Recht

Gesetzesänderungen

Was durch die Revisionen des Erbrechts zu berücksichtigen ist

Für die nächste Zeit ist eine Revision des Erbrechts geplant, das an die neuen Familien- und Partnerschaftsformen angepasst wird. Dazu will man durch Reduktion der Pflichtteile die Unternehmensnachfolgen erleichtern. Bei der Vernehmlassung gab es dazu verschiedene Meinungen.
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Ein Kernstück des Vorentwurfs zur Revision des Erbrechts ist die Verkleinerung der Pflichtteile. Dabei werden eingetragene Partnerschaften, wie bei dem ganzen Vorentwurf, den Ehepartnern gleichgestellt.

Pflichtteile

Als neue Pflichtteile gelten nach dem Vorentwurf

  • für Nachkommen die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Wenn sie mit einem Ehepartner zu teilen haben, beträgt der Anspruch wie früher drei Achtel der Erbschaft. Das ergibt sich dadurch, dass der Pflichtteil des Ehepartners kleiner ist als früher.
  • für den überlebenden Ehegatten beziehungsweise eingetragene Partner beträgt der Pflichtteil einen Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs.
  • Der Pflichtteil für die Eltern von Unverheirateten wird abgeschafft.

Die Verkleinerung der Pflichtteile wurde bei der Vernehmlassung von sehr vielen Seiten akzeptiert. Es wurde sogar die Meinung vertreten, dass der Pflichtteil zumindest für Nachkommen ganz abgeschafft werden sollte. Die Grünliberalen würden sogar gern auf das Pflichtteilsrecht ganz verzichten.

Neue Familienmodelle

Als Gründe für die Verkleinerung der Pflichtteile werden einerseits die veränderten Familienverhältnisse angeführt. Man könne so in Patchworkfamilien die anderen Angehörigen auch berücksich­tigen, zum Beispiel Stiefkinder. Andere wiederum finden das ungerecht, weil Stiefkinder schon einen Pflichtteil von ihren eigenen Eltern zugut hätten. Ein anderes Argument ist, dass viele Erblasser gern direkt die Enkel berücksichtigen würden statt der Kinder. Oder dass ihnen andere Personen näherstünden als ihre leiblichen Kinder.

Die Reduktion des Pflichtteils für den Ehepartner wird von einigen Stellungnahmen kritisiert. Häufig würde die Errungenschaft, zu der er auch beigetragen hat, einen grossen Teil des Vermögens ausmachen. In Bezug auf langjährige Ehen leuchtet das ein, vor allem wenn man auch Kinder aufgezogen hat. Beim Kanton Zürich meint man beispielsweise, dass die Verkleinerung des Pflichtteils für überlebende (Ehe-)Partner deren finanzielle Sicherheit im Alter beeinträchtigen könne und dazu führe, dass diese Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen in Anspruch nehmen müssen, während Nachkommen oder andere Personen erben.

Es wird nur wenig berücksichtigt, dass die meisten Ehepartner in einer modernen Ehe ihr eigenes Geld verdienen und höchstens noch in Erziehungsphasen auf Unterstützung des Partners angewiesen sind. Allerdings streben die Erbschleicher auch heutzutage noch immer eine Ver­sorgungsehe an. Die Stellungnahme der Schweizer Vereinigung gegen Erbschleicherei zieht in Betracht, dass es erst nach längerer Ehedauer, beispielsweise fünf Jahre, ein Pflichtteilsrecht geben sollte.

Unterschiedliche Reaktionen

Allerdings gibt es auch Stellungnahmen, die die Reduktion des Pflichtteilsrechts ablehnen, zum Beispiel vom Kanton Solothurn, von der Schweizerischen Volkspartei SVP und vom Schweizer Bauernverband.

Die SVP lehnt die Vorlage ab. Es sei ungerecht, die leiblichen Kinder, die an der Trennung der Eltern keine Schuld hätten, gegenüber Stiefkindern zu benachteiligen. Als Regelfall hätte die Revision die Patchworkfamilie im Fokus, dies als Modernisierung zu bezeichnen sei fragwürdig. Der Pflichtteil der Eltern solle beibehalten werden, denn diese hätten ja den Erblasser erzogen.

Auch der Schweizer Bauernverband (SBV) lehnt die Revision des Erbrechts in der vorgeschlagenen Form ab. Der Bauernverband ist der Überzeugung, das bestehende Erbrecht habe sich bewährt. Die vorgesehene Senkung der Pflichtteile würde die Familie und verheiratete Paare schwächen, wenn die Begünstigung nicht Familienmitgliedern zukommt. Der SBV kann nur zum Zweck des Fortbestandes des Unternehmens eine Begünstigung zu Lasten der Familienangehörigen befürworten. Je höher die Flexibilität ist, desto grösser das Missbrauchspotenzial durch Erbschleicherei.

