Recht

Kündigungsprozesse

Wenn der Mitarbeiter mit Mobbingvorwurf droht

In jüngster Zeit ist immer häufiger zu beobachten, dass in einem Kündigungsprozess, oder kurz vor einem Kündigungsprozess, der Mitarbeiter den Vorwurf des Mobbings erhebt. Manch ein Arbeitgeber sieht sich mit Klagen konfrontiert, in der Regel allerdings erst, nachdem der Mitarbeitende aus dem Unternehmen ausgetreten ist.
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Über Mobbing spricht man erst seit ein paar Jahrzehnten und längst nicht nur in Verbindung mit dem Arbeitsplatz. Mobbing in der Schule oder Cybermobbing sind ebenso Themen wie Mobbing am Arbeitsplatz. Umgangssprachlich wird der Begriff Mobbing oft allzu leichtfertig in verschiedenen Zusammenhängen verwendet und zuweilen sogar etwas lächerlich gemacht. Das straft all jene, die ernsthaft unter einer akuten Mobbingsituation leiden und Hilfe benötigen, um aus dieser Situation herauszukommen. Die von Mobbing Betroffenen widerfährt gros­ses Leid, was zu einer langandauernden gesundheitlichen Störung führen kann. Eine neue Entwicklung ist in Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen zu beobachten, wonach Mitarbeitende häufig kurz vor oder nach einer erfolgten Kündigung den Vorwurf des Mobbings erheben. Oft scheint es dabei mehr um einen Racheakt des Mitarbeitenden zu gehen. Doch was bedeutet das für Arbeitgeber und wie können sie darauf reagieren?

Konfliktsituationen

Die Idee des konfliktfreien Arbeitsplatzes bleibt häufig eine Utopie. Wo Menschen zusammenkommen, zusammenarbeiten und täglich einander begegnen, kommt es erfahrungsgemäss zu Konflikten. Konflikte aufzuarbeiten und diese möglichst einvernehmlich aufzulösen, bedarf einer Intervention des Arbeitgebers und ist sehr zeitaufwendig. Da kann man als Arbeitgeber durchaus der Verlockung erliegen, die Streithähne zu entlassen, um so wieder ein ruhiges Arbeitsklima herzustellen. Die Rechtsprechung des Bundes­gerichts anerkennt zwar, dass ein Arbeitgeber für eine Kündigung nach wie vor keinen bestimmten Grund benötigt. Es gilt in der Schweiz nämlich die sogenannte Kündigungsfreiheit, wonach der Arbeitgeber grundsätzlich auch ohne Vorliegen eines bestimmten Grundes das Arbeitsverhältnis kündigen darf, aber im Gegenzug, bei Vorliegen besonderer Gründe oder Umstände, eine ausgesprochene Kündigung missbräuchlich ist.

Einige Missbrauchs-Tatbestände werden in Art. 336 OR aufgezählt. So sind beispielsweise Kündigungen missbräuchlich, welche wegen einer persönlichen Eigenschaft des Mitarbeiters erfolgen, oder Kündigungen, die ausgesprochen werden, weil der Mitarbeiter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht hat. Die Aufzählung an Missbrauchs-Tatbeständen ist nicht abschliessend, diese beiden Beispiele zeigen aber schon deutlich auf, welches Problem der Arbeitgeber hat, wenn der Mitarbeiter den Vorwurf erhebt, er werde am Arbeitsplatz gemobbt.

Den Arbeitgeber trifft nämlich die Pflicht, dem Mobbingvorwurf nachzugehen und den Betroffenen zu schützen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts geht sogar noch einen Schritt weiter und verpflichtet die Arbeitgeber, bei einer allfälligen Konfliktsituation am Arbeitsplatz zunächst Massnahmen zu treffen, welche geeignet sind, die Konfliktsituation zu entschärfen, bevor sie eine Kündigung aussprechen. Kündigt der Arbeitgeber einem oder mehreren Mitarbeitern, welche an einem Konflikt beteiligt sind, ohne dass er zuvor Massnahmen ergriffen hatte, so ist eine solche Kündigung nach neuerer Rechtsprechung missbräuchlich.

