Recht

Arbeitsrecht

Versetzung von Mitarbeitenden an einen anderen Arbeitsort

Für Arbeitgeber stellt sich häufig die Frage, an welchen Arbeitsorten er seine Arbeitnehmer einsetzen darf bzw. ob er den Arbeitsort einseitig verlegen darf, etwa bei Vorliegen von betrieblichen Bedürfnissen wie die Schliessung einer Filiale aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Dieser Artikel soll den Handlungsspielraum von Arbeitgebern aufzeigen.
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Die dauernde Verlegung an einen anderen Arbeitsort fällt unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach Art. 321d OR. Die Verlegung an einen anderen Arbeitsort durch Anordnung des Arbeitgebers ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers ist jedoch nur zulässig, wenn sie dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zu nennen sind primär der Arbeitsweg, die Dauer der Versetzung und auch etwa die familiären Verhältnisse des Arbeitnehmers.

Zumutbarkeit

Im Sinne einer Faustregel wird oft geltend gemacht, dass mehr als zwei Stunden Arbeitsweg nicht zulässig seien. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass gemäss Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG) ein Arbeitsweg von täglich vier Stunden (zwei Stunden je für den Hin- und Rückweg) immer noch als zumutbar erachtet wird (Art. 16 Abs. 2 lit. f AVIG).

Obwohl dies letztlich nicht mit der privatrechtlichen Qualifikation der Zumutbarkeit zusammenhängt, so liefert es doch ein gutes Argument für die Zumutbarkeit von einem zweistündigen Arbeitsweg auch unter privatrechtlichen Gesichtspunkten. Ein Arbeitsweg von 1 bis 1,5 Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln gilt nach der Praxis als zumutbar (im Falle einer schwangeren Arbeitnehmerin erachtete das Appellationsgericht in Genf einen Arbeitsweg von 90 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln als zumutbar). Einen Arbeitsweg von 4 Stunden qualifizierte das Arbeitsgericht Zürich hingegen als unzulässig (unter anderem auch, weil die Betreuung des Kindes der betreffenden Arbeitnehmerin dadurch erschwert wurde). Es sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalls zu beachten, um die Zumutbarkeit eines Arbeitsweges beurteilen zu können.

Regelung im Arbeitsvertrag

Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer können das oben beschriebene Weisungsrecht der Arbeitgeberin in Bezug auf die Verlegung des Arbeitsortes beschränken. Der im Arbeitsvertrag fest vereinbarte Arbeitsort kann dementsprechend nicht durch eine Weisung verlegt werden. Eine Ausnahme gilt bei dringlichen betrieblichen Bedürfnissen (z.B. Schliessung einer Filiale aufgrund eines Brandes), sofern die Verlegung zeitlich limitiert ist und für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Zu beachten ist, dass sich ein vertraglich bestimmter Arbeitsort auch durch eine länger dauernde Praxis herausbilden kann und es somit auch Konstellationen geben kann, in welchen zwar der Arbeitsvertrag keine Regelung betreffend Arbeitsort enthält, das Weisungsrecht jedoch trotzdem beschränkt ist.

Versetzungsklausel

Den Parteien steht es innerhalb der Vertragsfreiheit frei, im Arbeitsvertrag den Arbeitsort festzulegen und auch eine zukünftige Versetzung an einen anderen Arbeitsort zu vereinbaren. Ein solcher Vorbehalt kann aber gemäss Bundesgericht die Persönlichkeit des Arbeitnehmers verletzen und somit unzulässig sein, wenn im Arbeitsvertrag auch ein fester Arbeitsort vereinbart wurde. So entschied es in einem konkreten Fall, dass die Arbeitnehmerin eine derartige Vereinbarung nicht befolgen musste, da diese in ihrer Entscheidfreiheit eingeschränkt war, entweder einen Wohnungswechsel und den Verlust der gewohnten Umgebung in Kauf zu nehmen oder das Arbeitsverhältnis aufzulösen (im entsprechenden Fall war die Arbeitnehmerin alleinstehend und hatte drei Kinder). Ebenso urteilte das Appellationsgericht in Genf, welches festhielt, dass eine im Arbeitsvertrag enthaltene Verpflichtung zur Arbeit in jeder Filiale des Unternehmens in der ganzen Schweiz eine unzulässige Bindung darstelle und der Arbeitgeber nur im Rahmen des Weisungsrechts den Wechsel des Arbeitsortes verlangen könnte, sofern dies für den Arbeitnehmer zumutbar sei.

