Recht

Rechtsstreitigkeiten

Schiedsgerichtsbarkeit als alternative Streitbeilegungsmethode

In den Medien taucht die Schiedsgerichtsbarkeit als Thema nur selten auf, etwa im vergangenen Winter im Zusammenhang mit dem Widerruf der Olympia-Sperren von 28 russischen Sportlern durch den Internationalen Sportgerichtshof. Dabei ist die Schiedsgerichtsbarkeit als Streitbeilegungsmethode nicht nur bei sportbezogenen Konflikten hilfreich.
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Für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten sind in der Schweiz grundsätzlich die staatlichen Gerichte zuständig. Es ist Geschäftspartnern allerdings unbenommen, vor oder auch nach Entstehung einer Streitigkeit die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte auszuschliessen und die entsprechende Spruchkompetenz stattdessen einem privaten Schiedsgericht zu übertragen. Dieses setzt sich in der Regel aus von den Parteien selbst ernannten Schiedsrichtern zusammen.

Entgegen einer verbreiteten Annahme, besteht die Aufgabe von Schiedsgerichten nicht primär darin, zwischen den Parteien eine Einigung herbeizuführen. Vielmehr übertragen die Parteien den Schiedsgerichten die Kompetenz, verbindliche und vollstreckbare Urteile, sogenannte Schiedssprüche, zu fällen. Aus diesem Grund müssen auch Schieds­gerichte fundamentale rechtsstaatliche Grundsätze, wie etwa die Gewährung des rechtlichen Gehörs oder den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien, einhalten. Ob KMU nun ein privates Schiedsgericht anstelle von staatlichen Gerichten über ihre Streitigkeiten mit Geschäftspartnern entscheiden lassen sollen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind die Vor- und Nachteile im konkreten Fall sorgfältig abzuwägen.

Die Vorteile 

Sind Vertragsparteien in unterschiedlichen Ländern ansässig, so sind diese in der Regel bestrebt, allfällige Streitigkeiten vor ihrem jeweiligen «Heimatgericht» auszutragen. Können sich die Parteien aus diesem Grund auf keinen staatlichen Gerichtsstand einigen, ebnet die internationale Schiedsgerichtsbarkeit regelmäs­sig den Weg für eine Kompromisslösung. In deren Rahmen kann die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts mit Sitz in einem beliebigen (Dritt-)Staat vereinbart werden. Bekannte und bewährte Schiedsorte sind in Europa neben Zürich und Genf namentlich London, Paris, Wien oder Stockholm. 

Im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit laufen die Parteien zudem nicht Gefahr, für die Beurteilung ihres Falls irgendeinen Richter vorgesetzt zu bekommen. Vielmehr können sie ihren Schiedsrichter selber auswählen. Dabei kann auf verschiedene Faktoren wie die Nationalität, den rechtlichen Hintergrund oder die besondere Expertise eines Schiedsrichters Rücksicht genommen werden. Die Parteien können sich auf einen Einzelschiedsrichter einigen oder aber je einen Schiedsrichter oder eine Schiedsrichterin ernennen, die in der Regel dann gemeinsam den Vorsitzenden des Schiedsgerichts bestimmen.

Die Schiedsgerichtsbarkeit zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität in der Verfahrensgestaltung aus. Im Gegensatz zu staatlichen Zivilprozessen, die in der Schweizerischen Zivilprozessordnung umfassend geregelt sind, können die Parteien das Schiedsverfahren im gegenseitigen Einvernehmen weitgehend selber bestimmen und ihren Bedürfnissen anpassen. So können sie beispielsweise selber entscheiden, wie viele Schriftenwechsel durchgeführt und in welchem Umfang Zeugen angehört werden sollen.

Für die staatliche Gerichtsbarkeit gilt sodann der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen und Urteilsverkündung (Art. 30 Abs. 3 BV). Wünscht ein Unternehmen hingegen gerade nicht, dass seine Rechtsstreitigkeiten publik werden, wird diesem Bedürfnis durch die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens Rechnung getragen.

Schliesslich liegt ein weiterer, gewichtiger Vorteil der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der vergleichsweise einfachen Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen. Rund 150 Staaten, darunter alle grösseren Volkswirtschaften wie auch die Schweiz, haben das sogenannte New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen ratifiziert (NYÜ). Einem im NYÜ-Vertragsstaat A ergangenen Schiedsspruch kann die Vollstreckung im NYÜ-Vertragsstaat B nur aus wenigen wichtigen Gründen versagt werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn es an einer gültigen Schieds­vereinbarung zwischen den Parteien fehlt oder wenn eine Partei im Schiedsverfahren eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör erleiden musste.

