Recht

Gesellschaftsrecht

Relevante Neuerungen für das Jahr 2023

Ab dem 1. Januar 2023 gibt es für Gesellschaften verschiedene Neuerungen, weil dann das revidierte Aktienrecht in Kraft tritt. Die Neuerungen gelten dabei nicht nur für die Aktiengesellschaft, sondern auch für die GmbH und die Genossenschaft. Im Nachfolgenden werden einige für KMU relevante Neuerungen aufgeführt.
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Der sprachlichen Einfachheit zuliebe werden dabei die Begriffe für die Aktiengesellschaft verwendet (wie «General­versammlung»), die Begriffe für die anderen Gesellschaftsformen sind dabei mitgemeint (wie «Gesellschafterversammlung» für die GmbH). 

Statuten anpassen

Wichtig: Damit gewisse Neuerungen zur Anwendung kommen können, müssen sie eine Grundlage in den Statuten haben, das heisst, die Statuten sind anzupassen.

Modernisierung der Generalversammlung

Neu können Generalversammlungen (GV) auf verschiedene Weise abgehalten werden:

  • Schriftliche GV: Die GV kann ihre Beschlüsse schriftlich auf Papier oder in elektronischer Form fassen.
  • Virtuelle GV: Die GV kann mit elek­tronischen Mitteln ohne Tagungsort durchgeführt werden.
  • GV mit «direct voting»: Der Verwaltungsrat kann vorsehen, dass Aktionäre, die nicht am Ort der GV anwesend sind, ihre Rechte auf elektro­nischem Weg ausüben können. (Das «indirect voting» mittels unabhängiger Stimmrechtsvertreter ist dabei weiterhin möglich.)
  • GV mit mehreren Tagungsorten: Die GV kann an mehreren Orten gleich­zeitig durchgeführt werden.
  • GV im Ausland: Die GV kann auch im Ausland durchgeführt werden.

Anpassung der Kapitalvorschriften

Diese werden flexibilisiert: 

  • Aktienkapital in Fremdwährung: Ist eine ausländische Währung für die ­Geschäftstätigkeit wesentlich, kann das Aktienkapital in dieser Währung geführt werden. Zulässig sind dabei der Euro, das britische Pfund, der US-Dollar und der Yen.
  • Kapitalband: Die GV kann den Verwaltungsrat ermächtigen, das Kapital während einer bestimmten Zeitspanne innerhalb einer bestimmten Breite be­liebig zu erhöhen oder herabzusetzen.

Andere Neuerungen

  • Stichentscheid des Vorsitzenden in der GV: Neu hat dieser von Gesetzes wegen den Stichentscheid (wie das schon im Verwaltungsrat der Fall ist). Soll der Vorsitzende keinen Stichentscheid haben, muss das in den Statuten fest­gehalten werden.
  • Ausschüttung von Zwischendividenden: Gestützt auf einen Zwischenabschluss kann die GV die Ausschüttung einer Zwischendividende beschliessen.
  • Vorgaben zum Zwischenabschluss: Die Vorgaben für einen Zwischenabschluss sind einheitlich geregelt. 
  • Statuarische Schiedsklauseln: Die Statuten können vorsehen, dass gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz beurteilt werden. Die Schiedsklausel bindet die Gesellschaft, die Organe und die Mitglieder der Organe ­sowie die Aktionäre, wenn die Statuten es nicht anders bestimmen.
  • Stärkung des Auskunfts- und Einsichtsrechts des Aktionärs: z. B. können die Geschäftsbücher und die Akten von Aktionären eingesehen werden, die zusammen mindestens fünf Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten. Der VR gewährt die Einsicht innert vier Monaten nach Eingang der Anfrage. Die Aktionäre dürfen Notizen machen. Die Einsicht muss gewährt werden, soweit sie für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist und soweit keine Geschäftsgeheimnisse oder anderen schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft gefährdet werden. Eine Verweigerung der Einsicht ist schriftlich zu begründen. Gegen eine Verweigerung können die Aktionäre innerhalb von 30 Tagen vom Gericht die Anordnung der Einsicht verlangen. 

Übergangsrecht

Gesellschaften, die den neuen Vorschriften nicht entsprechen, müssen innerhalb von zwei Jahren, somit bis zum 31. Dezember 2024, ihre Statuten und Reglemente den neuen Bestimmungen an­passen. Bestimmungen der Statuten und Reglemente, die mit dem neuen Recht nicht vereinbar sind, bleiben bis zur Anpassung, längstens aber noch für zwei Jahre (bis 31. Dezember 2024) in Kraft (Art. 2 Übergangsbestimmungen).

Exkurs: Führung von Gesellschafter-Verzeichnissen und des Verzeichnisses der wirtschaftlich berechtigten Personen:

  • Gesellschafter-Verzeichnisse: Die Gesellschaften haben Register über ihre Gesellschafter zu führen, in denen die Eigentümer und Nutzniesser mit Namen und Adressen eingetragen werden. Die Gesellschaft muss das Register so führen, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann. Die Eintragung erfolgt aufgrund von Ausweisen über den Erwerb der Beteiligung bzw. des Rechts. Diese Belege müssen zehn Jahre nach der Streichung aus dem Register aufbewahrt werden. 

