-Kenntnisse nötig

Noch ein weiteres Set an Fertigkeiten ist unabdingbar, um fit für die Arbeitswelt 4.0 zu sein: solche im Bereich des Networking. Vernetzen, Beziehungsnetze pflegen und anfragen. Physisch und virtuell. Personaler suchen geeignete Mitarbeitende und Projektmitarbeitende zunehmend via soziale Netzwerke wie Linkedin und Xing, also ist es wichtig zu verstehen, wie die Netze funktionieren, wie die Personaler suchen, welche Tools es gibt, wo die Nahtstellen von virtuell zu physisch sind und wie man sein Profil und seine Beiträge anlegen soll, sprich: Welches Profil man sich geben möchte, um seine Ziele zu erreichen. Die Netze sind zudem eine grossartige Quelle für Austausch, Wissen, Auskünfte, Ratschläge, Lösungen. Kenntnisse über Social Media und der Kommunikation dort sind in der heutigen Arbeitswelt ein Muss.

Aufgrund der Digitalisierung werden einige Berufsbilder mit der Zeit wegfallen, aber noch mehr neue entstehen. Die Blockchain-Technologie könnte zur Ausdünnung gewisser Berufsgruppen beitragen. Die Entwicklung der Technologie lässt den Betroffenen Zeit für eine Neuorientierung. Im Rahmen einer Laufbahnplanung sollten sie rechtzeitig prüfen, welche Aus- und Weiterbildungen für sie in Frage kommen. 

Ein gutes Hilfsmittel in dieser Situation ist das Laufbahnportfolio. Mit ihm nehmen Betroffene in Gruppen oder alleine und mithilfe eines Coaches eine berufliche Standortbestimmung vor: Welches sind Stärken und Schwächen, wo liegen Prioritäten, was gibt Energie, wo bleibt sie auf der Strecke und dergleichen. So können sie von langer Hand eine alternative Laufbahn vorbereiten. Es ist allgemein ein guter Plan für Arbeitnehmende, sich regelmässig einem Arbeitsmarktfähigkeitscheck zu unterziehen, ähnlich wie einem medizinischen Check-up.

Interkulturelle Kenntnisse 

Arbeitswelt 4.0 bedeutet nicht nur Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Blockchain. Sie bedeutet auch, mit anderen Kulturen Geschäfte zu tätigen oder mit ihnen zusammenzuarbeiten. Daher sind interkulturelle Vermittlungsfähigkeiten und Kenntnisse anderer Kulturen und deren Geschichte gefragt. Zudem werden auch ganz viele Gegenbewegungen entstehen, auf die man sich spezia­lisieren und zielgerichtet weiterbilden kann. Man denke nur an die Umweltbewegung, Recycling, Veganer, Offliner.

Wer allerdings nur dem folgt, was der Markt beziehungsweise die Welt braucht und bezahlt, der klammert das eigene Ich aus. Die Arbeitswelt 4.0 soll auch Freude machen, denn wer das macht, was Freude macht, macht es gut. Wichtig ist, dass man auch Spass hat und sich in Dingen weiterbildet, die einem im Grundsatz liegen. Ikigai – Lebenssinn – nennen Japaner die Schnittmenge aus dem, was man liebt, worin man gut ist, was die Welt braucht und wofür man bezahlt wird. Und diese gilt es schliesslich zu finden für eine befriedigende Tätigkeit.

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