Stellen Sie sich vor, Sie sitzen vor dem Fernseher, knabbern Chips und trinken dazu ein Glas Wein oder Bier. Plötzlich flimmert eine Gemüsereklame über den Bildschirm. Sie denken nichts Böses dabei, glauben an Zufall. Aber es passiert immer wieder an gemütlichen Fernsehabenden. Warum? Weil der Fernseher mit einer Kamera versehen ist, die registriert, was Sie machen und vor allem, was Sie konsumieren und dies weiterleitet, zum Beispiel an Gemüsehändler. Ähnliches kann passieren, wenn Sie interessiert ein Schaufenster ansehen. Eine Kamera, sogar in den Schaufensterpuppen versteckt, kann Ihr Gesicht erkennen und registrieren, welche Produkte Sie besonders interessieren.
Sie nutzen den neuen Fahrdienst Uber, um zu einem verschwiegenen Rendezvous zu fahren. Sie glauben, das bleibe geheim, aber Uber weiss Bescheid. Uber-Deutschlandchef Fabien Nestmann nannte die Datensammlung der Uber im Interview mit ARD-Panorama und der Berliner Zeitung ein «analytisches Spiel». Die Mitarbeiter von Uber registrierten offensichtlich, welche Nutzer wann und wo einen One-Night-Stand hatten. Oder noch schlimmer: Ihr Arzt hat Ihre medizinischen Daten auf sein Handy gespeichert. Gleichzeitig befindet sich eine App auf seinem Handy, die unbemerkt auf die Daten des Arztes – und damit auf Ihre Krankengeschichte – zugreift und diese an Unternehmen weiterleitet. Oder ein Hacker dringt in das System ein.
Keine schauerliche Utopie
Sogenannte Smart-Fernseher sind heute mit Videokamera und Mikrofon ausgerüstet und man kann damit im Internet kommunizieren. Leider funktioniert das auch umgekehrt, vom Internet aus kann man auf die Fernseher zugreifen. Wie beim Smartphone ist die Überwachung der Zuschauer, sogar Gesichtserkennung, möglich, sobald der Fernseher ans Internet angeschlossen ist. Die Verbindung zu den Internetdiensten ermöglicht eine Aufzeichnung und Auswertung des individuellen Nutzungsverhaltens.
Das Fachmagazin «c't» publizierte Anfang 2014 eine Studie über Smart-Fernseher. Internetfähige Fernseher sind im Grunde leistungsschwache Computer mit eingebautem Webbrowser und Betriebssystem. Diese Technik arbeitet, auch wenn Zuschauer gar nicht bewusst online sind. Bei einer Reihe aktueller Smart-TVs wurde der Datenverkehr analysiert. Sobald die Geräte eine Internetverbindung hatten, übertrugen sie Daten an die Server der Hersteller. Dass Smartphone-Apps vor allem den Sinn haben, die Nutzer auszuspionieren, ist schon lange bekannt. Besonders schlimm kann das aber wirken, wenn auf demselben Smartphone geheime Daten gespeichert sind, zum Beispiel eines der Handyprogramme für Mediziner. Die Anbieter solcher Programme preisen beispielsweise folgende Funktionen an: Die elektronische Patientenakte kann auf Desktop-Computern, Laptops, Tablet-PCs und UMPCs angewendet werden. Die Software kann sämtliche medizinschen Daten verwalten, wie die Patientengeschichte, Abrechnungen, Agendas, Röntgenbilder usw. Man wirbt mit Zeitgewinn und einfacher Verwaltung von Patientendossiers. Das gilt natürlich alles auch für Geschäftsdaten, die man unbedingt vor fremdem Zugriff schützen muss.
EuGH-Urteil
Im Dezember wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein bemerkenswertes Urteil über Datenschutz publiziert. Herr R., wohnhaft in Ungarn, installierte 2007 eine Kamera fest an seinem Haus. Diese kontrollierte den Eingang des Hauses, den öffentlichen Strassenraum sowie den Eingang des gegenüberliegenden Hauses. Die Anlage nahm Videoaufzeichnung auf und speicherte diese auf der Festplatte. Der Grund für den Betrieb dieser Kamera war, das Eigentum, die Gesundheit und das Leben seiner selbst und seiner Familie zu schützen. R. selber und seine Familie waren nämlich während mehrerer Jahre Ziel von Angriffen eines Unbekannten gewesen, den man nicht entlarven konnte. In einer Oktobernacht 2007 fand ein weiterer Angriff statt.
Dank einer Videoüberwachungsanlage konnten zwei Verdächtige identifiziert werden. Die Aufzeichnungen wurden der Polizei übergeben und anschliessend im Rahmen des eingeleiteten Strafverfahrens verwertet. Einer der Verdächtigen beantragte die Überprüfung der Rechtmässigkeit des Überwachungssystems von Herrn R. Ein Gerichtsentscheid in Ungarn stellte fest, dass Herr R. Zuwiderhandlungen gegen die Datenschutzbestimmungen begangen hätte, weil er Daten über Personen auf der Strasse gesammelt hätte, ohne deren Einwilligung und ohne sie vorher zu informieren.