Recht

Arbeitsrecht II

Zeiterfassung: So wird sie umgesetzt

In den vergangenen Monaten war das Thema der Arbeitszeiterfassung omnipräsent. Die Verunsicherung und die Unzufriedenheit darüber waren gross. Inzwischen haben schon viele Unternehmen verschiedene Varianten geprüft und tatsächlich umgesetzt.
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Ein weitverbreiteter Irrtum muss vorweg beseitigt werden. Die gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist nicht neu. Ganz im Gegenteil, sie besteht schon seit Jahren. Und trotzdem hatten in den vergangenen Jahren viele Unternehmen die Zeiterfassung nicht eingeführt oder diese gar abgeschafft.

Das Thema wird auch auf der Arbeitnehmerseite sehr kontrovers diskutiert. Viele Arbeitnehmer empfinden die Arbeitszeit­erfassung als Überwachung und Vertrauensmissbrauch des Arbeitgebers. Andere wiederum sind froh, dass sie mit der Arbeitszeiterfassung genau belegen können, wann und wie lange sie arbeiten.

Nur zwei echte Varianten

Dort wo die Arbeitszeit bereits im Detail erfasst wird, braucht es keine Änderung. All jene Unternehmen, die bislang überhaupt keine Arbeitszeitdokumentation besassen oder diese nur rudimentär führten, sollten sich aber in der Tat überlegen, wie sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechen können.

Die Tatsache, dass innerbetrieblich vermehrt über die Arbeitszeiterfassung diskutiert wird, hängt nicht nur damit zusammen, dass diese auf Verordnungsebene neu geregelt wurde. Die Motivation zur Umsetzung ist mitunter darauf zurückzuführen, dass die kantonalen Arbeitsinspektorate vermehrt Kontrollen durchführen und die Arbeitszeiterfassung konsequent einfordern.

Der neu vorgesehene Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung kommt für die meisten Betriebe gar nicht infrage. Bekannt ist, dass auf die Arbeitszeiterfassung verzichten kann, wer ein Jahressalär von mindestens 120000 CHF erreicht und wer eine grosse Zeitautonomie hat, also sicher mindestens die Hälfte seiner Arbeitszeit frei einteilen kann. Hinzu kommt, dass neben der individuellen vertraglichen Vereinbarung zwischen dem auf die Arbeitszeiterfassung verzichtenden Mitarbeiter und dem Arbeitgeber zusätzlich eine Vereinbarung auf der Ebene des Gesamtarbeitsvertrag erforderlich ist. Um auf die Arbeitszeiterfassung verzichten zu können, bedarf es also einer speziellen Regelung in einem Gesamtarbeitsvertrag. Damit steht diese Möglichkeit ganz vielen Unternehmen gar nicht offen, da sie nicht in einer Sozialpartnerschaft stehen oder eine solche nicht eingehen wollen.

Zwar ist es möglich, einen Gesamtarbeitsvertrag für ausschliesslich nur diesen Regelungsbereich zu schliessen. Dieser Aufwand wird sich aber nur für Unternehmen lohnen, die mehrheitlich Mitarbeiter beschäftigen, die das Lohn- und das Zeitautonomiekriterium erfüllen. In der KMU-Praxis stellt sich daher primär die Frage, ob die Arbeitszeit detailliert oder aber vereinfacht erfasst werden soll respektive muss. Der Verzicht ist für viele kleine und mittelgrosse Unternehmen keine echte Option. Bei der detaillierten Arbeitszeit­erfassung muss jeder Mitarbeitende den Beginn und das Ende seiner täglichen Arbeitszeit sowie alle seine Pausen dokumentieren.

Bei der vereinfachten Arbeitszeiterfassung ist es ausreichend, wenn der Mitarbeitende seine totale tägliche Arbeitszeit in Stunden und Minuten dokumentiert. Hier muss er also nur angeben, wie lange er gesamthaft gearbeitet hat, nicht aber wann und auch nicht, wann er Pausen eingelegt hat.

