Recht

Steuern und Sozialversicherung

Rechtliche Aspekte für Home-Office-Modelle

Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Unternehmensführung tut gut daran, nicht nur organisatorische und arbeitsrechtliche Aspekte des Home-Office zu berücksichtigen, sondern auch frühzeitig die Steuer- und Sozialversicherungsfolgen zu klären.
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Die Mitarbeiter gewinnen durch das Arbeiten zu Hause im Home-Office an Lebensqualität, weil ihnen das Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort erspart bleibt. Überdies können sie zu Hause ungestört und konzentriert arbeiten, was sich positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt. Die Unternehmen gewinnen durch diese Flexibilität motivierte Mitarbeiter. Zudem können sie die Betriebskosten senken, indem etwa Büroflächen reduziert werden.

Home-Offices sind in der Praxis sehr unterschiedlich ausgestaltet: So kann die Arbeit zu Hause regelmässig oder unregelmässig, stunden- oder tageweise erfolgen. Damit zusammen hängt die Frage, ob dem Mitarbeiter weiterhin ein fester Arbeitsplatz am Sitz des Unternehmens zur Verfügung gestellt wird oder nicht. Wichtig ist auch die Frage, ob der Mitarbeiter neben dem Lohn eine separate Entschädigung für das Home-Office erhält und wer die Kosten für die notwendigen Einrichtungen zu Hause trägt.

1. Steuerliche Aspekte

Für das Unternehmen stellt sich in steuerrechtlicher Hinsicht die Frage, ob es am Wohnort des Mitarbeiters aufgrund dessen Arbeitstätigkeit eine Betriebsstätte und damit eine eigene subjektive Steuerpflicht begründet. Der Begriff der Betriebsstätte ist dabei zentral, weil eine Betriebsstätte sowohl eine steuerbegründende Wirkung als auch – mit Blick auf andere Kantone bzw. das Ausland – eine steuerbefreiende Funktion haben kann.

Begriff der Betriebsstätte im schweizerischen Steuerrecht

Der Begriff der Betriebsstätte ist im schweizerischen Steuerrecht nicht einheitlich geregelt. Einzig das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) enthält eine Legaldefinition. Weiter hat das Bundesgericht, gestützt auf das in der Bundesverfassung enthaltene Doppelbesteuerungsverbot, einen eigenständigen Betriebsstättebegriff im Zusammenhang mit seiner Rechtsprechung zur interkantonalen Doppelbesteuerung entwickelt. Auf die verschiedenen Betriebsstättebegriffe wird nachfolgend eingegangen:

  • Legaldefinition im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer

Nach der Legaldefinition im DBG gilt als Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, in welcher die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens oder ein freier Beruf ganz oder teilweise ausgeübt wird. Als feste Geschäftseinrichtung gilt eine Anlage oder Einrichtung, in welcher ständig oder wenigstens während einer gewissen Zeit die Tätigkeit eines Unternehmens ausgeübt wird. Folglich hat die Anlage oder Einrichtung von einer gewissen Dauer und fest mit der Erdoberfläche verbunden zu sein.

Das Kriterium der Geschäftstätigkeit wird bejaht, wenn in der Anlage bzw. Einrichtung Aktivitäten ausgeübt werden, welche mit der Erfüllung des statutarischen Zwecks des Unternehmens im weitesten Sinne im Zusammenhang stehen, und zwar ungeachtet derer Bedeutung und deren Ausmass innerhalb des Gesamtunternehmens.

Obwohl nicht ausdrücklich im Gesetzestext erwähnt, ist für das Vorhandensein einer Betriebsstätte erforderlich, dass das Unternehmen Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung hat. Dabei ist unerheblich, ob die Geschäftseinrichtung im Eigentum des Unternehmens steht, ob sie nur gemietet ist oder ob die Geschäftseinrichtung dem Unternehmen sonst auf eine Art und Weise zur Verfügung steht. Folglich genügt es, wenn das Unternehmen faktisch (via den Mitarbeiter) über die Einrichtung verfügen kann. Ob eine Verfügungsmacht vorliegt, muss im Einzelfall geprüft werden.

