Recht

Technologie und Recht (Teil 1 von 5)

Software-Innovationen und deren Schutzfähigkeit

Früher Software, dann computerimplementierte Erfindungen und nun heissen die Schlagworte Digitalisierung, Cloud, Big Data, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz und Blockchain. Wie geht das alles zusammen und wie, wenn überhaupt, können Ideen und Tools in diesen Bereichen geschützt werden?
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Die heutige Industrie erlebt einen heftigen Wandel, der generell als Digitalisierung bezeichnet wird. Dabei werden bekannte Prozesse, Dienstleistungen und Produkte dahingehend verändert, dass sich diese der schnelllebigen Zeit anpassen. Nicht zuletzt, um mitzuhalten, sind viele Firmen gefordert, mit Ideen und Innovationen aufzuwarten. Ideen und Innovationen gilt es zu schützen, will man doch nicht einfach kampflos das Feld der Konkurrenz überlassen.

Die aktuell hoch gehandelten Schlagworte Digitalisierung, Cloud, Big Data, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz und Blockchain haben eines gemeinsam, nämlich die Umsetzung durch Computersysteme mit geeigneter Software über gegebenenfalls entsprechende Netzwerke. Dabei helfen Algorithmen und mathematische Modelle bei der Umsetzung und Implementierung.


Die Patentierbarkeit


Die Patentierbarkeit von computerim­plementierten Erfindungen ist dann gegeben, wenn Anspruchsmerkmale einen technischen Charakter aufweisen, zumindest ein neues Merkmal aufgezeigt wird, und wenn ein oder mehrere Merkmale eine geschickte oder erfinderische Komponente aufweisen. Erfindungen, die zu Patenten führen, müssen lediglich diesen Kriterien genügen, nicht jedoch bahnbrechend oder revolutionär sein. Technologien kommen und gehen, werden weiterentwickelt oder verschwinden wieder. Wer erinnert sich nicht noch an Disketten, auch Floppy Disks genannt, die als magnetischer Datenträger im Heim­gebrauch in der 3,5-Zoll-Ausführung nie genügend Speicherplatz hatten. Mit bestimmten Software-Werkzeugen konnte man die Kapazität sogar nahezu verdoppeln. Heute sind diese Disketten weitestgehend vom Markt verschwunden und durch andere Technologien und Speicher­medien ersetzt.

Der enorme Zuwachs an Rechen- und Speicherkapazität hat letztendlich zum Durchbruch der Computertechnologie und zur Durchdringung in allen Lebensbereichen verholfen. Thomas Watson, der ehemalige IBM-Chef, sagte in den 1940er-Jahren einmal: «Ich denke, dass es weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer gibt».


Später verhalf ausgerechnet IBM dem PC, wie wir ihn heute kennen, zum Durchbruch. Auch Chefs können falsch liegen, umso mehr sind diese auf den Ideenreichtum und die Erfindungen ihrer Mitarbeiter angewiesen.
 
In Europa unterstreicht das Europäische Patentamt (EPA) seinen konsequenten Ansatz für computerimplementierte Erfindungen, weicht jedoch damit von der üblichen Prüfungspraxis von Erfindungen ab. Als computerimplementierte Erfindungen werden solche angesehen, bei denen ein oder mehrere Merkmale mit Hilfe eines Computers, eines Computerprogramms oder Computernetzwerkes realisiert werden.


Keine rechtliche Definition


Computerpro­gram­me sind beim EPA im Allgemeinen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, der Ausschluss gilt jedoch nicht für Computerprogramme oder Systeme, die technischen Charakter haben und eine weitere technische Wirkung aufweisen. Eine rechtliche Definition des Begriffs «technisch» fehlt noch und lässt somit Interpretationsspielraum.

Ende letzten Jahres sind Leitlinien zur Patentierbarkeit künstlicher Intelligenz (KI) und maschineller Lerntechnologien in Kraft getreten.

Computermodelle und -algorithmen werden im Allgemeinen als mathematisch betrachtet. Ein mathematisches Verfahren kann jedoch zum technischen Charakter einer Erfindung beitragen, das heisst, einen technischen Effekt erzeugen, der einem technischen Zweck dient, indem es i) auf ein technologisches Gebiet angewendet wird und/oder ii) an eine spezifische technische Implementierung angepasst wird.


Zwei Patentvergabe-Hürden


Ob ein Patent sowohl für computerim­plementierte Erfindungen, als auch für KI-Erfindungen erhalten werden kann oder nicht, wird im Allgemeinen durch einen Zwei-Hürden-Ansatz bestimmt, bei dem die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unter die zweite Hürde fällt. Um die erste Hürde zu überwinden gemäss Europäischem Patentübereinkommen (EPÜ) muss der beanspruchte Gegenstand einen tech­nischen Charakter haben, die Ansprüche können jedoch eine Mischung aus technischen und nichttechnischen Merk­malen enthalten.