Standardlösungen taugen nicht

Wie die Arbeitszeiterfassung schliesslich geregelt wird, hängt in erster Linie von der Arbeitsbelastung, der Arbeitszeitgestaltung, der Vertrauenskultur eines Unternehmens und der Betriebsgrösse ab. Diese Parameter geben vor, ob man die detaillierte oder vereinfachte Arbeitszeit­erfassung einführen wird.

Generell kann festgestellt werden, dass überall dort, wo tendenziell mehr als die vereinbarte Zeit gearbeitet wird, gerne die vereinfachte Arbeitszeiterfassung gewählt wird. Doch aufgepasst, mit der Einführung der vereinfachten Arbeitszeiterfassung ist noch nicht geregelt, was denn mit den Mehrstunden passieren soll. Und genau das war ja in den vergangenen Jahren oftmals der Grund, weshalb keine Arbeitszeit erfasst wurde. Ohne Dokumentation der Arbeitszeit stellt sich nämlich die Frage erst gar nicht, ob Mehrarbeit geleistet wurde und was denn nun mit diesen Mehrstunden passiere.

Man kommt also nicht umhin, die beiden Themen Arbeitszeiterfassung und Abgeltung der Mehrstunden parallel zu betrachten und eine zum Unternehmen passende Lösung zu finden.

Umsetzungsbeispiele

Bevor man sich um die Erfassung der täglichen Arbeitszeit kümmert, müssen zwei Fragen beantwortet werden. Erstens: Werden Mehrstunden anerkannt oder müssen diese wegbedungen werden? Zweitens: Wie viel Freiheit lässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei der Einteilung seiner Arbeitszeit? Erst wenn diese beiden Fragen klar beantwortet sind, zeichnet sich ab, ob die Mitarbeitenden der detaillierten oder der vereinfachten Arbeitszeiterfassung unterstehen. Wie die Arbeitszeiterfassung erfolgt, ob elektronisch mittels Zeiterfassungssystem, elektronisch mit einem simplen Excel-Sheet, oder ganz traditionell mit einem Blatt Papier, ist für die Erfüllung der Dokumentationspflicht unerheblich. Diese Frage wird nachfolgend ausgeklammert, wohl wissend, dass dies im betrieblichen Alltag von der Betriebsgrösse und vom Budget abhängt.

Feste Arbeitszeiten

Dort wo genaue Arbeitszeiten eingehalten werden und kaum Mehrstunden anfallen, spricht nichts gegen die detaillierte Arbeitszeiterfassung. Diese kann sogar mit den entsprechenden Standardzeiten hinterlegt werden, so dass nur die Abweichungen erfasst werden müssen. Hier muss sich das Unternehmen bewusst sein, dass die Mitarbeitenden Anspruch auf Abgeltung der Überstunden haben. Als Überstunden gelten jene Stunden, die über die wöchentlich vereinbarte Arbeitszeit, aber nicht über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinausgehen.

Will der Arbeitgeber die Überstunden  der Mitarbeitenden kompensieren lassen, so muss er dies vorher vertraglich vereinbaren. Idealerweise wird auch die Anordnungskompetenz dem Arbeitgeber zu gewiesen, so dass er entscheiden kann, ob und wann die geleisteten Überstunden kompensiert werden können. Kommt es zur Auszahlung der Überstunden, dann sind diese mit einem gesetzlichen Lohnzuschlag von 25 Prozent auszuzahlen. Auch dieser Zuschlag kann vertraglich wegbedungen werden. Für jene Unternehmen, die einem Gesamtarbeitsvertrag angeschlossen sind, gelten jene Bestimmungen als verbindlich und können nicht zuungunsten der Mitarbeitenden abgeändert werden. Gerade die Überstundenzuschläge sind fast immer Gegenstand einer GAV-Regelung, und die dortigen Zuschläge sind oftmals höher als die gesetzlichen.