In der Regel verfügt der Arbeitgeber weder über einen Zugang noch über einen Schlüssel zur Wohnung des Mitarbeiters, in dem sich das Home-Office befindet. Schreibt das Unternehmen dem Mitarbeiter nicht vor, dass er von zu Hause aus arbeiten muss und übernimmt es keine Kosten für das Home-Office, fehlt es in aller Regel an der Verfügungsmacht des Unternehmens über das Home-Office. Entsprechend ist eine Betriebsstätte des Unternehmens am Ort des Home-Office zu verneinen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn dem Mitarbeiter ein fester Arbeitsplatz am Ort des Unternehmens zur Verfügung gestellt wird und der Mitarbeiter nur aus Bequemlichkeit zeitweise zu Hause arbeitet.

Anders wäre der Fall wohl zu beurteilen, wenn ein Mitarbeiter auf Anweisung des Unternehmens ausschliesslich von seinem Home-Office aus arbeitet und von dort aus regelmässig mit Kunden telefoniert, am Sitz des Unternehmens über keinen Arbeitsplatz verfügt und das Unternehmen die Kosten für das Home-Office übernimmt.

In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass das Unternehmen am Ort des Home-Office über eine Geschäftseinrichtung verfügt. Dies kann z. B. der Fall sein bei einem IT-Mitarbeiter, der ausschliesslich in seinem Home-Office arbeitet und von dort regelmässig Kundengespräche führt und nur gelegentlich an Besprechungen am Sitz des Unternehmens teilnimmt, dort aber über keinen Arbeitsplatz verfügt.

  • Fehlende Betriebsstätte­definition im Steuerharmonisierungsgesetz

Im Steuerharmonisierungsgesetz verzichtete der Gesetzgeber auf eine Umschreibung des Betriebsstättebegriffs, da er davon ausging, dass die Rechtsprechung im interkantonalen und internationalen Bereich genügend klare Richtlinien für die begriffliche Auslegung enthält. In der Literatur wird deshalb die Auffassung vertreten, dass die Kantone den Betriebsstättebegriff autonom auslegen können.

Dies führt dazu, dass die Kantone nicht gezwungen sind, ausserkantonale Betriebsstätten in anderen Kantonen oder im Ausland anzuerkennen. Bis auf die Kantone Thurgau (betreffend die natürlichen Personen) und Graubünden haben jedoch alle Kantone entsprechende Bestimmungen in ihre jeweiligen Steuergesetze ausgenommen.

Dabei haben sich zwei Gruppen von Kantonen herauskristallisiert: diejenigen Kantone, welche den Betriebsstättebegriff des DBG übernommen haben (z.B. AG, BE, GR, LU, NW, OW, SG und SH) und diejenigen, welche den Betriebsstättebegriff nicht definieren (z. B. BL, BS, GL SO, TG, ZG und ZH).

Ein Sonderfall ist der Kanton Schwyz, welcher im internationalen Verhältnis bezüglich der Betriebsstätte auf das jeweils anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen oder, wenn kein solches vorliegt, auf das OECD-Muster-abkommen verweist. Mit dieser dynamischen Auslegung des Betriebsstättebegriffs erreicht der Kanton Schwyz, dass keine Qualifikationskonflikte entstehen können.

Schon alleine aus Praktikabilitäts­überlegungen sind unterschiedliche Betriebsstättebegriffe innerhalb der Schweiz zu vermeiden. Die Gerichte bzw. das Bundesgericht müssen deshalb mit seiner Rechtsprechung wei-terhin für eine vertikale und horizontale materielle Harmonisierung des Betriebsstättebegriffs besorgt sein. Im Ergebnis bedeutet dies mit Blick auf das Home-Office, dass keine Abweichungen zum Betriebsstättebegriff des DBG bestehen sollten.

  • Interkantonales Steuerrecht

Im Bereich des interkantonalen Steuerrechts gilt als Betriebsstätte eine ständige körperliche Anlage oder Einrichtung, mittels derer ein qualitativ und quantitativ wesentlicher Teil des Betriebs eines Unternehmens vollzogen wird. Diese Definition hat das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung entwickelt, wenn es darum ging, die Steuerhoheiten der verschiedenen Kantone gegeneinander abzugrenzen.

Die Definition der Betriebsstätte im interkantonalen Bereich entspricht bezüglich der festen Geschäftseinrichtung weitestgehend jener im DBG. Im DBG fehlt jedoch der Hinweis auf die qualitative und quantitative Erheblichkeit der in der Geschäftseinrichtung ausgeübten Tätigkeit.