    Bei der Aktiengesellschaft ist das Gesellschafter-Verzeichnis das Aktienbuch über die Aktionäre und Nutz­niesser (Art. 686 OR), bei der GmbH ist es das Anteilbuch über die Gesellschafter, Nutzniesser und zusätzlich die Pfandgläubiger (Art. 790 OR), bei der Genossenschaft ist es das Genossenschafterverzeichnis über die Ge­nossenschafter (Art. 837 OR). 
  • Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen: 

Bei der Aktiengesellschaft (Art. 697j OR): Wer allein oder in ge­meinsamer Absprache mit Dritten Aktien einer Gesellschaft, deren Beteiligungsrechte nicht an einer Börse kotiert sind, erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet, muss der Gesellschaft als Aktionär innert Monatsfrist nach dem Erwerb den Vor- und den Nachnamen und die Adresse der na­türlichen Person melden, für die er letztendlich handelt (wirtschaftlich be­rechtigte Person) – der Aktionär hat ­somit eine entsprechende Meldepflicht. Die wirtschaftlich berechtigte Person kann der Aktionär selbst oder ein Dritter sein. Ist der Aktionär eine juristische Person oder Personengesellschaft, so muss als wirtschaftlich berechtigte Person jede natürliche Person gemeldet werden, die den Aktionär in sinnge­mässer Anwendung von Artikel 963 ­Absatz 2 OR kontrolliert. 

Gibt es keine solche Person, so muss der Aktionär dies der Gesellschaft melden. Ist der Aktionär eine Kapitalgesellschaft, deren Beteiligungsrechte an einer Börse kotiert sind, wird er von einer solchen Gesellschaft im Sinne von Artikel 963 Absatz 2 OR kontrolliert, oder kontrolliert er in diesem Sinne eine solche Gesellschaft, so muss er nur diese Tatsache sowie die Firma und den Sitz der kotierten Kapitalgesellschaft melden. Die Meldepflicht besteht nicht, wenn die Aktien als Bucheffekten ausgestaltet und bei ­einer Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister ein­getragen sind; die Gesellschaft bezeichnet die Verwahrungsstelle.

Das Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen kann zusammen mit dem Aktienbuch geführt werden, z. B. als separate Spalte. Das Verzeichnis enthält den Vor- und den Nachnamen sowie die Adresse der wirtschaftlich berechtigten Personen. Die Belege, die einer Meldung nach Artikel 697j OR zugrunde liegen, müssen nach der Streichung der Person aus dem Verzeichnis während zehn Jahren aufbewahrt ­werden. Das Verzeichnis muss so geführt werden, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann.

Solange der Aktionär seinen Meldepflichten nicht nachgekommen ist, ruhen die Mitgliedschaftsrechte, die mit den Aktien verbunden sind, deren Erwerb gemeldet werden muss. Die Vermögensrechte, die mit solchen Aktien verbunden sind, kann der Aktionär erst geltend machen, wenn er seinen Meldepflichten nachgekommen ist. Kommt der Aktionär seinen Meldepflichten nicht innert eines Monats nach dem ­Erwerb der Aktien nach, so sind die Vermögensrechte verwirkt. Holt er die Meldung zu einem späteren Zeitpunkt nach, so kann er die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte geltend machen. Der Verwaltungsrat stellt sicher, dass keine Aktionäre unter Verletzung der Meldepflichten ihre Rechte ausüben. 

Der Aktionär muss der Gesellschaft ­innert drei Monaten auch jede Än­derung des Vor- oder des Nachnamens oder der Adresse der wirtschaftlich ­berechtigten Person melden.

Bei der GmbH (Art. 790a OR): Die Regeln der Meldepflichten bei einer Beteiligung von 25 Prozent oder mehr gelten wie bei der Aktiengesellschaft auch für die Gesellschafter der GmbH hinsichtlich der Stammanteile, ebenso 
die Regel für die Führung des Verzeichnisses der wirtschaftlich berechtigten Personen und der Folgen der Nicht­einhaltung der Meldepflichten.

Strafrechtliche Folgen der Nichteinhaltung der Meldepflicht und der Nichtführung der Verzeichnisse: Ein Aktionär oder GmbH-Gesellschafter, der vorsätzlich den Meldepflichten hinsichtlich der wirtschaftlich berechtigen Personen nicht nachkommt, wird gemäss Art. 327 StGB mit Busse bis zu 10 000 Franken ­bestraft. Diese Strafe tritt neben die bereits erwähnten zi­vilrechtlichen Folgen (Ruhen der Mitgliedschaftsrechte, Verwirkung von Vermögensrechten). Auch der Verwaltungsrat und die GmbH-Geschäfts­führung stehen unter Strafandrohung: Wer vorsätzlich das Aktienbuch, das ­Anteilbuch (GmbH) oder das Genossenschafterverzeichnis nicht führt, weiter wer bei der Aktien­gesellschaft oder GmbH das Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Person nicht führt, wird gemäss Art. 327a StGB mit Busse bis zu 10 000 Franken bestraft. 

Gemäss Art. 29 StGB wird eine besondere Pflicht, die einer juristischen Person obliegt, einer natürlichen Person zugerechnet, die als Organ oder Mitglied eines ­Organs dieser juristischen Person handelt – strafbar sind somit die einzelnen Verwaltungsräte oder Mitglieder der GmbH-Geschäftsführung.

Zusammenfassend: Die geforderten Verzeichnisse sind ordnungsgemäss zu führen, da ansonsten zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen folgen. ­So weit dieser Exkurs.