Recht

Technologie und Recht (Teil 4 von 5)

Umgang mit Innovationen im globalen Umfeld

Produkte und Dienstleistungen werden heute regelmässig grenzüberschreitend angeboten. Dynamik und Umfang dieser Entwicklung sind zeitweilen schwer überschau- und vorhersehbar, was den Umgang mit Innovationen – vor allem deren Schutz – vermehrt komplex erscheinen lässt. Die altbewährten internationalen Schutzrechtssysteme sind gefordert.
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Globale Entwicklungs- und Vertriebstätigkeit und insbesondere das Internet und der aktuell stark wachsende Online-Handel haben bewirkt, dass Waren selbst von Privatpersonen quasi grenzenlos quer über den Globus bestellt und versendet werden. In diesem steten globalen Wandel sind nicht nur die altbewährten internationalen Schutzrechtssysteme wie Patent-, Marken- und Urheberrecht gefordert, es ändern sich auch die Nutzer dieser Systeme, was im Artikel am Beispiel von China aufgezeigt wird.

Baukasten für Innovationsschutz

Mit Blick auf den Schutz einer Innovation ist zunächst zu prüfen, in welchem Segment diese liegt. So handelt es sich bei technischen Innovationen um Erfindungen, die dem Patentschutz zugänglich sind. Ästhetische Innovationen können als Designs registriert werden oder unterliegen gegebenenfalls dem Urheberrecht. Patent- und Designschutz sind parallel nutzbar, wenn ein Produkt sowohl technische als auch ästhetische Merkmale aufweist. 

Alternativ oder zusätzlich kann eine Marke zum Schutz angemeldet werden. Diese dient als Herkunftsangabe dazu, Produkte oder Dienstleistungen einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen. Patente, Designs und Marken bilden also, ergänzt durch das Urheberrecht, eine Art Baukastensystem für den Schutz von Innovationen, indem sie es ihrem Inhaber ermöglichen, unrechtmässige Nachmachungen oder Nachahmungen zu verbieten.

Die Erteilung beziehungsweise Registrierung jeweiliger Schutzrechte ist in der Regel nach einer gesetzlich vorgegebenen Karenzfrist für jedermann öffentlich einsehbar und wird auf internationaler Ebene relativ einheitlich gehandhabt, obgleich es meistens nationale oder regionale Institute für geistiges Eigentum sind, die jeweilige Register führen, wie beispielsweise in der Schweiz das Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum in Bern (IGE). 

Zusätzlich können Innovationen durch Bestimmungen zum Verbot unlauteren Wettbewerbs oder, wie erwähnt, durch Urheberrecht geschützt sein. Wettbewerbsrechtlicher und urheberrechtlicher Schutz bestehen in der Regel ohne amtliche Hinterlegung, das heisst, es sind dies konzeptionell keine «Registerrechte». Einzelne Länder, wie zum Beispiel die USA oder China, kennen allerdings «Copyright-Register», die bei der Rechtsdurchsetzung – zum Bespiel auch von Software-Urheberrecht – eine relevante Bedeutung besitzen.

Pariser Verbandsübereinkunft

Umfassende Rahmenbedingungen für Patente, Designs, Marken sind seit vielen Jahrzehnten in multilateralen Staatsverträgen geregelt. Eines der ersten inter­nationalen Abkommen zum geistigen Eigentum ist die im Jahre 1883 geschaffene und zwischenzeitlich mehrfach revidierte Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ), der mittlerweile 177 Staaten beigetreten sind. Die Schweiz war eines der 14 Gründungsmitglieder der PVÜ. Die PVÜ legt Grundspielregeln für den Umgang mit Patenten, Designs sowie Marken und anderen Kennzeichen fest. Darüber hinaus findet das Abkommen auf sogenannte Gebrauchsmuster (gelegentlich auch als «kleines Patent» bezeichnet), Dienstleistungsmarken, Handelsnamen und geografische Herkunftsangaben Anwendung und sieht Minimalvorschriften zum unlauteren Wettbewerb vor. 