Hingegen unterstützt der Schweizer Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) die Möglichkeit der grösseren Testierfreiheit, sieht darin aber auch die Gefahr des Missbrauchs durch Aussenstehende. Daher fordert der SBLV, dass eine Pflichtteilsreduktion nur zur Begünstigung von einzelnen Erben oder auch nahestehenden, aber nicht verwandten Personen wie faktischen Lebenspartnern und / oder nicht leiblichen Kindern zugelassen wird.

Der Bäuerinnen- und Landfrauenverband fordert, dass der überlebende Ehepartner beziehungsweise der eingetragene Partner den Nachkommen zumindest gleichgestellt oder gegenüber diesen sogar begünstigt wird. Die Christlichdemokratische Volkspartei CVP steht der Streichung des Pflichtteils der Eltern skeptisch gegenüber. Der Gedanke der Solidarität innerhalb der Familie sei weiterhin wichtig. Mit dieser Revision soll aber auch die Stellung der Frauen nicht verschlechtert werden.

Gut für Unternehmensnachfolge

In einer grossen Reihe von Stellungnahmen, nicht zuletzt von Wirtschaftsverbänden, zum Beispiel dem Schweizerischer Gewerbeverband und der Economiesuisse, sowie bürgerlichen Parteien, wird die Reduzierung der Pflichtteile als günstig für die Unternehmensnachfolge betrachtet. Das Risiko, dass ein Unternehmer durch Kapitalentzug zur Abgeltung von Pflichtteilen geschädigt würde, sei geringer und die Eigentümer könnten besser zugunsten ihres Unternehmens testieren.

Die Stellungnahme des Kantons Waadt enthält einen interessanten Vorschlag in Bezug auf Unternehmensnachfolge, nämlich eine Regelung für Familienunternehmen analog zum bäuerlichen Erbrecht: Befindet sich in der Erbschaft ein (landwirtschaftliches) Gewerbe, so kann jeder Erbe verlangen, dass ihm dieses in der Erbteilung zugewiesen wird, wenn er es selber bewirtschaften will und dafür als geeignet erscheint.

Rechnung ohne die Erbschleicher

Vor allem bei der Argumentation über die Reduktion der Pflichtteile geht man davon aus, dass die Erblasser, wenn auch nicht direkte Nachkommen, so doch andere Angehörige oder langjährige Freunde begünstigen werden. In gesundem Zustand beabsichtigen sicher die meisten Menschen das. Nur besteht bei Krankheit oder Demenz die Gefahr, dass Wohlhabende in die Hände von Erbschleichern fallen. Dieses Gewerbe wird heute oft von Kollektiven mit mafiösen Strukturen betrieben und sogar von Politikern, Anwälten und Notaren begünstigt. Das Problem der Erbschleicherei wird im Vorentwurf nur in zwei Artikeln berücksichtigt.

  • Nach dem neuen ZGB Art. 541a darf den Personen, die in Ausübung ihrer beruflichen Funktion in einem Vertrauensverhältnis zum Erblasser stehen, sowie ihren Angehörigen durch eine Verfügung von Todes wegen insgesamt höchstens ein Viertel der Erbschaft zugewendet werden.
  • Nach dem neuen ZGB Art. 469 Abs. 1 sind Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, anfechtbar, nach altem Recht waren sie ungültig. Allerdings ist es da oft sehr schwierig, Beweise festzuhalten.

Im Kanton Uri betrachtet man die Regelung von ZGB Art. 541 immerhin als Eindämmung des Risikos, dass das Vertrauen einer Person missbraucht wird, um sich nach deren Tod finanzielle Vorteile zu verschaffen. In der  Waadt hält man eine genauere Definition von Vertrauensverhältnis und Berufsausübung für nötig.

Im Vernehmlassungsbeitrag der Notariatskammer Basel-Stadt heisst es, dass man gerade vor dem Hintergrund eines bekannten Basler Falls eine Eingrenzung der Erbschleicherei begrüssen könne. Mit dieser Bestimmung könnten aber neue Ungerechtigkeiten geschaffen werden, wenn Erblasser Pfleger, die sich intensiv um sie gekümmert haben, begünstigen möchten. Benevol Schweiz, Dachorganisation der regionalen Fachstellen für Freiwilligenarbeit, empfiehlt, auf eine quotenmässige Begrenzung von Zuwendungen an Vertrauenspersonen zu verzichten. Zumindest sollten bezahlte sowie unbezahlte
Tätigkeiten gleichgestellt werden.

Erblasser schlecht geschützt

Der Verein Successio fordert, dass man in einem zeitgemässen Erbrecht die Problematik der Urteilsfähigkeit des Erblassers beziehungsweise von Demenz-Erkrankungen und die steigende Pflegebedürftigkeit berücksichtigen müsse. Intensiv mit diesen Problemen befasst hat sich der Beitrag der Vereinigung gegen Erbschleicherei, gegründet von Felix Boller. Unter anderem wird vorgeschlagen, die Erbschleicherei als strafrechtlichen Tatbestand ins StGB einzufügen.

