Recht

Arbeitsrecht

Regelungen zur Lohnfortzahlung bei Krankheit

Eine Krankentaggeldversicherung haben fast alle Unternehmen abgeschlossen, obwohl es dazu keine gesetzliche Pflicht gibt. Die Prämienbelastung variiert je nach Absenzstruktur, und so überdenken Arbeitgeber immer mal wieder ihre Regelung betreffend Lohnfortzahlung bei Krankheit.
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Kann ein Mitarbeitender infolge Krankheit seine Arbeitsleistung nicht erbringen, so sieht das Gesetz vor, dass er trotzdem während einer beschränkten Dauer den Lohn erhalten soll, auch wenn er nicht arbeiten kann. Die Dauer der gesetzlichen Lohnfortzahlung hängt vom Dienstjahr ab – je höher das Dienstjahr, desto länger die Lohnzahlung. Die Gerichte haben schliesslich drei Skalen entwickelt, die Basler, Berner und Zürcher Skala, die je nach Kanton, in welchem das Unternehmen domiziliert ist, zur Anwendung kommen.

Die Lohnfortzahlungspflicht

Der Mitarbeitende kommt von Gesetzes wegen nicht etwa schon vom ersten Anstellungstag an in den Genuss der Lohnfortzahlung. Erst nach drei Monaten Tätigkeit hat der Mitarbeitende Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit, sofern das Arbeitsverhältnis für unbefristete Dauer abgeschlossen wurde. Bei Arbeitsverträgen mit einer fixen Laufzeit dagegen besteht die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bereits ab dem ersten Tag, sofern das Arbeitsverhältnis für mehr als drei Monate eingegangen wurde. Für befristete Arbeitsverträge mit einer kürzeren Laufzeit besteht dagegen kein Lohnanspruch bei einer Abwesenheit infolge Krankheit. Dies die gesetzliche Regelung. Meist findet sich aber in Personalreglementen und in Mitarbeiterhandbüchern direkte oder indirekte Zusicherung, dass die Mitarbeitenden bereits ab erstem Arbeitstag einen Lohnfortzahlungsanspruch haben.

Abweichen von der Lohnskala

Von den gesetzlichen Lohnskalen kann mittels Vereinbarung abgewichen werden. Die Vereinbarung findet sich mehrheitlich jeweils im Reglement wieder, indem festgehalten wird, dass der Lohn während einer bestimmten Dauer zu einem definierten Prozentsatz bezahlt wird. Allerdings ist nicht jede Versicherungslösung zulässig. Sie muss mit der gesetzlichen Lohnfortzahlung mindestens gleichwertig sein, damit sie rechtmäs­sig ist (Art. 324a IV OR). Was gleichwertig ist, hat die Gerichte schon sehr oft beschäftigt. Wohl die gängigste Versicherungslösung ist ein Taggeld während 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen zu 80 Prozent des versicherten Lohnes. Diese Lösung ist gleichwertig mit der gesetzlichen Lohnfortzahlung. Zwar wird hierbei nicht der volle Lohn bezahlt, da die Lohnzahlung aber deutlich länger erbracht wird, gilt diese Lösung als gleichwertig und ist deshalb zulässig.

Ein weitverbreiteter Irrtum besteht darin, dass viele Arbeitgeber der Meinung sind, dass sie selbst dann während einer beschränkten Dauer den vollen Lohn bezahlen müssen, wenn sie eine solche Krankentaggeldversicherung abgeschlossen haben. Dies ist nicht der Fall. Es ist sogar zulässig, bereits ab dem ersten Tag den Lohn nur zu 80 Prozent zu zahlen, wenn eben die längere Bezugsdauer vereinbart wurde. Auch eine Wartefrist, bis die Taggeldversicherung Leistung erbringt, muss nicht mit dem vollen Lohn entgeltet, sondern kann ebenfalls nur zu 80 Prozent vergütet werden. Viele Arbeitgeber gehen aber den praktikablen Weg, dass sie während der Wartefrist selber für die Lohnfortzahlung aufkommen, und ab dann, wann die Taggeldversicherung ihre Leistung erbringt, die Lohnzahlung auf die Höhe des Taggelds reduzieren. Andere Unternehmen sehen ganz bewusst die volle Lohnzahlung während einer bestimmten Dauer vor, auch wenn sie eine Taggeldversicherung abgeschlossen haben, entweder je nach Dienstjahr oder für alle gleich lang. Dies ist für den Mitarbeitenden eine Besserstellung.

Der blaue Montag

Bei der Betrachtung der Absenzen stellt manch Arbeitgeber fest, dass vor allem die Kurzabsenzen ins Gewicht fallen und weniger die Langzeitkranken. Warum also mit einer lang dauernden Krankentaggeldversicherung eine Leistung abdecken, die wenig gebraucht wird? Oder kann man der häufig vorkommenden eintägigen Montags- oder Freitags-Krankheit mit einer entsprechenden Lohnfortzahlungsregel begegnen? Unbestritten dürfte sein, dass ein konsequentes Absenzmanagement hilft, die Abwesenheiten sowohl in der Anzahl als auch in der Dauer zu reduzieren. Daneben kann aber sinnvoll sein, die Lohnfortzahlungsregel zu prüfen.