Die Nachteile

Kehrseiten der schiedsgerichtlichen Medaille gibt es selbstverständlich auch. Eine davon stellen die vergleichsweise hohen Kosten von Schiedsverfahren dar. Da es sich bei Schiedsgerichten um privat ein­berufene Spruchkörper handelt, müssen die Parteien nicht nur für die Kosten ihrer eigenen Rechtsvertretung, sondern namentlich auch für die Honorare der amtierenden Schiedsrichter aufkommen. Diese sind in der Regel höher als die nicht kostendeckenden Gerichtskosten, die von staatlichen Gerichten erhoben werden.

Die im Verfahren unterliegende Partei hat der obsiegenden Partei in der Regel jedoch die ihr entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten weitgehend zu ersetzen. Dies gilt grundsätzlich auch im Rahmen von Schiedsverfahren. Für die in einem Schiedsprozess obsiegende Partei relativiert sich der potenzielle Nachteil höherer Kosten dadurch merklich.

Lange galt die Verfahrenseffizienz als eines der «Verkaufsargumente» der Schiedsgerichtsbarkeit. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dieser vermeintliche Vorteil sich nicht selten in das Gegenteil dreht und Schiedsverfahren sogar weniger speditiv durchgeführt werden als staatliche Zivilprozesse.

Dies gilt unter anderem aufgrund der in Schiedsverfahren in Anlehnung an das angelsächsische Discovery-Verfahren regelmässig durchgeführten «Document Production»-Phase. In diesem Verfahrensabschnitt haben die Parteien die Gelegenheit, von der Gegenseite streitrelevante Dokumente herauszuverlangen, über die sie selber nicht verfügen. Verständlicherweise wollen sich die Parteien aus taktischen Gründen von der jeweiligen Gegenseite jedoch nicht vorschreiben lassen, welche Dokumente in den Prozess einzuführen sind. Dies kann zu einer weiteren Verhärtung der Fronten sowie einer unnötigen und kostspieligen Verkomplizierung des Schiedsverfahrens führen.

Schiedsgerichte können jedoch darauf hinwirken, dass auch das «Document Production»-Verfahren möglichst effi­zient durchgeführt wird. So kann das Schiedsgericht die Parteien beispielsweise dazu anhalten, ihre Dokumentanfragen bereits im Rahmen ihrer ersten substanziellen Rechtsschriften, das heisst mit Klage und Klageantwort, zu stellen.

Die Schiedsvereinbarung

Entscheiden sich die Parteien für die Schiedsgerichtsbarkeit, muss dieser gemeinsame Wille im Rahmen einer sogenannten Schiedsvereinbarung festgehalten werden. Die entsprechende Absprache hat schriftlich oder in einer anderen Form zu erfolgen, die den Nachweis durch Text erlaubt. Ein Abschluss der Schiedsvereinbarung ist daher nicht nur im Rahmen eines von den Parteien unterzeichneten Vertrags, sondern auch durch elektronische Kommunikationsmittel wie E-Mail-Korrespondenz möglich.

Erfahrungsgemäss sind bereits im Streit liegende Parteien kaum mehr gewillt, sich auch nur über prozessuale Aspekte, wie etwa die Wahl des Streitbeilegungsmechanismus, zu einigen. Eine allfällige Schiedsklausel sollte daher bereits zu Beginn der Zusammenarbeit zwischen Geschäftspartnern abgeschlossen beziehungsweise in den betreffenden Vertrag aufgenommen werden.

Dies geschieht oftmals erst nach gege­benenfalls langwierigen Verhandlungen über den eigentlichen Inhalt eines Vertrags. Schiedsklauseln werden daher nicht selten unsorgfältig redigiert. Die damit einhergehenden Unklarheiten können bei Ausbruch einer Streitigkeit zu einer zusätzlichen und kostspieligen Auseinandersetzung über die korrekte Auslegung der Schiedsklausel führen.

