Recht

Aufgaben Pflichten und Verantwortung von Verwaltungsräten (Teil 2 von 5)

VR und Revisionsstelle: ein spezielles Pas de deux

Der Umfang der Revision ist eine wesentliche Entscheidung, die jede Aktiengesellschaft fällen muss. Aufs rechte Mass kommts an. – Eine gute Zusammenarbeit von Verwaltungsrat und Revisionsstelle kann Mehrwert für die Unternehmung schaffen.
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Neben der Generalversammlung und dem Verwaltungsrat ist die Revisionsstelle das dritte vom Gesetz zwingend vorgeschriebene Organ der Gesellschaft. Bei der Revisionsstelle handelt es sich um ein Organ der Aktiengesellschaft, das durch die Aktionäre gewählt wird. Dieses als externe Revision bezeichnete Organ erfüllt die ihm vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben gemäss den geltenden Richtlinien.

Die Hauptaufgabe der Revisionsstelle besteht in der Abschlussprüfung. Dabei ist zu prüfen, ob mit der Jahresrechnung die gesetzlichen Vorschriften eingehalten sind, ob die Jahresrechnung mit den Statuten und dem gewählten Regelwerk (IFRS, Swiss GAAP FER) in Einklang steht, ob der Antrag des Verwaltungsrates an die Generalversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinnes den gesetzlichen Vorschriften und den Statuten entspricht sowie – bei der ordentlichen Revision –, ob ein internes Kontrollsystem existiert.

Wir unterscheiden zwischen der ordentlichen und eingeschränkten Revision. Folgende Aufgaben sind Teil der ordentlichen Revision:

Art. 728a OR

Die Revisionsstelle prüft, ob:

1. die Jahresrechnung und gegebenenfalls die Konzernrechnung den gesetzlichen Vorschriften, den Statuten und dem gewählten Regelwerk entsprechen;

2. der Antrag des Verwaltungsrats an die Generalversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinnes den gesetzlichen Vorschriften und den Statuten entspricht;

3. ein internes Kontrollsystem existiert.

Die Revisionsstelle berücksichtigt bei der Durchführung und Festlegung des Umfanges der Prüfung das interne Kontrollsystem. Die Geschäftsführung des Verwaltungsrates ist nicht Gegenstand der Prüfung durch die Revisionsstelle.

Art. 728b OR

Die Revisionsstelle erstattet dem Verwaltungsrat einen umfassenden Bericht mit Feststellungen über die Rechnungslegung, das interne Kontrollsystem sowie die Durchführung und das Ergebnis der Revision.

Die Revisionsstelle erstattet der Generalversammlung schriftlich einen zusammenfassenden Bericht über das Ergebnis der Revision. Dieser Bericht enthält:

1. Stellungnahme zum Prüfungsergebnis;

2. Angaben zur Unabhängigkeit;

3. Angaben zu der Person, welche die Revision geleistet hat, und zu deren fachlicher Befähigung;

4. eine Empfehlung, ob die Jahresrechnung und die Konzernrechnung mit oder ohne Einschränkung zu genehmigen oder zurückzuweisen ist.

Das Gesetz ermöglicht einem KMU die eingeschränkte Revision (Art.727 Abs.1 Ziffer2 OR).

Diese Möglichkeit besteht, wenn die Gesellschaft in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren eine Bilanzsumme von 10 Millionen CHF, einen Umsatzerlös von 20 Millionen CHF oder 50 Vollzeitstellen nicht überschreitet (sogenannte 10-20-50-Regel).

Bei der eingeschränkten Revision kann die Revisionsstelle auch bei der Buchführung sowie bei der Erbringung anderer Dienstleistungen für die zu prüfende Gesellschaft mitwirken, was gerade einem KMU eine grosse Entlastung bringen kann (Art. 729 Abs. 2 OR).

Selbst wenn die Voraussetzungen für eine eingeschränkte Revision erfüllt sind, muss ein KMU trotzdem eine ordentliche Revision vornehmen, wenn Aktionäre, die zusammen mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals vertreten, dies verlangen (Art.727 Abs.2 OR).

Weiter können die Statuten eine ordentliche Revision vorsehen oder die Generalversammlung kann beschliessen, dass die Jahresrechnung ordentlich geprüft wird (Art. 727 Abs. 3 OR).