Die PVÜ verfolgt vier Hauptanliegen, nämlich (a) eine weltweite Verbreitung des gewerblichen Rechtsschutzes im Interesse der Staatsangehörigen der Mitgliedsländer, (b) eine Angleichung des Schutzes in den nationalen Gesetzen, (c) Verbesserungen des in manchen nationalen Gesetzen teilweise noch unvollständigen Schutzes und (d) eine Rationalisierung der Schutzverfahren. Ein zentraler Grundsatz der PVÜ ist die sog. Inländerbehandlung, d. h. es müssen Angehörige jedes Mitgliedsstaats in allen anderen Mitgliedsstaaten gleichwertig behandelt werden (Diskriminierungsverbot). 

Ein weiterer in der PVÜ festgelegter Kernpunkt ist das sogenannte «Prioritätsrecht» für Schutzrechtsanmeldungen. Dieses bestimmt, dass im Falle von Patenten und Gebrauchsmustern innerhalb einer Frist von zwölf Monaten und bei Designs beziehungsweise Marken innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Anmeldung in einem Mitgliedsstaat in jedem anderen Mitgliedsstaat eine entsprechende Nachanmeldung eingereicht werden kann, die diesfalls den gleichen «Zeitrang» besitzt wie die erste eingereichte Anmeldung. 

Dieses Recht ist wichtig, weil Patente, Gebrauchsmuster und Designs einem Neuheitserfordernis genügen müssen, wodurch ihnen zugrunde liegende Innovationen vor der Einreichung einer Anmeldung nicht veröffentlicht worden sein dürfen. Auch für Marken ist das Prioritätsrecht wichtig, weil durch den Nachweis einer älteren Marke die Registrierung einer neueren gleichen Marke verhindert werden kann.

Internationale Vernetzung

Für Patente bestehen weltweit verschiedene Abkommen, wobei für die Schweiz insbesondere das Europäische Patentübereinkommen («EPÜ»; 38 Mitgliedsstaaten) und der Patent Cooperation Trea­ty («PCT»; 152 Mitgliedsstaaten) von erheblicher Bedeutung sind. Beide Abkommen erlauben ein effizientes und zentralisiertes Anmeldeverfahren für Erfindungen, wobei aber auch hier im Ergebnis territorial beschränkte Patente beziehungsweise Schutztitel entstehen. 

Das PCT-Verfahren ist für Anmelder interessant, die erst zu einem relativ späten Zeitpunkt, nämlich frühestens 30 Monate nach dem Anmelde- oder Prioritätsdatum, den Entscheid über das definitive Schutzterritorium fällen möchten, womit damit verbundene Aufwände und Kosten für Übersetzungen und Prüfverfahren relativ weit hinausgezögert werden können. Beispielsweise kann diese Zeit dazu genutzt werden, um abzuklären, in welchen Ländern ein zu schützendes Produkt hergestellt oder vertrieben wird oder wo Wettbewerber nach erfolgreicher Markteinführung in Konkurrenz stehen.

Marken und Designs 

Auch für Marken und Designs bestehen multilaterale Staatsverträge. Für die Schweiz bedeutsam sind das sogenannte Madrider System für Markenanmeldungen (105 Mitgliedsstaaten) und das Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle («HMA», 70 Mitgliedsstaaten). Beide Systeme erlauben die effiziente und grenzüberschreitende Anmeldung und Registrierung der entsprechenden Schutzrechte.

Ähnlich wie beim PCT bilden auch die Mitgliedsstaaten des HMA einen Sonderverband gemäss der PVÜ. Es erfolgt eine zentrale Registrierung vermittels des Internationalen Büros der Weltorganisation für geistiges Eigentum (OMPI/WIPO) in Genf. Im Nachgang zur Registrierung können die benannten Vertragsstaaten das Design oder die Marke ergänzend überprüfen und ablehnen, wenn diese den jeweiligen nationalen rechtlichen Anforderungen nicht genügen. Wenn keine Einwände erhoben werden, hat die internationale Registrierung die gleiche Wirkung wie eine direkte Registrierung des Schutzrechts im jeweiligen Staat oder bei der jeweiligen Organisation. Internationalen Markenanmeldungen über das Madrider System muss stets eine sogenannte nationale Basisanmeldung zugrunde liegen.

Erst wenn eine solche nationale Anmeldung vorliegt, kann ein entsprechender Anmeldeantrag gestellt werden. Schweizer Markenanmeldern bietet sich an, zunächst beim IGE eine Marke anzumelden, die dann als Basismarke für eine innerhalb der sechsmonatigen Prioritätsfrist einzureichende internationale Markenanmeldung dient.

