Recht

Arbeitsrecht

Wann Kettenarbeitsverträge zulässig sind – und wann nicht

Die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverträge wird als Kettenarbeitsvertrag bezeichnet. Die Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen hängt von den konkreten Umständen ab und davon, was der Grund für die Befristung der einzelnen Verträge ist.
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Nicht selten kommt es vor, dass man mit einem Mitarbeitenden einen Arbeitsvertrag für ein paar Monate abschliesst. Beispielsweise wenn ein Mitarbeitender bis zu seinem Studienanfang noch ein paar Monate jobben will oder wenn ein Ar­beitgeber für ein Projekt zeitlich befristete Ressourcen benötigt. Die Befristung von Arbeitsverhältnissen hat für beide Parteien den Vorteil, dass von Beginn weg klar ist, bis wann genau die Zusammenarbeit dauert und wann das Arbeitsverhältnis endet. Eine Kündigung muss nicht ausgesprochen werden, da der Endtermin klar vereinbart wurde.

Von einem befristeten Arbeitsverhältnis, das ohne vorangehende Kündigung endet, kann aber immer nur dann ausgegangen werden, wenn aus der Vereinbarung heraus klar ersichtlich ist, dass der Vertrag automatisch endet und dass die Beendigung eben gerade nicht vom Willen einer Partei abhängig ist. Der Endtermin muss ein­deutig bestimmbar sein, sei es durch ein Datum oder durch eine konkrete Zieler­reichung. Ist der Endtermin nicht klar bestimmbar, besteht das Risiko, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet qualifiziert wird, wonach für dessen Beendigung eine Kündigung erforderlich ist und die Rechtsfolgen einer Kündigung gelten. 

Die Befristung 

In der Praxis werden Verträge oft so ausgestaltet, dass einerseits eine zeitliche Komponente die Dauer regelt und andererseits aber auch eine Kündigungsmöglichkeit während der Dauer vorgesehen ist. So kann beispielsweise vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis in den ersten sechs Monaten nicht gekündigt werden kann, danach aber die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten. Hier liegt keine Befristung, sondern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer Minimaldauer vor. 

Ebenfalls keine Befristung im eigentlichen Sinn liegt vor, wenn in Personalreglementen festgehalten wird, dass beim Erreichen des ordentlichen Pensionsalters das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung automatisch endet. Auch das ist ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, in diesem Fall mit einer Maximaldauer. Es muss also unterschieden werden, ob bei einem Vertrag eine effektive Befristung vereinbart wurde (Beginn und Ende des Vertrages sind klar erkennbar) oder ob ein Vertrag mit einer bestimmten Dauer (minimalen oder maximalen) geschlossen wurde. Ein Vertrag mit bestimmter Dauer ist kein befristeter Vertrag und es liegt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor. 

Die Aneinanderreihung

Das Schweizer Recht erlaubt es grundsätzlich, im Anschluss an einen an sich be­fristeten Vertrag einen neuen befristeten Vertrag abzuschliessen. Mehrere befristete Verträge hintereinander abzuschliessen ist – entgegen einer weit verbreiteten
Meinung – nicht verboten. Unzulässig ist ein Kettenarbeitsvertrag allerdings dann, wenn dadurch eine Umgehungsabsicht respektive ein Rechtsmissbrauch einhergeht. Wenn es für die Aneinanderreihung meh­rerer befristeter Arbeitsverträge keinen sachlichen Grund gibt, dann liegt ein unzulässiger Kettenarbeitsvertrag vor. Ob sachliche Gründe für die Befristungen vorliegen, muss im Einzelfall geklärt werden. Die Rechtsprechung sieht beispielsweise bei Berufssportlern, Lehrkräften oder auch Künstlern grundsätzlich einen sachlichen Grund für Befristungen als gegeben.

Wird die Arbeitstätigkeit zwischen den einzelnen Verträgen unterbrochen, zum Beispiel bei Saisonstellen, stellt sich regelmässig die Frage, ob das Arbeitsverhältnis mit jedem neuen Stellenantritt neu beginnt oder ob ab dem ersten Stellenantritt gerechnet werden muss. Auch hier wäre eine einfache, klare Regelung wünschenswert, es gibt sie aber leider nicht. Je kürzer der Unterbruch ist, desto eher muss von einem einzigen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden. Die Dienstjahre werden also ab dem ursprünglichen Eintritt gezählt. Die Fortsetzung desselben Arbeitsverhältnisses bei Unterbrüchen ist übrigens unabhängig davon, ob die Verträge befristet oder unbefristet geschlossen werden, zu prüfen. Ein untaugliches Unterscheidungskriterium ist, ob der Mitarbeitende in der Zwischenzeit eine andere Stelle angetreten hatte oder nicht. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass es sich um ein neues Arbeitsverhältnis handelt. 