Um die zweite Hürde zu überwinden, werden in einem weiteren Schritt die Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und die erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) geprüft. Alle Merkmale, die zum technischen Charakter beitragen, werden bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt. Es wird geprüft, ob die Schritte, wie zum Beispiel mathematische Verfahren, zum technischen Charakter der Erfindung beitragen. Es gibt zwei Dimen­sionen, die zum technischen Charakter beisteuern.

Der technische Charakter kann bestätigt werden, wenn die Erfindung an eine bestimmte technische Implementierung oder Anwendung angepasst ist, aber auch, wenn sie sich auf ein technologisches Gebiet bezieht. Eine technische Anwendung liegt vor, wenn eine Methode einem technischen Zweck dient, ein technisches Problem auf einem technischen Gebiet löst, spezifisch ist, oder die Ansprüche funktional auf einen technischen Zweck beschränkt sind.

Der Problem- und Lösungsansatz für Ansprüche, die technische und nicht­tech­nische Merkmale umfassen, wird regelmässig angewendet, um die erfin­derische Tätigkeit für Erfindungen von com­puterimplementierten Erfindungen und künstliche Intelligenz zu bestimmen. In der Praxis wird die Bedingung der erfinderischen Tätigkeit häufig verwendet, um nichttechnische Erfindungen zurückzuweisen.

Patentanmeldungen gestiegen


Die Zahl der Patentanmeldungen in den Bereichen Cloud, Big Data, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz und Blockchain ist in den letzten Jahren stark an­gestiegen, dies vor allem in den USA, China und Japan. Die Patentanmeldungen lagen im Jahr 2017 in China bei 1,38 Millionen, den USA bei 606 956, Japan bei 318 479, und in Europa beim Europäischen Patentamt bei 166 585. Immerhin sind die Patentanmeldungen in 2018 in Europa beim Europäischen Patentamt um 4,6 Prozent auf insgesamt 174 317 gewachsen.

Der Bereich Computertechnologie stieg dabei mit 11 718 neuen Anmeldungen um 3,3 Prozent, im Bereich digitale Kommunikation allerdings nur um 0,7 Prozent. Das Anmeldeverhalten zeigt die starke Beachtung der Anmelder für einen weltweiten Patentschutz. Mit einem Patent ist ein Schutz für Erfindungen, die auf neuen Ideen beruhen, von maximal 20 Jahren möglich.


Weitere Schutzrechtsarten


Marke
In vielen Bereichen, so auch der Digitalisierung, ist ein Wettbewerbsvorteil eminent wichtig, da durch diesen ein Abheben oder auch eine Unterscheidung von der Konkurrenz erfolgt. Mit der Eintragung einer Marke lassen sich Begriffe, Buchstabenkombinationen, Zahlenkombinationen, bildliche Darstellungen, dreidimensionale Formen, Slogans, Kombinationen dieser Elemente, oder auch akustische Marken auf unbegrenzte Zeit schützen.

Ein derartig geschütztes Kennzeichen ist ein wichtiges Profilierungsmerkmal und unterscheidet ein Unternehmen mit seinen Waren oder Dienstleistungen von solchen anderer Unternehmen.

Der Markeninhaber hat das ausschliessliche Recht an seiner Marke und kann diese gebrauchen, lizenzieren, verkaufen, aber auch anderen verbieten, dieses oder ein ähnliches Zeichen zu verwenden. Eine Marke für ein spezielles Computerprogramm oder eine dadurch unterstützte Dienstleistung sollte immer dann erwirkt werden, wenn damit eine Einzigartigkeit, aber auch etwas Besonderes ausgedrückt werden soll.

Design
Mit einem Design, also einer kreativen Gestaltung bezüglich neuer Formen, Muster etc., kann immerhin einen Schutz von bis zu 25 Jahre erlangt werden.

Dies gilt auch für Computeranzeigen und Darstellungen.

Urheberrecht
Durch das Urheberrecht können auch Computerprogramme für eine Dauer von 50 Jahren geschützt sein, wenn diese in­dividuellen Charakter aufweisen. Durch das Urheberrecht schützbar sind Sequenzen einzelner Befehle und auch der strukturelle Aufbau eines Programms, nicht jedoch die dem Programm zugrunde liegenden Ideen.

Es ist nicht immer einfach, die richtige Schutzrechtsart zu wählen und die geeignetste Schutzrechtsstrategie zu verfolgen. Denn dafür braucht es Erfahrung, hoch spezialisiertes Fachwissen und den richtigen Instinkt, um im globalen Innovationsfeld bestens aufgestellt zu sein.


Zusammenfassung


Der Schutz von Immaterialgütern ist auch in Zeiten der Digitalisierung wichtiger denn je. Technologien kommen und gehen, haben jedoch ihre Berechtigung und fordern die richtige Wahl der Schutzmechanismen. Dem Schutz von Software-­Innovationen sollte besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht werden, um in Zukunft im globalen Wettbewerb zumindest einen Fuss in der Türe zu haben.

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