Um zu beurteilen, ob eine solche Versetzungsklausel im Einzelfall gültig ist, sind auch hier die konkreten Umstände zu berücksichtigen, z. B. ob der Arbeitsortwechsel zwingend einen Wohnsitzwechsel beinhaltet oder ob die Berufsgattung eine solche Mobilität schon fast bedingt. So hat das Arbeitsgericht in Bern bei einem Mitarbeiter der externen Montage entschieden, dass eine – vorübergehende – Versetzung des Arbeitnehmers zulässig sei, da es zum typischen und wesentlichen Vertragsinhalt eines Monteurs gehöre, dass er keinen festen Arbeitsort habe.

Vertragsänderungen

Im gegenseitigen Einvernehmen können Arbeitsverträge jederzeit geändert werden. Stimmen die Arbeitnehmer den neuen Bestimmungen zu, so können diese ab dem vereinbarten Datum in Kraft treten. Bleibt die Zustimmung aus, so ist der Arbeitgeber gezwungen, eine sogenannte Änderungskündigung auszusprechen.

Bei einer Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber den bisherigen Vertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und bietet den Mitarbeitenden gleichzeitig einen neuen Vertrag an. Die Arbeitnehmer müssen sich innert einer bestimmten Frist – in der Regel genügen 14 Tage bis ein Monat – entscheiden, ob sie den neuen Vertrag annehmen wollen oder nicht. Nehmen sie den neuen Vertrag an, so löst dieser den alten nach Ablauf der Kündigungsfrist ab. Lehnen sie den neuen Vertrag ab, so endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der anwendbaren Kündigungsfrist.

Gemäss ständiger Gerichtspraxis sind Änderungskündigungen grundsätzlich zulässig (bzw. nicht missbräuchlich im Sinne des schweizerischen Obligationenrechts), wenn die mit der Änderungskündigung bewirkte Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nicht unbillig ist und wenn für die Änderung der Vertragsbedingungen betriebliche oder marktbedingte Gründe bestehen. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass nicht nur der Gegenstand bzw. der Umfang der Verschlechterung entscheidend ist, sondern insbesondere auch die Art und Weise, wie diese den Arbeitnehmern mitgeteilt werden. Insbesondere dürfen die Mitarbeitenden bei ihrem Entscheid, ob sie den neuen Vertrag annehmen, zeitlich nicht unter Druck gesetzt werden. Zu beachten ist, das wenn gleichzeitig (bzw. gemäss Obligatio­nenrecht innert 30 Tagen) gegenüber mehreren Arbeitnehmern des gleichen Betriebes Änderungskündigungen aus­gesprochen werden, gegebenenfalls das Verfahren für eine Massenentlassung eingehalten werden muss. Ob in einem Fall eine Massenentlassung vorliegt, bestimmt sich aufgrund der von der Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer und der gesamthaft beschäftigten Arbeitnehmern des entsprechenden Betriebes.

Fazit

Aus Sicht von Arbeitgebern empfiehlt es sich, keinen festen Arbeitsort im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, falls die künftige Versetzung des Arbeitsortes nicht ausgeschlossen werden kann. Zu beachten ist aber, dass auch der jahrelange Einsatz am gleichen Ort eine faktische Übereinkunft bezüglich des Arbeitsortes bedeuten kann. Alternativ kann im Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel vereinbart werden. Deren Gültigkeit hängt aber von den konkreten Umständen im Einzelfall ab.

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