Recht

Aufgaben Pflichten und Verantwortung von Verwaltungsräten (Teil 1 von 5)

Sorgfalt, Treue und Gleichbehandlung

Ein wichtiger Aspekt bei der Ausübung des Verwaltungsratsmandates ist die Beachtung der Sorgfalts- und Treuepflichten. Diese spielen vor allem im Hinblick auf eine allfällige Haftung des Verwaltungsrates eine zentrale Rolle. Danach haftet ein Verwaltungsrat nur dann, wenn eine Sorgfalts- oder Treuepflichtverletzung bejaht werden kann.
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Die Sorgfalts-, Treue- und Gleichbehandlungspflicht des Verwaltungsrates werden in Art. 717 OR festgelegt:

«1 Die Mitglieder des Verwaltungsrates sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, müssen ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren.

2 Sie haben die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln.»

Der Verwaltungsrat hat die ihm zugewiesenen Aufgaben mit aller Sorgfalt zu erfüllen. Wer ein Verwaltungsratsmandat annimmt, hat zudem über die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zu verfügen. Jeder Verwaltungsrat soll die ihm zugewiesenen Aufgaben mit der entsprechenden Aufmerksamkeit erfüllen. Insbesondere ist die dafür nötige Zeit aufzuwenden. Mit welcher Sorgfalt der Verwaltungsrat die Aufgaben zu erledigen hat, wird anhand eines objektiven Massstabes festgelegt. Das Verhalten eines Verwaltungsrates wird mit demjenigen verglichen, das billigerweise von einer abstrakt vorgestellten, ordnungsgemäss handelnden Person in einer vergleichbaren Situation erwartet werden kann. Abweichungen nach unten führen zu einer Sorgfaltspflichtverletzung (Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Auflage, Zürich 2009, § 13 N 575).

Nachfolgend werden zwei wichtige Sorgfaltspflichten beispielhaft aufgeführt:

› Wer ein VR-Mandat im Wissen darüber übernimmt, dass er seine Funktion nicht gewissenhaft erfüllen kann, begeht eine Sorgfaltspflichtverletzung (BGE 122 III 200). In einem solchen Fall liegt eine sogenannte Übernahmeschuld vor. Das Verwaltungsratsmitglied handelt sorgfaltswidrig, da es nicht imstande ist, seine Aufgaben korrekt zu erfüllen mit der Folge, dass die Gläubiger der Gesellschaft geschädigt werden.

› Der Verwaltungsrat hat sich von Spezialisten beraten zu lassen, wenn er sich in grössere Geschäfte einlässt und die entsprechende Fachkompetenz im Verwaltungsrat nicht vorhanden ist. So müsste er beispielsweise für einen Unternehmenskauf Juristen und Buch-sachverständige hinzuziehen (BGE 114 V 219). Auch in einem solchen Fall liegt die Verantwortung immer beim Verwaltungsrat.

Die Mitglieder des Verwaltungsrates haben die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen zu wahren. Der Verwaltungsrat hat damit alles zu vermeiden, was der Gesellschaft schaden könnte. Im Zentrum der Treuepflicht steht immer das Wohl der Gesellschaft. Daneben sind aber auch die Interessen der Mitarbeiter nicht zu vergessen.

Das Verbot von Insichgeschäften (Selbstkontrahieren, Doppelvertretung), das Konkurrenzverbot sowie die Geheimhaltungs- und Schweigepflicht sind Ausfluss der Treuepflicht.

Geschäfte mit sich selber

Aufgrund der Treuepflicht ist es dem Verwaltungsrat grundsätzlich verboten, mit sich selber Geschäfte abzuschliessen (Selbstkontrahieren). Dies ist dann der Fall, wenn auf beiden Vertragsseiten die gleiche Person, jedoch in unterschiedlichen Positionen, einmal als Verwaltungsrat und als Gegenpartei (hauptsächlich als Privatperson), steht. Selbstkontrahieren ist in der Schweiz grundsätzlich unzulässig. Dies gilt nicht, wenn aus objektiver Sicht feststeht, dass die Gesellschaft durch ein solches Selbstkontrahieren nicht benachteiligt wird. (Böckli, a.a.O., § 13 N 602).

Die Doppelvertretung definiert sich dadurch, dass «ein Verwaltungsrat in Ausübung seiner Einzelzeichnungsberechtigung im Namen und für Rechnung der Gesellschaft mit einer anderen Gesellschaft, für die er gleichzeitig vertretungsberechtigt ist, oder mit einer ihm beherrschten juristischen Person als Marktgegenseite einen Vertrag abschliesst» (Böckli, a.a.O., § 13 N 602a).

Wird ein Insichgeschäft bejaht, müssen die nicht betroffenen Verwaltungsräte oder subsidiär die Generalversammlung das Rechtsgeschäft genehmigen. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn eine Benachteiligung der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Dies geschieht mittels einer «inhaltlichen Rechtfertigung» (Böckli, a. a. O., § 13 N 603). Sodann muss ein solcher Vertrag nach Art. 718b OR stets schriftlich abgefasst werden. Das Erfordernis der Schriftlichkeit gilt nicht für Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die Leistung der Gesellschaft den Wert von 1000 Franken nicht übersteigt (Art. 718b OR). Zu beachten ist, dass das Aufgeführte bei einer Einpersonengesellschaft keine Anwendung findet. Hier sind solche Geschäfte ohne Weiteres erlaubt (Böckli, § 13 N 607 f.).