Qualitativ erheblich ist eine Tätigkeit immer dann, wenn sie zum eigentlichen Geschäftsbetrieb gehört. Darunter fallen Tätigkeiten, welche der Produktion und dem Kontakt mit Klienten dienen. Unerheblich ist jedoch, ob sie einen Gewinn abwerfen. Quantitativ erheblich ist eine Tätigkeit immer dann, wenn es sich nicht um eine bloss untergeordnete oder nebensächliche Funktion handelt.

So hat das Bundesgericht im Falle eines Arztes mit eigener ausserkantonaler Praxis zu Recht entschieden, dass er an seinem Wohnsitzkanton keine Betriebsstätte begründet, wenn er abends und am Wochenende bei sich zu Hause gewisse administrative Arbeiten erledigt, Fachliteratur studiert und gewisse buchhalterische Daten für seinen Treuhänder aufbereitet, da die qualitative und quantitative Wesentlichkeit nicht gegeben sei. Mit anderen Worten begründete der Arzt durch diese untergeordneten Tätigkeiten in seinem Home-Office keine Betriebsstätte.

Der Betriebsstättebegriff des interkantonalen Steuerrechts ist enger gefasst als jener im DBG. Dies ist folgerichtig, geht es doch im interkantonalen Recht darum, eine unnötige Zersplitterung der Steuerhoheiten zu vermeiden.

Der Betriebsstättebegriff im internationalen Steuerrecht

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten definiert das jeweils anzuwendende Doppelbesteuerungsabkommen, was unter einer Betriebsstätte zu verstehen ist. Dieser dort definierte Betriebsstätte­begriff geht dem Landesrecht vor. Die Schweizer Abkommenspolitik folgt bei der Definition der Betriebsstätte dem OECD-Musterabkommen. Als Betriebsstätte gilt dort eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.

Dieser Betriebsstättebegriff deckt sich weitestgehend mit jenem des DBG. Dies überrascht nicht, denn der OECD-Betriebsstättebegriff hat beim DBG Pate gestanden. Anders als im DBG schliessst das OECD-Musterabkommen bei gewissen Aktivitäten, welche vorbereitender Art sind oder Hilfstätigkeiten darstellen, eine Betriebsstätte aus. Dennoch ist im internationalen Verhältnis in den letzten Jahren ein kontinuierliches Absenken der Betriebsstätteschwelle und damit eine Ausweitung des OECD-Betriebssttättebegriffs festzustellen.

Mit Bezug auf das Home-Office hat die OECD ein Arbeitspapier veröffentlicht, welches in die OECD-Kommentierung einfliessen soll. Danach soll ein Home-Office nicht leichthin als Betriebsstätte des Unternehmens gelten. Es sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls für eine Beurteilung heranzuziehen. Insbesondere sollen bloss untergeordnete im Home-Office verrichtete Tätigkeiten nicht zur Annahme einer Betriebsstätte führen, wobei die Dienstleistungserbringung gegenüber Kunden in aller Regel als wesentliche unternehmerische Tätigkeit gilt und zur Annahme einer Betriebsstätte führt. Wird das Home-Office regelmässig und kontinuierlich aufgrund einer Anweisung des Arbeitnehmers genutzt (z. B. weil der Arbeitnehmer keine Büroräumlichkeiten zur Verfügung stellt), kann das Home-Office ebenfalls als Betriebsstätte des Unternehmens betrachtet werden.

Nach Auffassung der OECD ist es somit nicht relevant, wer die Kosten des Home-Office trägt oder ob der Arbeitgeber Weisungen bezüglich der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes (z. B. Vorschriften bezüglich technischer Ausstattung und Sicherheit) im Home-Office hat oder nicht.

Fazit

Eine Betriebsstätte eines Unternehmens in einem Home-Office eines Mitarbeiters ist aus Gründen der Zersplitterung der Steuerhoheiten – entgegen dem allgemeinen internationalen Trend – nur ausnahmsweise anzunehmen.

Eine Betriebsstätte des Unternehmens am Ort des Home-Office liegt jedoch dann vor, wenn das Unternehmen den Mitarbeiter anweist, auf unbestimmte Zeit von zu Hause aus zu arbeiten, weil es ihm am Sitz des Unternehmens keinen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung stellt und das Unternehmen die Kosten für das Home-Office trägt.