Qualitäten des Revisors

Als Revisionsstelle muss ein KMU bei der eingeschränkten Revision einen zugelassenen Revisor nach den Vorschriften des Revisionsaufsichtsgesetzes vom 16. Dezember 2005 (RAG; SR 221.302) bezeichnen. Als Revisionsstelle wählbar sind nur im Handelsregister eingetragene Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder juristische Personen (Art. 2 lit. b RAG).

Natürliche Personen dürfen damit nur noch dann selbstständig Revisionsdienstleistungen erbringen, wenn sie das Revisionsmandat über ein im Handelsregister eingetragenes Einzelunternehmen ausüben (Art.8 Abs.1 Revisionsaufsichtsverordnung, RAV; SR 221.302.3). Für dieses Einzelunternehmen ist eine separate Zulassung der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) erforderlich beziehungsweise einzuholen.

Weiter muss die Revisionsstelle unabhängig sein und sich ihr Prüfungsurteil objektiv bilden. Die Unabhängigkeit darf weder tatsächlich noch dem Anschein nach beeinträchtigt sein. Folgende Aufgaben sind bei einer eingeschränkten Revision durch die Revisionsstelle durchzuführen:

Art. 729a OR

Die Revisionsstelle prüft, ob Sachverhalte vorliegen, aus denen zu schliessen ist, dass:

1. die Jahresrechnung nicht den gesetzlichen Vorschriften und den Statuten entspricht;

2. der Antrag des Verwaltungsrates an die Generalversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinnes nicht den gesetzlichen Vorschriften und den Statuten entspricht.

3. Die Prüfung beschränkt sich auf Befragungen, analytische Prüfungshandlungen und angemessene Detailprüfungen.

4. Die Geschäftsführung des Verwaltungs­rates ist nicht Gegenstand der Prüfung durch die Revisionsstelle.

Art. 729b OR

Die Revisionsstelle erstattet der Generalversammlung schriftlich einen zusammenfassenden Bericht über das Ergebnis der Revision. Dieser Bericht enthält:

1. einen Hinweis auf die eingeschränkte Natur der Revision;

2. eine Stellungnahme zum Ergebnis der Prüfung;

3. Angaben zur Unabhängigkeit und gegebenenfalls zum Mitwirken bei der Buchführung und zu anderen Dienstleistungen, die für die zu prüfende Gesellschaft erbracht wurden;

4. Angaben zur Person, welche die Revision geleitet hat, und zu deren fachlicher Befähigung.

Der Bericht muss von der Person unterzeichnet werden, die die Revision geleitet hat.

Damit die Revisionsstelle ihrer Prüfungspflicht nachkommen kann, hat der Verwaltungsrat dafür zu sorgen, dass sie die nötigen Informationen erhält. Solange sich die Revisionsstelle innerhalb der ihr nach dem Gesetz zugeteilten Aufgaben bewegt, kann und darf der Verwaltungsrat der Revisionsstelle keine Weisungen erteilen. Umgekehrt verfügt auch die Revisionsstelle gegenüber dem Verwaltungsrat über kein Weisungsrecht.

Zu den Hauptaufgaben der Revisionsstelle gehört die Prüfung der Jahresrechnung. Dabei prüft sie stichprobenweise die Buchhaltung. Die Erstellung der Jahresrechnung hat dabei der Verwaltungsrat selber vorzunehmen. Hilft die Revi­sionsstelle dennoch bei der Erstellung der Jahresrechnung mit, was bei der eingeschränkten Revision von Gesetzes wegen erlaubt ist, handelt es sich um ein Auftragsverhältnis, welches über die gesetzliche Prüfungsaufgabe hinausgeht.

Obwohl eine eingeschränkte Revision die Gesellschaft entlastet, birgt sie für den Verwaltungsrat auch ein gewisses Risiko. Mit dem Entscheid, eine eingeschränkte Revision durchzuführen, kann der Verwaltungsrat eine Schadenersatzklage riskieren. Dies aus folgenden Gründen:

Die Revisionsstelle wird bei der Wahl zugunsten der eingeschränkten Revision eine Doppelrolle innehaben. Einerseits hat sie als unabhängige Revisionsstelle die Jahresrechnung zu kontrollieren; auf der anderen Seite wirkt sie bei der Buchführung und bei anderen Dienstleistungen mit, womit sie ihre Unabhängigkeit eben gerade aufgibt. In einer solchen Konstellation wird der Revisor kaum in der Lage sein, ein objektives Urteil bei der Abschlussprüfung zu fällen. Damit besteht die Gefahr, dass sich der Verwaltungsrat nicht auf das Prüfungsurteil verlassen kann, sondern den Abschluss zusätzlich zum Revisor zu prüfen hat, was jedoch infolge des fehlenden fachlichen Wissens oftmals scheitern wird.