Vorwurf vor Kündigung

Kündigt der Arbeitgeber umgehend und aufgrund eines Mobbingvorwurfs, so kann er fast sicher sein, dass der Mitarbeiter die Kündigung infolge Missbräuchlichkeit anfechten wird und mit grosser Wahrscheinlichkeit auch Erfolg haben wird. Der Arbeitgeber kann einerseits infolge Missbräuchlichkeit zu einer Strafzahlung verpflichtet werden, die – je nach Umständen – bis zu sechs Monatslöhnen beträgt. Daneben kann der Mitarbeiter auch Schadenersatz und allenfalls Genugtuung fordern. Das sind mögliche finanzielle Forderungen, die einen Arbeitgeber sehr wohl zu einem überlegten Handeln veranlassen sollten.

In vielen Fällen, die auf dem Mobbingvorwurf eines Mitarbeitenden basieren, lag kein Mobbing vor und trotzdem erhob der Mitarbeitende den schwerwiegenden Vorwurf. Die Sachverhalte ähneln sich jeweils. Meist gingen die Ansichten des Arbeitgebers und jene des Mitarbeitenden über die Leistung und/oder das Verhalten des Mitarbeitenden auseinander. Der Arbeitgeber hat versucht, Ziele zu formulieren und gab dem Mitarbeitenden auch die Chance, diese zu erreichen. Der Mobbingvorwurf kommt in den von mir be­obachteten vergleichbaren Fällen meist dann auf, wenn die Frist für die Zielerreichung abläuft oder wenn Gespräche zwischen Teammitgliedern (manchmal sogar mit einer externen Mediationsstelle) damit enden, dass dem Mitarbeitenden eine Mitverantwortung an der Situation attestiert wird.

Der konkrete Vorwurf eines Mitarbeitenden, er werde am Arbeitsplatz gemobbt, verlangt vom Arbeitgeber ein Aktivwerden. Er muss Massnahmen ergreifen, welche den Mitarbeitenden schützen und die zur Deeskalation der Situation geeignet sind. Dieses Erfordernis der Massnahmenergreifung ist Ausfluss der gesetzlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, welche den Arbeitgeber dazu anhält, die Gesundheit des Mitarbeitenden zu schützen. Ausserdem, wie bereits erwähnt, verlangt das Bundesgericht gemäss seiner neueren Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber Konfliktsituationen zunächst versucht zu beschwichtigen, bevor er eine oder mehrere Kündigungen ausspricht. Kündigungen infolge Konfliktsituation, die ausgesprochen werden, ohne dass vorher Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts ergriffen wurden, sind gemäss Bundesgericht missbräuchlich.

Vorwurf nach Kündigung

Nicht selten ist die Sachlage aber so, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter kündigt, zum Beispiel infolge mangelhafter Leistung oder wegen seines Verhaltens. Danach wird der Mitarbeitende einerseits arbeitsunfähig, und andererseits macht er geltend, er sei gemobbt worden, weshalb er nun schliesslich auch arbeitsunfähig sei. Beleuchtet man solche Sachverhalte näher, wird meist ersichtlich, dass der Mitarbeiter wohl enttäuscht und verletzt ist und aus seiner Wahrnehmung er tatsächlich Opfer unschöner Konstellationen geworden ist.

Die Ansichten über die zu erbringende Leistung und das erwartete Verhalten gehen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter in solchen Situationen meist stark auseinander. Der Arbeitgeber gibt Vorgaben, der Mitarbeitende erachtet diese Vorgaben als Schikane. Meist ging ein längerer Dialog voraus, in welchem Arbeitgeber und Mitarbeitender sich immer wieder über Leistung oder Verhalten unterhalten hatten.

