Recht

Rechtsstreitigkeiten

Was KMU tun können, wenn eine Klage im Ausland droht

Die Aussicht, demnächst im Ausland verklagt zu werden, kann für ein KMU unangenehm sein. Mit der richtigen Strategie lässt sich jedoch ein heimischer Gerichtsstand sichern, ­sofern gewisse Voraussetzungen gegeben sind.
PDF Kaufen

Es kommt immer wieder vor, dass hiesige KMU aufgrund ihrer lokalen oder grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten im Ausland privatrechtlich verklagt werden. Dabei werden hier ansässige KMU nicht nur mit Auslandklagen konfrontiert, die eine angebliche Vertragsver­letzung zum Gegenstand haben, sondern insbesondere auch mit solchen, die eine angebliche quasi- oder ausservertragliche Haftung ins Felde führen. 

Ganz egal, wie sich die konkrete Situation letztlich präsentiert: Die Aussicht, in einen ausländischen Prozess verwickelt zu werden, ist für zahlreiche Unternehmen mit ­einer nicht zu unterschätzenden Portion Stress verbunden. Denn zum einen gilt es, sich unternehmensintern möglichst schnell ein besseres Bild über die Ursprünge der Streitigkeit zu verschaffen. Zum anderen müssen externe Anwälte instruiert werden, mit denen die Verteidigungsstrategie sowie die zu erwartenden Prozesschancen besprochen werden können.

Bereits erfolgte Auslandklage

Bei bereits rechtshängigen Auslandklagen stehen dem KMU grundsätzlich drei Verteidigungsoptionen offen, deren Geeignetheit im Einzelfall jeweils vorab mit in- und ausländischen Spezialisten zu ­erörtern ist: Zum einen kann das Unternehmen die Zuständigkeit der ausländischen Gerichte bestreiten, ohne sich auf das Verfahren einzulassen. Dies ist beispielsweise dann denkbar, wenn in den anwendbaren Verträgen eine gültige Gerichtsstandsklausel mit einem schweizerischen Gerichtstand oder aber eine gültige Schiedsklausel mit einem Schiedssitz in der Schweiz vorgesehen wurde (wobei die Schiedsklausel aufgrund deren globalerer Akzeptanz einen tendenziell lückenloseren Schutz bietet als die Gerichtsstandsklausel). 

Alternativ, das heisst, wenn die Zuständigkeit der ausländischen Gerichte aus­ser Frage steht, kann sich das Unternehmen im Ausland inhaltlich zur Streitsache äussern und sich so zu verteidigen versuchen. 

Schliesslich kann das Unternehmen dafürhalten, den ausländischen Prozess zu ignorieren und darauf zu spekulieren, dass der ausländische Entscheid in der Schweiz letztlich nicht vollstreckt werden kann, was allerdings ein eher gewagtes Vorgehen ist, das genauere Abklärungen gebietet.

Drohende Auslandklage

Was sind nun aber die Handlungsmöglichkeiten des KMU, wenn eine Klage im Ausland noch nicht eingereicht wurde, aber eine solche droht? Je nachdem hat das ­Unternehmen Indizien dafür, dass eine Auslandklage demnächst erfolgen wird, es ist aber der Ansicht, dass der geltend gemachte Anspruch ungerechtfertigt ist. Um sich in einer solchen Konstellation zeitnah einen Gerichtsstand in der Schweiz sichern zu können, steht seit einem Entscheid des Bundesgerichts vom 14. März 2018 die sogenannte negative Feststellungsklage zur Verfügung. Dank dieser Klageart kann das KMU das Nichtbestehen des geltend gemachten Anspruchs gerichtlich feststellen lassen, wobei dadurch eine schweizerische Rechtshängigkeit begründet wird, die im Idealfall Sperr­wirkung für eine später erhobene, spiegelbildliche Leistungsklage im Ausland zeitigt. 

Doch selbst ohne Sperrwirkung kann sich eine negative Feststellungsklage lohnen, weil in der Schweiz ein ausländischer Entscheid gewöhnlich nicht anerkannt wird, wenn ein Rechtsstreit zwischen denselben Parteien über denselben Streitgegenstand zuerst in der Schweiz entschieden worden ist beziehungsweise (zumindest in gewissen Fällen) zuerst in der Schweiz eingeleitet wurde.

Das Bundesgericht hielt im Entscheid vom 14. März 2018 fest, dass im inter­nationalen Verhältnis das Interesse des Feststellungsklägers, bei bevorstehendem Gerichtsverfahren einen ihm ge­nehmen Gerichtsstand in der Schweiz zu sichern, als genügendes Rechtsschutz­interesse im Sinne des Schweizer Prozessrechts zu qualifizieren sei. Dies mitunter deshalb, weil das Führen eines Prozesses in einer fremden Sprache und nach einem unbekannten Verfahrensrecht unangenehm und kostspielig sein kann und ein Zuwarten auf eine anstehende Auslandklage dadurch unzumutbar erscheint. Der Entscheid des Bundesgerichts erging im Zusammenhang mit einer drohenden Klage im EU-Ausland, er soll aber nach herrschender Ansicht auch im Verhältnis zum Nicht-EU-Ausland Geltung haben.

Negative Feststellungsklage

Damit ist nunmehr im internationalen Kontext unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs ein sogenanntes «Forum Running» (das heisst ein Wettstreit um den passenden Gerichtsstand) mittels negativer Feststellungsklage in der Schweiz grundsätzlich möglich. Zusätzlich zu ­den Anzeichen für einen bevorstehenden Auslandprozess muss das KMU darlegen können, dass die Rechtsbeziehungen der Streitparteien offenkundig ungewiss sind, dass diese Ungewissheit durch gerichtliche Feststellung behoben werden kann und dass keine andere Klageart ­wie eine Leistungs- oder Gestaltungsklage zur Verfügung steht. 

Weiter muss das KMU aufzeigen können, dass das von ihm angerufene Schweizer Gericht für die negative Feststellungsklage zuständig ist, was sich je nach Konstellation einfacher oder schwieriger gestaltet (und insbesondere dann diffizil ist, wenn in den anwendbaren Verträgen eine gültige Gerichtsstandsklausel mit einem exklusiven Gerichtsstand im Ausland und einer weiten Reichweite vereinbart wurde). 

Noch nicht restlos geklärt ist die Frage, welche Qualität die Indizien aufzuweisen haben, die auf einen bevorstehenden Auslandprozess hinweisen. Bedarf es eines Schreibens einer Gegenpartei mit Sitz im Ausland bzw. deren Anwalts, in welchem rechtliche Schritte in Aussicht gestellt werden? Oder reicht es beispielsweise auch, wenn die Gegenpartei mit Sitz im Ausland eine vom Schweizer KMU als ungerechtfertigt empfundene For­derung geltend macht und davon nicht mehr abweichen möchte? 

Sowohl im genannten Entscheid des Bundesgerichts als auch in einem späteren Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 6. Mai 2020 präsentierte sich die Situation so, dass die Eingabe der Gegenseite an ein ausländisches Gericht bereits im Entwurf vorlag bzw. dass ein ausländischer Anwalt schon mit einer Klage drohte. Es wird interessant sein, zu sehen, wie die Schweizer Gerichte diesbezüglich in Zukunft entscheiden werden.

Porträt