In der Praxis empfiehlt es sich für den Verwaltungsrat, nach der Durchführung der Revision um die Erstellung eines Managementletters zu ersuchen oder mit dem Experten das persönliche Gespräch zu führen. So erfährt der Verwaltungsrat häufig von Vorgängen, die nicht im eigentlichen Revisionsbericht stehen werden.

Neben der eingeschränkten Revision besteht für ein KMU eine zusätzlich sehr weitgehende Entlastungsmöglichkeit. Das Gesetz erlaubt nämlich einer Gesellschaft, welche die Voraussetzung der eingeschränkten Revision erfüllt und über nicht mehr als zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt verfügt, mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre auf die Revision vollständig zu verzichten. Alternativ kann der Verwaltungsrat alle Aktionäre schriftlich um Zustimmung zum Verzicht ersuchen und für die Beantwortung eine Frist von mindestens 20 Tagen ansetzen, unter Hinweis darauf, dass das Ausbleiben einer Antwort als Zustimmung gilt (Art.727a Abs.3 OR).

Der Verzicht auf eine Revisionsstelle gemäss Art.727a OR bezieht sich ausschliesslich auf die Prüfung der Jahresrechnung. Ist aber von Gesetzes wegen in anderen Fällen eine Revision vorgeschrieben, kann darauf nicht verzichtet werden (Böckli, § 15 N 546). Dies ist beispielsweise bei einer Gründungs- und Kapitalprüfung (Art.732 Abs.2 OR) oder der Revision einer Zwischenbilanz bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung der Fall (Art.725 Abs. 2 OR).

Der Verzicht kann zu einem beliebigen Zeitpunkt und auch noch rückwirkend bezüglich aller vergangenen Geschäftsjahre, welche am 1. Januar 2008 oder danach begonnen haben, beschlossen werden. Es besteht keine zeitliche Beschränkung oder ein bestimmter Stichtag, ab welchem nicht mehr auf die eingeschränkte Revision eines bestimmten Geschäftsjahres verzichtet werden kann. Dieses Opting-out hat sofortige Wirkung und gilt auch für die nachfolgenden Jahre.

Wird ein Opting-out durchgeführt, verfügt die Gesellschaft nur noch über zwei anstelle von drei gesetzlichen Organen. Der Verzicht auf die Wahl einer Revisionsstelle bedeutet auch einen Verzicht auf eine neutrale Drittperson.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Opting-out mit einer klaren Entlastung in finanzieller Hinsicht für die Gesellschaft einhergeht. Während bei einer eingeschränkten Revision mit Kosten von 4000 CHF bis 20 000 CHF gerechnet werden muss, betragen diese bei einer ordentlichen bald einmal 100 000 CHF. Jedoch fehlt nun ein wichtiges Kontrollorgan, was sich für den Verwaltungsrat, dem die Ausgestaltung des Rechnungswesens und die Erstellung der Jahresrechnung obliegt, negativ auswirken kann (Böckli, a.a.O., N 555). Damit steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass der Verwaltungsrat von Fehlern in der Rechnungslegung zu spät erfährt.

Das Opting-out ist nach dem Gesetz nur in kleinen Unternehmen möglich. Diese verfügen kaum über einen internen Revisor. Konsequenz: Der Verwaltungsrat ist auf sich alleine gestellt. Damit schafft er sich eine Haftungsfalle (Böckli, a.a.O., § 15 N 558).

Um die Haftung zu begrenzen, bleibt einem Verwaltungsrat bei einem Verzicht auf die Wahl einer Revisionsstelle im Einzelfall nur die Demission (Böckli, a.a.O., § 15 N557). Erfolgt keine Demission im Bewusstsein, dass er diese Aufgabe nicht erfüllen kann, riskiert er, für die daraus entstandenen Schäden – mangelhafte Kontrolle der Jahresrechnung – haftbar gemacht zu werden. «

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