Oftmals fällt es schwer, die Grenze zu ziehen, ob nun doch Mobbing vorliegt oder nicht. Um mehr Klarheit zu erhalten, muss man sich unbedingt nochmals vor Augen führen, was denn eigentlich Mobbing ist, denn nicht jede Konfliktsituation und nicht jede Meinungsverschiedenheit ist mit Mobbing gleichzusetzen. Gemäss Bundesgericht ist Mobbing das syste­matische, feindliche, über längeren Zeitraum anhaltende Verhalten, mit dem eine Person am Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder sogar vom Arbeitsplatz entfernt werden soll. Demnach liegt kein Mobbing vor, wenn ein Arbeitskonflikt vorliegt oder die Atmosphäre am Arbeitsplatz schlecht ist.

Damit von Mobbing gesprochen werden kann, müssen die typischen Elemente, das systematische, feindliche Ausgrenzen, gegeben sein. Kommt der Vorwurf erst nach einer Kündigung auf, so hat der Arbeit­geber faktisch keine Möglichkeit mehr, geeignete Massnahmen zu ergreifen, vor allem dann nicht, wenn er den Mitarbeitenden allenfalls bereits freigestellt hat. Ist dieser Mitarbeitende arbeitsunfähig, kommt zusätzlich die Frage auf, ob denn durch die Arbeitsunfähigkeit überhaupt eine Sperrfrist ausgelöst wird oder ob allenfalls nur eine rein arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vorliegt, die gar nicht zu einer Erstreckung des Austrittstermins führt. Fragen, die sowohl juristisch als auch emotional heikel sind, und die ein bedachtes Vorgehen erfordern.

Die Vorbeugung

Dass es am Arbeitsplatz zu Enttäuschungen, zu Verletzungen und zu Konflikten kommt, lässt sich kaum ganz ausschlies­sen. Aus juristischer Sicht bleibt die Erkenntnis, dass es gerade in heiklen Per­sonalsituationen wichtig ist, dass man Gespräche führt, Ziele setzt und transparent klarstellt, was vom Mitarbeitenden erwartet wird. Allerdings reicht es nicht, diese Gespräche nur mündlich zu führen, sie müssen auch schriftlich dokumentiert werden, um in einem allfälligen Rechtsstreit den Prozess darlegen zu können. Realistisch werden solche Gespräche zunächst mündlich geführt, merkt man, dass dies nicht reicht oder die Ansichten nicht übereinstimmen, sollte man unbedingt in einem Gespräch die Ziele defi­nieren, dies konkret schriftlich festhalten und die Zielvereinbarung vom Mitarbeitenden unterzeichnen lassen. Zwar kann ein Mitarbeitender darin auch wiederum eine Schikane sehen, doch ist anerkannt, dass das Setzen von Zielen durch den Arbeitgeber kein Mobbing darstellt, selbst dann nicht, wenn der Mitarbeitende dies allenfalls als Druck empfindet.

Eine gute Dokumentation ist nicht nur wegen der Beweissicherung wichtig, sie hilft auch Missverständnisse zu klären und kann durchaus dazu dienen, eine angespannte Situation zu entkrampfen, so dass es nicht zwangsläufig zu einer Trennung führt. Wenn es dann doch zu einer Klage und zu einer Schlichtungsverhandlung kommt, wird ein gut dokumentierter Arbeitgeber, welcher die Kündigung aus mangelnder Leistung ausgesprochen hat, gute Chancen haben, darstellen zu können, dass auch wenn die Ansichten auseinander gingen, kein Mobbing vorlag. Der Prozess muss aber schon frühzeitig sauber aufgegleist werden, der Mitarbeitende gut geführt und schliesslich die Zielsetzung klar dokumentiert werden. Dies ist die beste Prävention und erhöht die Chancen, eine allfällige Klage mit Erfolg abweisen zu können.

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