Strategien abstimmen

Für jedes Unternehmen gilt es heute, Innovations- und Schutzstrategien («IP-Strategien») auf betriebliche Markt- und Vertriebsstrategien abzustimmen. Unternehmer, Geschäftsführungen sowie Marketing- und Entwicklungsabteilungen müssen sich daher fragen, ob und wo Innovationen geschützt werden sollen und können. Im kompetitiven Wirtschaftsumfeld ist es dabei zentral, Innovationen effizient und kostenoptimiert mit Schutzrechten abzusichern. Vermehrt kommt hinzu, dass gerade KMU einen «defensiven Schutz» anstreben. Es gilt nämlich auch, bei der Vermarktung und dem Vertrieb von Produkten und industriellen Lösungen keine Schutzrechte Dritter zu verletzen und die dabei gegebenenfalls erheblichen Abwehrkosten vermeiden zu können. 

Hierbei kommt erschwerend hinzu, dass bei grenzüberschreitender Tätigkeit trotz Rechtsharmonisierung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes unterschiedliche nationale Gesetze zu beachten sind. Allein schon Internetwerbung und grenzüberschreitender Vertrieb exponieren Unternehmen auch in ausländischen Rechtssystemen. Bei der Entwicklung einer optimierten IP-Strategie zeigt sich regelmässig die Schwierigkeit, dass Entwicklung, Marketing und Vertrieb einer hohen Dynamik und schnellen Produktezyklen unterworfen sind, wohingegen der Anmeldung und Durchsetzung von Patent-, Design- und teilweise auch Markenrechten langsame Prozesse, also eine gewisse Trägheit, zugrunde liegen – dies trotz der Möglichkeiten der erwähnten internationalen Abkommen. 

Dieses Dilemma ist noch grösser, wenn die Unternehmenstätigkeit verschiedene Länder und Rechtsordnungen betrifft. In der Praxis überlagern sich entsprechende Entwicklungstätigkeit mit Anforderungen an Regulatorien sowie länderspezifischen Normen und Compliance-Aspekten. Wie geht man also diese komplexe Anforderung im Unternehmensalltag an?

IP-Strategien

Ein guter Ansatz besteht darin, klassische Produkteentwicklungs- und Marketingfragen parallel mit Zielparametern bezüglich des gewerblichen Eigentums («IP» beziehungsweise Intellectual Property) anzugehen und dabei eine konsolidierte Checkliste zu definieren. Man kann hier von einer «IP-orientierten Entwicklungs- und Marketingstrategie» sprechen. 

Was bedeutet dies für die Praxis? Bereits bei der Planung/Entwicklung einer neuen Technologie sind Entwicklungskosten und -dauer, Time-to-Market und Marketingvorgaben etc. zu betrachten und dabei gleichzeitig zu hinterfragen, ob die Innovation – dies kann auch ein Herstellverfahren, eine Software, eine neuartige Materialtechnologie usw. sein – mit oder ohne flankierenden IP-Schutz eingeführt und langfristig erfolgreich vertrieben werden kann. 

Bei sehr kurzlebigen Produkten stellen sich dabei ganz andere Fragen als bei Produkten, deren Produktelebenszeit viele Jahre betragen kann. Hinzu kommen die territorialen Ziele. Wenn bezüglich eines neuen Produkts für Asien/Europa die antizipierte Zeitdauer bis zu einer Reifephase im Markt auf einige Jahre geschätzt wird, so ist die Anmeldung von Patenten ein Muss. 

Bei einem innovativen Konsumgut, für das ein intensives Marketing betrieben wird und das sich gemäss gewählter Marketingstrategie bereits nach kurzer Dauer auf eine prägende Marke abstützen soll, kann ein begleitender Patentschutz oft auf die Markteinführungsphase und die Markteinführungsländer abgestimmt und beschränkt werden. 

Es gibt hier zahlreiche mögliche Her­angehensweisen, die auf die konkrete Erfindung oder Verbesserungslösung ab­gestützt und in jedem Fall klar auf die unternehmerischen Entwicklungs- und Marketingziele fokussiert sein müssen. Weiterhin kann durch Schaffung von Prioritätsanmeldungen oder Defensivpublikationen im Rahmen einer defensiven Anmeldestrategie das Risiko der Verletzung von Drittschutzrechten im In- und Ausland erheblich gemildert werden. 