Die Erblasser sind selber gegen Erbschleicherei nicht geschützt. Immer wieder kommt es vor, dass sogar reiche Leute zu Lebzeiten schon so abgezockt werden, dass sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen. Erblasser können aber selber ein Dokument erstellen, um sich vor eigenen Verfügungen zu schützen, am besten handschriftlich und nach den Formvorschriften des Testaments. Darin bestimmt man, dass Verfügungen, die man bei Krankheit, nach Unfällen oder in dementem Zustand getroffen hat, ungültig sein sollen. Wenn die Erben oder der Erblasser selber die Bestimmung geltend macht, müssen die Erbschleicher sie anfechten, aber die meisten von ihnen haben gute Gründe, Prozesse zu scheuen.

Anpassungen regeln

Unternehmer können auch unangenehme Konsequenzen eines Erbteilungsstreits mit einem Testament oder Erbvertrag regeln, zum Beispiel indem sie Erben auf den Pflichtteil setzen. Wenn sie die Kinder, die nicht im Familienunternehmen arbeiten, nicht schlechterstellen wollen, können sie die Nutzniessung an der verfügbaren Quote anordnen.

In Bezug auf die verfügbare Quote kann man auch Bedingungen stellen, zum Beispiel, dass die Erben das Kapital im Geschäft belassen und einen Gewinnanteil erhalten. Der Erbvertrag hat in Bezug auf die finanzielle Sicherheit des Unternehmens den Vorteil, dass er nur mit Zustimmung aller Beteiligten geändert werden kann (ZGB Art. 513).

Wichtig für Unternehmer ist, dass man bei Erbverträgen die Entwicklung eines neuen Rechts berücksichtigt, unabhängig davon, wie dieses definitiv gestaltet wird. Anderenfalls könnte einer der Beteiligten auf die Idee kommen, den Vertrag anzufechten, weil die Rechtsgrundlagen sich geändert haben. Selbst wenn er damit keinen Erfolg hätte, würde dies die Erbteilung verzögern und ein Prozess ist immer mit Ärger sowie Verlusten verbunden.

  • Man legt im Erbvertrag fest, dass man auf Wunsch eines Beteiligten nach dem Inkrafttreten des neuen Erbrechts eine Änderung vornehmen kann.
  • Will man die Verhältnisse nach dem alten Erbrecht regeln, sollte ausdrücklich im Vertrag festgehalten sein, dass eine Anpassung an das neue Erbrecht nicht vorgesehen ist.

Die Erbteilung

Die Schwierigkeit bei einer Erbteilung ist, dass die Erben einstimmig beschliessen müssen. Das ist dann ein Problem, wenn es Konflikte unter den Erben gibt. Auch Erbschleicher arbeiten bei der Erbteilung gern mit Verzögerungstaktik, um so höhere Beträge herauszuschlagen. Die Banken aber verweigern Kredite auf eine ungeteilte Erbschaft.
Unternehmer sollten dafür sorgen, dass das Firmenkapital wenn möglich nicht zur Erbmasse gehört. Was in privaten Verhältnissen schon sehr ärgerlich ist, kann für Unternehmen ruinös sein.

Dieses Problem wurde in der Vernehmlassung kaum erwähnt. Die Schweizer Vereinigung gegen Erbschleicherei fordert, dass Kinder und Ehepartner gleich nach dem Tod des Erblassers auf ihren Pflichtteil zugreifen können. Dies muss als vorläufiger Bezug gelten und mit dem übrigen Guthaben verrechnet werden.

Eine Privatperson vertritt die Meinung, der einstimmige Entscheid widerspreche dem schweizerischen demokratischen Prinzip. Ein Zweidrittelsmehrheits-Entscheid müsste heute unbedingt eingeführt werden, denn sonst würden oft Notare und Anwälte die wirklichen Erben.Die Meistbegünstigungsregelung für den überlebenden Ehepartner gegenüber gemeinsamen Kindern von Art. 473 bleibt bestehen, dafür gelten aber die neuen Pflichtteile. Bei Meistbegünstigung oder Erbverzichtsverträgen mit den Eltern zugunsten des überlebenden Elternteils muss das Vermögen des Vorverstorbenen separat angelegt werden, um den Kindern im Erbschaftsfall einen sofortigen Zugriff auf das betreffende Vermögen zu ermöglichen. Das ist leider auch im neuen Erbrecht nicht vorgeschrieben.

Wenn sich das Vermögen des vorverstorbenen Elternteils mit dem des überlebenden Elternteils vermischt, gibt es nur eine Erbmasse, für die das Prinzip der Einstimmigkeit gilt. In der Praxis können dann andere Erben den Kindern während der Erbteilung das Vermögen des vorverstorbenen Elternteils vorenthalten.