Die heutige Industrie erlebt einen heftigen Wandel, der generell als Digitalisierung bezeichnet wird. Dabei werden bekannte Prozesse, Dienstleistungen und Produkte dahingehend verändert, dass sich diese der schnelllebigen Zeit anpassen. Nicht zuletzt, um mitzuhalten, sind viele Firmen gefordert, mit Ideen und Innovationen aufzuwarten. Ideen und Innovationen gilt es zu schützen, will man doch nicht einfach kampflos das Feld der Konkurrenz überlassen.
Die aktuell hoch gehandelten Schlagworte Digitalisierung, Cloud, Big Data, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz und Blockchain haben eines gemeinsam, nämlich die Umsetzung durch Computersysteme mit geeigneter Software über gegebenenfalls entsprechende Netzwerke. Dabei helfen Algorithmen und mathematische Modelle bei der Umsetzung und Implementierung.
Die Patentierbarkeit
Die Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen ist dann gegeben, wenn Anspruchsmerkmale einen technischen Charakter aufweisen, zumindest ein neues Merkmal aufgezeigt wird, und wenn ein oder mehrere Merkmale eine geschickte oder erfinderische Komponente aufweisen. Erfindungen, die zu Patenten führen, müssen lediglich diesen Kriterien genügen, nicht jedoch bahnbrechend oder revolutionär sein. Technologien kommen und gehen, werden weiterentwickelt oder verschwinden wieder. Wer erinnert sich nicht noch an Disketten, auch Floppy Disks genannt, die als magnetischer Datenträger im Heimgebrauch in der 3,5-Zoll-Ausführung nie genügend Speicherplatz hatten. Mit bestimmten Software-Werkzeugen konnte man die Kapazität sogar nahezu verdoppeln. Heute sind diese Disketten weitestgehend vom Markt verschwunden und durch andere Technologien und Speichermedien ersetzt.
Der enorme Zuwachs an Rechen- und Speicherkapazität hat letztendlich zum Durchbruch der Computertechnologie und zur Durchdringung in allen Lebensbereichen verholfen. Thomas Watson, der ehemalige IBM-Chef, sagte in den 1940er-Jahren einmal: «Ich denke, dass es weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer gibt».
Später verhalf ausgerechnet IBM dem PC, wie wir ihn heute kennen, zum Durchbruch. Auch Chefs können falsch liegen, umso mehr sind diese auf den Ideenreichtum und die Erfindungen ihrer Mitarbeiter angewiesen.
In Europa unterstreicht das Europäische Patentamt (EPA) seinen konsequenten Ansatz für computerimplementierte Erfindungen, weicht jedoch damit von der üblichen Prüfungspraxis von Erfindungen ab. Als computerimplementierte Erfindungen werden solche angesehen, bei denen ein oder mehrere Merkmale mit Hilfe eines Computers, eines Computerprogramms oder Computernetzwerkes realisiert werden.
Keine rechtliche Definition
Computerprogramme sind beim EPA im Allgemeinen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, der Ausschluss gilt jedoch nicht für Computerprogramme oder Systeme, die technischen Charakter haben und eine weitere technische Wirkung aufweisen. Eine rechtliche Definition des Begriffs «technisch» fehlt noch und lässt somit Interpretationsspielraum.
Ende letzten Jahres sind Leitlinien zur Patentierbarkeit künstlicher Intelligenz (KI) und maschineller Lerntechnologien in Kraft getreten.
Computermodelle und -algorithmen werden im Allgemeinen als mathematisch betrachtet. Ein mathematisches Verfahren kann jedoch zum technischen Charakter einer Erfindung beitragen, das heisst, einen technischen Effekt erzeugen, der einem technischen Zweck dient, indem es i) auf ein technologisches Gebiet angewendet wird und/oder ii) an eine spezifische technische Implementierung angepasst wird.
Zwei Patentvergabe-Hürden
Ob ein Patent sowohl für computerimplementierte Erfindungen, als auch für KI-Erfindungen erhalten werden kann oder nicht, wird im Allgemeinen durch einen Zwei-Hürden-Ansatz bestimmt, bei dem die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unter die zweite Hürde fällt. Um die erste Hürde zu überwinden gemäss Europäischem Patentübereinkommen (EPÜ) muss der beanspruchte Gegenstand einen technischen Charakter haben, die Ansprüche können jedoch eine Mischung aus technischen und nichttechnischen Merkmalen enthalten.