Die rechtzeitige und optimierte Planung bezüglich gewerblicher Schutzrechte kann hier relevant Kosten sparen und durch eine gezielt gewählte Strategie können die erforderlichen Investitionen in entsprechende Anmeldungen auch nachhaltig und kosteneffizient optimiert werden.

China – ein neuer «Player»

Die vorstehend angesprochene Planungskomplexität mit Blick auf Patent- und andere Schutzrechte ist noch ausgeprägter, wenn KMU Produkte herstellen, die Komponenten oder Halbfertigteile aus China enthalten oder die direkt über China oder andere asiatische Staaten vertrieben werden beziehungsweise die dorthin ex­portiert werden. 

Wenn aus europäischer Sicht die IP-Landschaft in Industrieländern schon herausfordernd ist, so bewirkt das heutige Markt­umfeld unter Einbezug von Asien und insbesondere China zusätzliche Anforderungen bezüglich innovativer Produkte und Technologien. 

Betrachtet man die weltweiten PCT-Anmeldezahlen im Patentbereich, so zeigt sich, dass gegenwärtig über 60 Prozent hiervon auf die USA, China und Japan entfallen. Beleuchtet man die in den letzten 30 Jahren entstandenen PCT-Anmeldungen genauer (vgl. Abbildung 1), so erkennt man, dass China seit dem Jahr 2001, als China der WTO beitrat, im Vergleich zu anderen Weltregionen eine weit überdurchschnittliche Zunahme von internationalen Patentanmeldungen hervorbrachte und in absoluten jährlichen Anmeldezahlen heute Japan überholt hat.

Wenngleich reine Anmeldezahlen selbstverständlich nur ein Indikator mit Blick auf die Beurteilung einer regional erfolgreichen Innovationstätigkeit sind, so zeigt sich deutlich, dass in naher Zukunft die Innovationstätigkeit in Asien, und dort nun namentlich auch China neben Japan und Südkorea, einen relevanten Einfluss auf globale unternehmerische Entwicklungs- und IP-Strategien haben wird, und dies nicht nur in Asien selber, sondern eben über internationale Anmeldetätigkeit auch in der Schweiz und Europa. 

Rasanter Anstieg in Asien

Eine zukunftsorientierte Innovations­tätigkeit schweizerischer Unternehmen setzt daher voraus, dass dieser beschleunigten globalen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, die neu ausser von den USA, Japan, Südkorea und Deutschland/Europa auch von China geprägt ist, Beachtung geschenkt wird. Dabei sind selbstredend nicht nur der Schutz geistigen Eigentums, sondern auch andere Wettbewerbsfaktoren wie Standortvorteile, aber nicht zuletzt auch Preis- und Währungspolitik von Bedeutung. 

Schweizer Unternehmen werden in diesem Umfeld gefordert sein, und gerade wegen der «Trägheit» des Aufbaus auch eines eigenen Patent- und Markenportfolios sollte eine rechtzeitige Planung des Schutzes, der Sicherung, aber auch der Risikominimierung eigener Innovationen in diesem Umfeld erfolgen.

Betrachtet man die nationalen Anmeldezahlen, so zeigt die Statistik, dass in China im Jahr 2017 fast 1,4 Millionen Patentanmeldungen eingereicht wurden, was nun mehr als doppelt so viel ist wie die Anzahl nationaler Anmeldungen in den USA und Europa zusammen (gut 600 000 Anmeldungen) – allein dies erfordert es, in Kerntechnologiebereichen den Überblick zu behalten. 

Weiterhin wird es im Rahmen künftiger Innovationstätigkeit bedeutsam sein, zu erkennen, dass im letzten Jahr erstmals seit Einführung des PCT-Anmeldesystems für Patente im Jahre 1978 mehr als 50 Prozent aller weltweit eingereichten PCT-Anmeldungen aus einer einzigen Grossregion dieser Welt kamen, nämlich zu 50,5 Prozent aus Asien (vgl. Jahresbericht WIPO für 2019, Seite 10). Globalisierter Handel und grenzüberschreitende Entwicklung bedingen daher zwingend auch globale IP-Strategien.

Porträt