Grosse Zeitautonomie und lange Arbeitstage

Zurückhaltung bei der Einführung der Arbeitszeiterfassung üben jene Unternehmen, bei welchen regelmässig Mehrstunden gearbeitet werden. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, mit der Arbeitszeit­erfassung will der Gesetzgeber nicht einfach einen administrativen Paukenschlag landen, sondern vielmehr ein Mittel für die Überprüfung der Arbeits- und Ruhezeiten haben. Für Mitarbeitende, die generell länger arbeiten, als dies vorgesehen oder sogar zulässig ist, wird also mit der Dokumentierung der Arbeitsstunden einerseits prüfbar, ob die gesetzlich maximal zulässigen Arbeitszeiten eingehalten werden.

Andererseits sind mit der Dokumentation die Mehrstunden dem Arbeitgeber zur Kenntnis gebracht worden und er riskiert Überstundenforderungen. Gerade in  solchen Situationen ist es daher unumgänglich, die Mehrstunden so weit als zulässig wegzubedingen respektive sie als im Lohn enthalten zu erklären. Wie gross der Spielraum ist, hängt einerseits von der im Unternehmen geltenden wöchentlichen Arbeitszeit ab und andererseits von der Tätigkeit der Mitarbeitenden. Für Büropersonal ist es denkbar, je nach Situation Mehrstunden von bis zu 290 Stunden pro Jahr wegzubedingen.

Wo die Arbeitsbelastung über den Jahresverlauf erfahrungsgemäss unterschiedlich ist, sollte ein Jahresarbeitszeitmodell geprüft werden. Damit kann in intensiven Phasen zwar die Arbeitszeit über dem Durchschnitt liegen, in Phasen tieferer Belastung dagegen durch kürzere Arbeitstage ausgeglichen werden. Die Wegbedingung der Mehrstunden bedeutet übrigens nicht, dass die Arbeitszeit nur vereinfacht erfasst werden muss.

Im Übrigen ist die Wegbedingung auch nicht nur für Kader-Mitarbeitende statthaft und muss ebenso wenig mit mehr Ferien kompensiert werden. Der vertragliche Spielraum ist im Bereich Mehrstunden also relativ gross. Damit eine Vertragsregelung von den Mitarbeitenden akzeptiert wird, muss sie aber auch zum jeweiligen Unternehmen passen. Die Möglichkeit einer vereinfachten Arbeitszeiterfassung hängt in erster Linie davon ab, wie frei der Mitarbeitende in seiner Arbeitszeitgestaltung ist. Ob der Mitarbeitende dabei Anspruch auf Mehrstundenvergütung oder -kompensation hat, spielt diesbezüglich keine Rolle.

Separat betrachten

Das Thema Arbeitszeiterfassung ist separat von der Behandlung der Mehrstunden zu betrachten. Und dennoch, will der Arbeitgeber die Erfassung der Arbeitszeit einführen oder allenfalls auf die vereinfachte Erfassung wechseln, so muss er gleichzeitig eine vertragliche Regelung betreffend Mehrstunden finden, wenn er nicht alle Überstunden kompensieren lassen oder auszahlen will. Mit der Einführung der Zeiterfassung wird daher fast immer eine Anpassung des Personalreglements oder der Arbeitsverträge nötig – was schliesslich oft als die einschneidendere Änderung empfunden wird.

Mit der aktuellen Regelung hinsichtlich Arbeitszeiterfassung werden wir wohl einige Jahre leben müssen. Es lohnt sich also, in Ruhe zu planen, wie man diese für das Unternehmen passend umsetzt. Wichtig ist zudem, dass die Mitarbeitenden verstehen, was warum zu tun ist und dass die Dokumentation der Arbeitszeit nicht aus einem Misstrauen des Arbeitgebers heraus entsteht. Auch wenn anfänglich etwas Widerstand herrscht, so sind die Unternehmen, welche die Zeiterfassung eingeführt haben, mehrheitlich sehr zufrieden damit, und manch ein Mitarbeitender, der sich zu Beginn schwer getan hatte, möchte sie nicht mehr missen.

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