Die Kündigungsfrist

Werden also befristete, aufeinanderfolgende Arbeitsverträge als unzulässige Kettenarbeitsverträge qualifiziert und in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgedeutet, endet dieses nicht automatisch. Wurde aber innerhalb der Befristung keine zusätzliche Kündigungsfrist vorgesehen, geht die Rechtsprechung davon aus, dass das Arbeitsverhältnis frühestens am festgelegten Ablaufdatum gekündigt werden kann. Ohne vertragliche Vereinbarung kommen dann für die Beendigung die gesetzlichen Kündigungsfristen aus den Arbeitsvertrag zur Anwendung, die im ersten Dienstjahr einen Monat, im zweiten bis neunten Dienstjahr zwei Monate und ab dem zehnten Dienstjahr drei Monate betragen. Dies führt also zur Konsequenz, dass das Arbeitsverhältnis unter Umständen noch weiterläuft, obwohl die Arbeit beendet ist. Gleichzeitig gelten auch die Bestimmungen des Kündigungsschutzes.

Motiv ist entscheidend

Oft hört man, dass zwei befristete Arbeitsverträge hintereinander zulässig seien, mehr aber nicht. Das ist zu kurz gegriffen. Nicht die Anzahl der einzelnen Verträge, nicht die allfällige Unterbrechung zwischen den Verträgen, sondern vor allem das Motiv für die Befristung ist entscheidend dafür, ob ein Kettenarbeitsvertrag zulässig ist oder nicht. Will man damit die Mitarbeiterrechte – allen voran den Sperrfristenschutz – umgehen, dann liegt ein unzu­lässiger Kettenarbeitsvertrag vor. Das kann auch schon bei einer zweimaligen Befristung der Fall sein. Demgegenüber können, je nach Vertragsausgestaltung, auch mehrmalige Befristungen zulässig sein, wenn dadurch die Rechte des Mit­arbeitenden nicht umgangen werden. Übrigens: Eine Probezeit innerhalb einer Befristung kann sehr wohl vereinbart werden. Wird das Arbeitsverhältnis nicht innerhalb der Probezeit gekündigt, beginnt die Befristung faktisch erst ab Beendigung der Probezeit. Und selbstverständlich kann nur einmal eine Probezeit vereinbart werden und nicht mit jeder Befristung erneut eine Probezeit – auch nicht, wenn die Probezeit auf einen Monat verkürzt wird. 

Die Rechtsfolge 

Liegt nun ein unzulässiger Kettenarbeitsvertrag vor, so führt dies nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Ledig­lich die Bestimmung, mit welcher die Befristung umgangen werden sollte, ist ungültig und somit gilt die diesbezügliche Gesetzesbestimmung. Sollte also der Sperrfristenschutz umgangen werden, so lebt dieser wieder auf, selbst wenn keine Arbeitgeber-Kündigung ausgesprochen wurde, weil eben ein befristeter Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Alle anderen Vertragsabreden bleiben aber grundsätzlich weiterhin gültig. Im Übrigen ist für alle Rechtsfolgen, die vom Dienstjahr abhängig sind – zum Beispiel die Lohnfortzahlung bei Krankheit – immer vom ursprünglichen Eintrittsdatum auszugehen, unabhängig davon, ob die Kettenarbeitsverträge zulässig sind oder nicht. 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es für die Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen keine allgemein gültige Regelung gibt. Entscheidend ist immer, warum ein befristeter Arbeits­vertrag geschlossen wird. Gibt es dafür eine sachliche Begründung, bestehen gute Chancen, dass eine mehrmalige Befristung zulässig ist. Baut man zusätzlich zur Befristung eine Kündigungsfrist ein, läuft man Gefahr, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet erachtet wird. Aus Arbeitgebersicht mag die Befristung gelegentlich eine Möglichkeit darstellen, das Kostenrisiko minimieren zu können. Doch aufgepasst, nicht immer mag ein solches Vertragskonstrukt standhalten. Und so lohnt sich jeweils die kritische Gegenprüfung, wie es wäre, wenn man das Arbeitsverhältnis unbefristet eingehen, eine lange Probezeit und eine kurze Kündigungsfrist vereinbaren würde.

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