2. Aspekte Sozialversicherung

Bei einem Home-Office stellt sich auf die Frage, welchen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen der Mitarbeiter untersteht. Einfach und klar sind die Verhältnisse, wenn sich bei einem Home-Office sowohl der Sitz des Unternehmens, der Arbeitsort und das Home-Office des Mitarbeiters in der Schweiz befinden. Dann sind ausschliesslich die einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen der Schweiz anwendbar.

Weiterer Abklärungsbedarf besteht jedoch, wenn sich insbesondere das Home-Office des Mitarbeiters in einem anderen Land befindet und somit ein internationaler Fall vorliegt.

Internationales Home-Office

Die Schweiz hat zahlreiche internationale Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Das Wichtigste in diesem Bereich ist das Abkommen über die Personenfreizügigkeit, welches die Schweiz als EFTA-Mitglied mit den EU-Staaten vereinbart hat. Anders als im Steuerrecht ist im Bereich der Sozialversicherungsabkommen die Staatsangehörigkeit von zentraler Bedeutung. So können sich nur Staatsangehörige der EU / EFTA-Staaten und der Schweiz auf das Freizügigkeitsabkommen bzw. die einschlägigen Verordnungen berufen, nicht aber z. B. ein in der EU wohnhafter Inder oder Iraner.

Ziel dieser Sozialversicherungsabkommen und insbesondere des Freizügigkeitsabkommens mit der EU / EFTA ist die Koordination der Sozialversicherungs-systeme, so dass Personen, die nicht im selben Staat arbeiten und wohnen, oder Personen, die gleichzeitig in mehreren Staaten erwerbstätig sind, nur den Sozialversicherungsvorschriften eines einzigen Staates unterstehen. Grundsätzlich unterliegt ein Arbeitnehmer der Beitragspflicht desjenigen Staates, in welchem er seine Erwerbstätigkeit ausübt (Arbeitsortsprinzip). Dies gilt selbst dann, wenn die Person in einem anderen Mitgliedstaat wohnt.

Staatsangehörige der Schweiz und der EFTA / EU, die in mehreren Staaten eine Erwerbstätigkeit ausüben, unterliegen in der Regel der Sozialversicherungspflicht ihres Wohnsitzstaates, sofern sie dort einen quantitativ erheblichen Teil ihrer Arbeit leisten. Quantitativ erheblich ist die Tätigkeit, wenn dort mindestens 25 Prozent der gesamten Arbeitszeit gearbeitet wird. Wird die 25-Prozent-Grenze nicht erreicht, untersteht der Mitarbeiter den Sozialversicherungsvorschriften desjenigen Staates, in welchem sich der Sitz des Arbeitgebers befindet.

Wenn also ein Schweizer Unternehmen einem deutschen Mitarbeiter erlaubt, an zwei Tagen pro Woche von zu Hause aus in Deutschland im Home-Office zu arbeiten und an drei Tagen vor Ort am Sitz des Unternehmens in der Schweiz, übt der Mitarbeiter rund 40 Prozent seiner Tätigkeit in seinem Wohnsitzstaat Deutschland aus. Entsprechend hat sich das Schweizer Unternehmen bei den deutschen Sozialversicherungsbehörden zu registrieren und die Sozialversicherungsbeiträge für diesen deutschen Mitarbeiter für sein gesamtes Gehalt in Deutschland gemäss den deutschen Sozialversicherungsbestimmungen abzuführen.

Zusammenfassung

In aller Regel wird das Unternehmen am Ort des Home-Office des Mitarbeiters selbst nicht steuerpflichtig. Ein Home-Office kann aber zu einer steuerrechtlich relevanten Betriebsstätte des Unternehmens werden, wenn das Unternehmen den Mitarbeiter anweist, regelmässig von zu Hause aus zu arbeiten und es ihm am Sitz des Unternehmens keinen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung stellt.

In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht hat ein Unternehmen vor allem die internationalen Home-Offices im Auge zu behalten, da das Unternehmen sich unter Umständen, falls der Mitarbeiter an mehr als einem Tag in der Woche im Home-Office arbeitet, im Ausland registrieren und die Sozialversicherungsabgaben für diesen Mitarbeiter dort entrichten muss.

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