«Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: Keine Bildung.» Dieses treffende Zitat des ehemaligen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy († 1963) ist auch heute noch aktueller denn je. Reduziert man diese Aussage auf ihre Kerngehalte, so wird eines klar: Bildung ist notwendig und teuer. Doch wer trägt die Kosten der Aus- und Weiterbildungen?
Im familienrechtlichen Zusammenhang entstehen bezüglich dieser Frage häufig Uneinigkeiten. Welche Ausbildung ist den Verhältnissen angemessen und was darf vom Kind zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts verlangt werden? Akzentuiert werden diese Differenzen durch die Tendenz der immer länger dauernden Erstausbildungen der Kinder und das mittlerweile vielfältige Angebot an studiumsbedingten Auslandaufenthalten.
Der Fachartikel «Voraussetzungen familienrechtlicher Unterstützungspflicht» möchte Aufschluss darüber geben, welche familienrechtlichen Pflichten den Erziehungsberechtigten im Zusammenhang mit der Aus- und Weiterbildung ihrer Kinder obliegen und welche gerade nicht.
Die Unterhaltspflicht
Die familienrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihrem Kind besteht in der Leistung von Pflege, Erziehung und Geldzahlung. Die Pflicht, solchen Unterhalt zu leisten, dauert grundsätzlich bis zur Volljährigkeit, das heisst bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Hat das Kind bis zu diesem Zeitpunkt noch keine angemessene Ausbildung, so haben die Eltern, soweit es ihnen nach den Umständen zugemutet werden darf, für seinen Unterhalt aufzukommen, bis eine entsprechende Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann (Art. 277 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB). Diese Formulierung bedarf zweifellos der Erläuterung.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Kosten von schulischen Aus- und Weiterbildungen vor der Vollendung des 18. Lebensjahres grundsätzlich von den Eltern zu tragen sind. Vorbehalten bleibt eine – zugegeben sehr seltene – früher eingetretene wirtschaftliche Selbstständigkeit des Kindes. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres ist die elterliche Pflicht der Unterhaltsleistung an folgende Voraussetzungen geknüpft:
Fehlen einer angemessenen Ausbildung
Die Pflicht der Eltern, die Aus- und Weiterbildung des Kindes auch nach Eintreten der Volljährigkeit zu bezahlen, ist an die Bedingung geknüpft, dass das Kind zu diesem Zeitpunkt (noch) keine angemessene Ausbildung abgeschlossen hat; gemeint ist dabei die Erstausbildung. Angemessen ist eine Ausbildung, die den Neigungen und Fähigkeiten des Kindes entspricht und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung trägt. Ob eine Ausbildung angemessen ist oder nicht, hängt entsprechend vom konkreten Einzelfall ab. Hat das Kind eine solche Ausbildung abgeschlossen, sind die Eltern grundsätzlich von der Kostentragungspflicht weiterer Ausbildungen befreit.
Weiterbildungen und Zweitausbildungen sind von der zu bezahlenden Erstausbildung abzugrenzen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Maturität nicht als Abschluss einer Berufsausbildung gilt. Speziell zu erwähnen ist zudem die Sachlage der heutzutage üblichen Praktika. Soweit diese Praktikumsanstellungen keine die Studienfortsetzung ermöglichende Ersparnisbildung erlauben, kann daraus keine wirtschaftliche Selbstständigkeit des Kindes abgeleitet werden. Dies vor allem auch dann nicht, wenn das Praktikum für die weitere Fortsetzung des Studiums notwendig ist. Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass auch ein Auslandsemester zu einer angemessenen Erstausbildung gehören kann.
Zumutbarkeit des Unterhalts nach den gesamten Umständen
Auf die finanzielle Situation der Erziehungsberechtigten ist zu jedem Zeitpunkt Rücksicht zu nehmen. Gefragt wird nach der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für die Eltern, sprich die finanzielle Möglichkeit zur Bezahlung der entsprechenden Ausbildung. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist ein Elternteil nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn er ein Einkommen erzielt, das mehr als zwanzig Prozent über dem um die laufende Steuerlast erweiterten Existenzminimum liegt. Zu ermitteln ist somit zunächst das konkrete, um die laufende Steuerlast erweiterte Existenzminimum des betreffenden Elternteils. Dieses wird um zwanzig Prozent erhöht. Die finanzielle Last kann dem Erziehungsberechtigten nicht überbunden werden, wenn er oder sie die finanziellen Mittel zur Bezahlung der Ausbildung im geforderten Rahmen nicht aufbringen kann.
Massgebend ist ebenfalls, ob dem Volljährigen zugemutet werden kann, den eigenen Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb oder anderen Mitteln zu bestreiten. Dies ist des Öfteren nicht beziehungsweise nur teilweise der Fall. Von einem Volljährigen in Ausbildung kann zwar unter Umständen erwartet werden, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten eine Teilzeitstelle neben seiner Ausbildung bekleidet und somit zu seinem Lebensunterhalt beiträgt. Erwartet werden kann jedoch nicht, dass dieser seinen gesamten Lebensunterhalt dadurch zu decken vermag. Die Eigenversorgungskapazität des Kindes ist schliesslich in Beziehung zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern zu setzen. Einfach gesagt: je besser die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern, desto weniger kann vom Kind gefordert werden.