Grenzüberschreitende Streite

Die Schiedsgerichtsbarkeit ist vor allem für jene KMU eine interessante Streitbeilegungsmethode, die grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen pflegen. Sie bietet sich nicht nur als Kompromiss­lösung an, wenn sich Geschäftspartner nicht über einen anderweitigen Gerichtsstand einigen können. Vielmehr ermöglicht sie ihnen auch, im Rahmen eines vertraulichen Verfahrens zu einer fast weltweit vereinfacht vollstreckbaren Entscheidung zu gelangen. Darüber hinaus bietet die Schiedsgerichtsbarkeit den Parteien die einmalige Möglichkeit, die für ihr Verfahren geltenden Regeln weitgehend selbst zu bestimmen. Insofern setzt die Schiedsgerichtsbarkeit darauf, dass die Parteien in der Lage sind, gewisse prozessuale Aspekte ihrer Auseinandersetzung einvernehmlich zu regeln. Dies erfolgt vorzugsweise bereits bei Abschluss des betreffenden Vertrags.

Ist der Streit zwischen den Parteien einmal ausgebrochen, werden Schiedsverfahren jedoch nicht minder kontrovers geführt als Prozesse vor staatlichen Gerichten. Dies gilt sowohl in der Sache als auch hinsichtlich Verfahrensfragen wie etwa betreffend die Dokumente, die eine Partei auf Verlangen der Gegenseite in das Verfahren einführen muss. Konsensorientiert ist die Schiedsgerichtsbarkeit mithin in der Regel nur so lange, bis es zwischen den Parteien ernst wird und eine Kontroverse über den von ihnen geschlossenen Vertrag ausgebrochen ist. 

Die wichtigsten Punkte einer Schiedsklausel
 

Institutionelles oder Ad-hoc-Schiedsverfahren

Institutionelle Schiedsverfahren sind Verfahren, die von einer Schiedsinstitution (zum Beispiel der Swiss Chambers’ Arbitration Institution oder des ICC International Court of Arbitration) administriert werden. Schiedsinstitutionen unterstützen die Durchführung des Schiedsverfahrens etwa bei der Konstituierung des Schiedsgerichts. Ad-hoc-Schiedsverfahren werden hingegen ohne administrative Unterstützung einer Schiedsinstitution abgewickelt.

Wahl der Schiedsregeln

Falls sich die Parteien für ein institutionelles Schiedsverfahren entscheiden, findet grundsätzlich die Verfahrensordnung der ausgewählten Schiedsinstitution Anwendung (zum Beispiel die Swiss Rules of International Arbitration oder die ICC Arbitration Rules). Unterbreiten die Parteien ihre Streitigkeit einem Ad-hoc-Schiedsgericht, können sie entweder auf bereits bestehende Verfahrensregeln zurückgreifen (zum Beispiel auf die Uncitral-Schiedsordnung) oder aber die Ausgestaltung des Verfahrens selber festlegen.

Sitz des Schiedsgerichts

Anhand des Sitzes des Schiedsgerichts bestimmt sich, welchem staatlichen Schiedsverfassungsrecht – auch als «lex arbitri» bezeichnet – das Schiedsverfahren untersteht. Dieses Schiedsverfassungsrecht bestimmt unter anderem, unter welchen Voraussetzungen ein Schiedsspruch vor dem staatlichen Richter – in der Schweiz ist dies das Bundesgericht – angefochten werden kann.

Anzahl Schiedsrichter

Bei der Wahl, ob eine allfällige Streitigkeit einem Einzelschiedsrichter oder einem Dreiergremium zu unterbreiten ist, sollten Aspekte wie die voraussichtliche Komplexität der Auseinandersetzung und der potenzielle Streitwert berücksichtigt werden. Zudem gilt es zu beachten, dass ein Dreier-Schiedsgericht naturgemäss höhere Kosten verursacht als ein Einzelschiedsrichter.

Sprache des Verfahrens

Die Parteien können und sollten auch die Sprache des Schiedsverfahrens vorab bestimmen. Im internationalen Kontext ist – wenig überraschend – das Englische als Verfahrenssprache am meisten verbreitet.

All diese wesentlichen Aspekte einer Schiedsvereinbarung sind durch die von verschiedenen Schiedsinstitutionen zur Verfügung gestellten Musterschiedsklauseln abgedeckt. Zu empfehlen ist dabei namentlich die Verwendung der Musterschiedsklausel der Swiss Chambers’ Arbitration Institution. Sie findet sich unter www.swissarbitration.org/Arbitration/Arbitration-clauses/Musterschiedsklausel.