Vielen Arbeitgebern ist nicht bekannt, dass es durchaus zulässig ist, zwei oder drei Karenztage als unbezahlt zu deklarieren, wenn die Gesamtdauer entsprechend länger ist. Wird also während der ersten zwei oder drei Tage einer krankheitsbedingten Abwesenheit kein Lohn bezahlt, ist dies zulässig, wenn die Gesamtdauer der Lohnfortzahlung mindestens 720 Tage beträgt und der Lohn zu mindestens 80 Prozent bezahlt wird. Bei einer solchen vertraglichen Regelung muss sich zeigen, wie es sich mit der Dauer der Krankheitsabsenzen verhält. So ist es nämlich denkbar, dass die Zahl der Krankheiten zwar zurückgehen, die Dauer einer einzelnen Krankheit aber jeweils länger ist und Arztzeugnisse häufig nicht für kürzer als eine Arbeitswoche ausgestellt werden. Es ist also rechtlich zulässig, via ein Per­sonalreglement zu vereinbaren, dass Karenztage unbezahlt sind. Ob diese Regelung dann auch tatsächlich Sinn macht, hängt aber sehr von der Arbeitstätigkeit und der Absenzstruktur ab.

Achtung Formulierungshürde

Bei der Formulierung der Verträge und Reglemente ist hinsichtlich der Lohnfortzahlung grösste Sorgfalt geboten. So soll­te auf jeden Fall die Lohnzahlung auf die effektive Leistungserbringung des Versicherers eingeschränkt werden. Die häufig anzutreffende Formulierung in einem Reglement «Es wird der Lohn zu 80 Prozent während längstens 720 Tagen» kann ein Unternehmen teuer zu stehen kommen. Lehnt die Versicherung ihre Leistung beispielsweise wegen eines Vor­behalts ab, muss der Arbeitgeber die Leistung selber erbringen, wenn er seine Lohnfortzahlung nicht auf die effektive Leistungserbringung der Versicherung eingeschränkt hatte. Dieses Risiko kann der Arbeitgeber nur dahingehend mi­nimieren, als er ausdrücklich mit dem Mitarbeitenden vereinbart, dass im Falle einer Leistungsverweigerung der Ver­sicherung, der Arbeitgeber die gesetzliche Lohnfortzahlung erbringt. Die volle Lohnfortzahlung gemäss Gesetz dauert selten länger als 12 Monate. Damit ist sie deutlich kürzer als die gängige Versicherungsleistungsdauer von 720 Tagen.

Zankapfel Arztzeugnis

Fast jeder Arbeitgeber fordert seine Arbeitnehmenden schriftlich auf, bei Krankheit ein Arztzeugnis zu bringen. Auch wenn der Arbeitnehmende seine Arbeitsunfähigkeit anders beweisen kann, so dürfte es gerade für den Arbeitnehmenden die wohl einfachste Lösung sein, ein schriftliches Zeugnis des Arztes vorzu­legen. Weitverbreitet ist die Regelung, dass ein Arztzeugnis erst ab einer Ab­senzdauer von drei oder mehr Tagen eingereicht werden muss. Ein Arztzeugnis schafft zwar ein sehr glaubwürdiges Indiz für eine bestehende Krankheit, wenn aber begründete Zweifel an der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit bestehen, kann der Arbeitgeber sehr wohl den Gegenbeweis antreten, sei dies beispielsweise durch Aussagen von Zeugen oder anderen Urkunden. Auch wenn er ein Arztzeugnis vorgelegt hat, so muss nach wie vor der Arbeitnehmende seine Arbeitsunfähigkeit beweisen.

Problematisch und leider oft vorkommend sind rückwirkende Arztzeugnisse. Der Arzt stellt also am Datum seiner Untersuchung eine Arbeitsunfähigkeit fest und datiert den Anfang der Arbeitsunfähigkeit zurück. Hier stellt sich die Frage, bis wann es zulässig ist, eine rückwirkende Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen, und wie weit zurück ein Arbeitgeber dies akzeptieren muss. Diese Rückwirkung kommt ja meist gerade daher zustande, weil der Arbeitnehmende erst nach ein paar Tagen sich in ärztliche Behandlung begibt, oder eben erst dann, ab wann er ein Zeugnis vorlegen muss.

Wie Arztzeugnisse auszustellen sind, wird gesetzlich nicht reglementiert. Verschiedene Ärzteverbände versuchen mit entsprechenden Informationen und Weisungen, eine korrekte Ausstellung der Zeugnisse zu bewirken. Die Rückwirkung sollte zwei bis drei Tage nicht überschreiten und nur in Ausnahmefällen bis zu einer Woche betragen. Dies soll zulässig sein. Davon zu unterscheiden ist die Rückdatierung, bei welcher der Arzt das Behandlungs- resp. Untersuchungsdatum rückdatiert. Dies ist klar nicht zulässig. Der Gegenbeweis bei einem rückwirkenden Zeugnis ist zwar schwierig zu erbringen, ebenso bei einem reinen Gefälligkeitszeugnis – bleibt aber grundsätzlich möglich. Ist das Zeugnis unklar hinsichtlich Dauer oder Grad der Arbeitsunfähigkeit, kann der Arbeitgeber das Gespräch mit dem Arzt suchen. Zwar darf der Arzt keine Diagnose bekannt geben, zu Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit und allfällige Ersatztätigkeiten darf er aber sehr wohl Auskunft erteilen.

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