Recht

Compliance und Arbeitsrecht

Whistleblowing – keine Klarheit für alle Beteiligten

Der Beitrag zeigt den aktuellen Stand sowie die Beweg- und Hintergründe der geplanten, jedoch im März 2020 zum wiederholten Mal gescheiterten Whistleblowing-Regelung auf. Ferner wird auf weitere für die Compliance im Arbeitsrecht relevante Themen hingewiesen.
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Unter Whistleblowing wird das Offenlegen innerbetrieblicher Missstände durch einen Insider verstanden. Die Folge davon kann eine Reputationsschädigung der Institution/Organisation und/oder einzelner Personen sein. Die wohl bekanntesten Fälle von Whistleblowing der jüngeren Geschichte sind Chelsea Manning aus der U.S. Army und Edward Snowden von der NSA.

Keine Klarheit geschaffen

Das Whistleblowing zu regeln und Personen, die Gesetzesverstösse am Arbeitsplatz melden, zu schützen, war bereits früh ein Anliegen. Allerdings scheiterten diverse Anläufe, dies zu regeln. So beispielsweise in den Jahren 2003, 2007, 2015 und zuletzt im März 2020. Das im März 2020 gescheiterte Geschäft des Bundesrates «OR. Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz» war zwar im Dezember 2019 vom Ständerat gutgeheissen worden, wurde jedoch im März vom Nationalrat mit der Begründung, der Entwurf führe zu mehr Rechtsunsicherheit, abgelehnt. Ziel des Entwurfes des Bundesrates war es zu verhindern, dass Gesetzesverstös­se am Arbeitsplatz unter den Teppich gekehrt werden. Der Bundesrat wollte klare Verfahren und Regeln für das sogenannte Whistleblowing schaffen, damit Missstände tatsächlich an Vorgesetzte und Behörden gemeldet werden. In diesem Sinne wollte er im Detail regeln, wann eine Meldung an den Arbeitgeber, die Behörde oder die Öffentlichkeit zulässig ist und wann nicht. Wenn es nach dem Bundesrat gehen würde, wäre eine Meldung an eine Behörde oder die Öffentlichkeit in der Regel nur zulässig gewesen, wenn sie zuerst an den Arbeitgeber erfolgte. Bei Einhaltung dieser Kaskade wäre eine Meldung des Arbeitnehmenden im Einklang mit seiner Treuepflicht gewesen. Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen wäre eine Meldung direkt bei der zuständigen Behörde oder an die Öffentlichkeit des Arbeitnehmenden zulässig gewesen und hätte somit keine Verletzung der Treuepflicht nach sich gezogen. 

Der gescheiterte Entwurf des Bundes­rates dürfte jedoch nicht vollständig in Vergessenheit geraten. Denn in einem Leitentscheid des Bundesgerichtes hielt dieses fest, dass bei Whistleblowern das sogenannte Kaskadenprinzip angewendet wird. Das heisst, der Arbeitnehmer muss, sofern zumutbar, die Missstände zuerst intern dem Arbeitgeber anzeigen, bevor er sich an die zuständige Behörde oder als letzte Massnahme an die Öffentlichkeit wendet. Dieses Vorgehen entspricht grosso modo dem gescheiterten Vorschlag des Bundesrates.

Die Rechtslage

Aufgrund des Scheiterns der diversen Gesetzesvorstösse besteht heute kein spezi­fischer gesetzlicher Schutz von Whistle­blowern im Arbeitsrecht wie dies im eingangs erwähnten Gesetzesentwurf vorgesehen gewesen wäre. Es liegt somit an den Gerichten, im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Whistleblower korrekt ge­handelt hat und ob eine allfällige daraus folgende Kündigung des Whistle­blowers missbräuchlich ist oder nicht. Arbeitnehmer sind primär über die Vorschriften betreffend missbräuchliche Kündigung (Art. 336 OR) sowie allenfalls über den Schutz vor diskriminierender Kündigung gemäss Gleichstellungsgesetz geschützt. Grundsätzlich gilt für Arbeitnehmende die Meinungsäusserungsfreiheit. Arbeitnemende haben folglich ein Melderecht, das heisst das Recht, den Arbeitgeber auf Missstände hinzuweisen. Allerdings darf die Treuepflicht des Arbeitnehmenden nicht verletzt werden. Missbräuchliche Meldungen sind klar nicht erlaubt. Eine Meldepflicht gibt es mit Ausnahme von Meldungen betreffend Gesundheitsschutz nicht. Allerdings wird in der Lehre die Ansicht vertreten, dass wesentliche Missstände, welche den Arbeitgeber schädigen könnten, gemeldet werden müssen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass aufgrund des Fehlens einer klaren gesetzlichen Regelung die Rechtslage heute unklar ist. Da sämtliche Vorlagen zum Whistleblowing bisher scheiterten und demzufolge eine erheb­liche Rechtsunsicherheit besteht, ist es umso wichtiger, wirksame interne Whistleblowing-Prozesse festzulegen.