Unter die Treuepflicht fällt auch das sogenannte Konkurrenzverbot. Inhaltlich untersagt das Konkurrenzverbot die konkurrierende Tätigkeit eines Verwaltungsrates zur Gesellschaft, in deren Verwaltungsrat er sitzt. Es ist ihm untersagt, Verwaltungsrat zweier sich «direkt und substanziell konkurrierender Gesellschaften» zu sein (Böckli, a.a.O., § 13 N 611).

Jedoch muss stets im Einzelfall unter Betrachtung der gesamten Umstände abgewogen werden, ob das Konkurrenzverbot verletzt worden ist oder nicht. So gilt beispielsweise für einen vollamtlichen Verwaltungsrat ein anderer Massstab betreffend Konkurrenzverbot als für ein nicht exekutives Verwaltungsratsmitglied.

Potenziell konkurrierende Mandate sind abzulehnen oder ausdrücklich vom Verwaltungsrat bewilligen zu lassen. Es empfiehlt sich, das Konkurrenzverbot vertraglich oder in einem Organisationsreglement klar festzulegen, damit keine Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen können (Böckli, a.a.O., § 13 N 613).

Unter die Geheimhaltungs- und Schweigepflicht fällt sämtliches Wissen, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Dazu gehören strategische Ziele, Informationen betreffend die Liquidität des Unternehmens, Vertragsverhandlungen usw. (Georg Krneta, Praxiskommentar Verwaltungsrat, Bern 2005, N 1901).

Es ist zu bemerken, dass sich die Geheimhaltungs- und Schweigepflicht auch auf die Zeit nach Beendigung des Mandates erstreckt (Krneta, a.a.O., N 1903). Ein Verstoss gegen die Geheimhaltungs- und Schweigepflicht zieht neben einer Schadenersatzpflicht strafrechtliche Folgen gemäss Art. 162 StGB nach sich, welcher folgendermassen lautet:

› «Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, verrät, wer den Verrat für sich oder einen andern ausnützt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Als Präventivwirkung empfiehlt Georg Krneta die Verankerung der Geheimhaltungs- und Schweigepflicht im Organisationsreglement, sanktioniert mit einer Konventionalstrafe im Widerhandlungsfall (Krneta, a.a.O., N 1900). Verletzt ein Verwaltungsrat seine Pflichten schuldhaft, kann er für den verursachten Schaden persönlich haften.

Innerhalb des Verwaltungsrates ist der richtige Umgang mit Interessenkonflikten wichtig. Sind bei einem Verwaltungsrat beispielsweise anlässlich einer Beschlussfassung Interessen vorhanden, die der Gesellschaft entgegenstehen könnten oder hat er Interessen von Drittpersonen – beispielsweise als Anwalt – zu vertreten, muss er bei der Willensbildung in den Ausstand treten. Auch bei der Bestimmung der Entschädigung des Verwaltungsrates (Boni, Spesen usw.) ist darauf zu achten, dass keine Anreize gesetzt werden, welche zu einem Interessenkonflikt führen.

Eine Person, die in einem dauernden Interessenkonflikt steht, kann dem Verwaltungsrat nicht angehören. Weiter ist bei Geschäften zwischen der Gesellschaft und einem Verwaltungsratsmitglied oder ihr nahe stehender Personen dem Grundsatz des Abschlusses zu Drittbedingungen Rechnung zu tragen. Dies hat zur Folge, dass solche Geschäfte unter Ausstand des betroffenen Verwaltungsratsmitglieds genehmigt werden.

Zu den Pflichten des Verwaltungsrates gehört schliesslich auch, dass er die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln hat (Art. 717 Abs. 2 OR). Dieses sogenannte Gleichbehandlungsgebot besagt, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt werden soll (BGE 124 I 289). Dabei bezieht sich dieses Gebot nicht auf die einzelnen Aktionäre, sondern auf die Aktien.

Eine absolute Gleichbehandlung wird damit nicht angestrebt. Das Gesetz verlangt die Beachtung der Gleichbehandlung unter gleichen Voraussetzungen. Von Bedeutung ist dieses Gebot beispielsweise, wenn es um Auskunfts- und Einsichtsbegehren der Aktionäre geht oder bei der Einladung zur Generalversammlung. Bei Letzterem würde ein Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot vorliegen, wenn der Verwaltungsrat einzelnen Inhaberaktionären die Einladung per Post zustellen würde und andere mittels Publikation im SHAB zur Generalversammlung einladen würde.

Ebenfalls nicht erlaubt ist das Zukommenlassen von Informationen an die Mehrheits-/Hauptaktionäre unter Ausschluss der übrigen Aktionäre (Böckli, a.a.O., § 13 N 691). «

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