Regelungen und Vorkehrungen

Im Allgemeinen nimmt der Stellenwert von Compliance-Themen in Schweizer Unternehmen, jedoch auch weltweit, zu. Insbesondere die Bedeutung von Meldestellen bei der Aufdeckung von Compliance-Verstössen wurde in den letzten Jahren von vielen Unternehmen erkannt. Obwohl sich die Politik mit einer Regelung betreffend Whistleblowing schwertut, haben viele Unternehmen ein internes Whistleblowing-System eingerichtet, was unseres Erachtens empfehlenswert ist.

Wie bereits erwähnt, ist es trotz des Scheiterns der diversen Gesetzesvorstösse für Unternehmen ratsam, ein Whistleblow­-ing-System einzurichten. Aus juristischer Sicht obliegt dem Arbeitgeber eine all­gemeine Sorgfaltspflicht. Er hat insbe­sondere die zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität notwendigen Massnahmen zu treffen. Allerdings sprechen nicht nur rechtliche Argumente für das Einrichten eines internen Whistleblowing-Systems. So kann ein solches System externes Whistleblowing und damit einhergehende Reputationsschäden verhindern und durch frühzeitige Risikoerkennung und das Aufdecken von Fehl­verhalten die Qualität im Unternehmen sichern. Zudem wird Rechtssicherheit sowohl für die Arbeitnehmenden als auch für den Arbeitgeber geschaffen. Will ein Unternehmen ein internes Whistleblowing-System einrichten, ist es wichtig, ein internes Reglement zu erstellen, ein klares Verfahren für Meldungen festzulegen sowie eine geeignete Meldestelle (allenfalls extern) zu bezeichnen. Nicht zu vergessen ist die Unternehmenskultur. Mitarbeitende sollten detailliert über das interne Whistle­blowing-System sowie über nicht tolerierte Verhaltensweisen aufgeklärt werden. Zudem sollten Massnahmen getroffen werden, um Whistleblower zu schützen. Wichtig ist für Arbeitgeber, das Whistleblowing nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu erkennen.

Compliance auf einen Blick

Datenschutz

Es gibt viele datenschutzrechtliche Vorgaben, die Arbeitgeber beachten müssen. Der Schutz der Persönlichkeit der Mitarbeitenden (inklusive Schutz vor sexueller Belästigung) sowie die Aufbewahrungspflichten von Daten der Mitarbeitenden sind nur zwei davon. Solche Fragen tauchen regelmässig im Zusammenhang mit dem Personaldossier auf.

Gesundheitsschutz

Der Arbeitgeber ist gemäss Arbeitsgesetz verpflichtet, die Gesundheit der Mitar­beitenden zu schützen.

Gleichstellungsgesetz

Der Arbeitgeber muss die Bestimmungen des Gleichstellungsgesetzes ein­halten. Das Gleichstellungsgesetz bezweckt die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau und regeltdementsprechend insbesondere die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder die Diskriminierung durch sexuelle Belästigung.

Arbeitszeiterfassung

Die Arbeitszeit der Mitarbeitenden ist in der Regel detailliert festzuhalten. Die Dauer wie auch die Lage der geleisteten täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (inklusive der Ausgleichs- und Überzeitarbeiten) sowie Pausen von einer halben Stunde und mehr müssen ersichtlich sein.

Porträt