Recht

Aktionärs- und Gesellschafter-Rechte

Praktische Umsetzung der neuen Meldepflichten

Die per 1. Juli 2015 eingeführten Meldepflichten für Erwerber von Aktien und GmbH-Stammanteilen haben in der Praxis zu vielen Unsicherheiten geführt. Bei Nichteinhaltung der Meldepflichten drohen harte Sanktionen. In der Praxis bleiben viele Umsetzungsfragen, zu welchen nachfolgend Lösungsansätze aufgezeigt werden sollen.
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Einfache Meldepflicht für jeden Erwerber von Inhaberaktien

Für nicht börsenkotierte Inhaberaktien besteht eine generelle Meldepflicht bei Erwerb. Der Erwerber muss der Gesellschaft seinen Vor- und Nachnamen bzw. seine Firma sowie seine Adresse melden und bekanntgeben, aus welchem Rechtsgrund und wann er wie viele Inhaberaktien erworben hat. Dabei muss er den Besitz der Inhaberaktien nachweisen und sich mit Kopie eines amtlichen Ausweises bzw. eines Handelsregisterauszugs identifizieren. Namens- oder Adressänderungen müssen ebenfalls gemeldet werden.

Die Meldung muss innert Monatsfrist seit dem Erwerb der Aktien erfolgen. Meldepflichtig ist nur der Erwerb von Aktien zu Eigentum oder Nutzniessung, nicht aber die Begründung von Pfandrechten. Der Eigentumserwerb kann durch Aktienkauf oder Schenkung, aber auch durch Zeichnung von Aktien anlässlich der Gründung oder einer Kapitalerhöhung, durch Erbgang, Ehegüterrecht oder Fusion und Spaltung erfolgen.

Qualifizierte Meldepflicht für Erwerber von Inhaberaktien, Namenaktien und Stammanteilen betreffend wirtschaftlich berechtigte Personen

Wer nicht börsenkotierte Inhaberaktien, Namenaktien oder Stammanteile erwirbt und dadurch ein Paket von mindestens 25 Prozent des Gesellschaftskapitals oder aller Stimmrechte hält, muss der Gesellschaft innert Monatsfrist seit dem Eigentumserwerb die natürlichen Personen melden, für die er letztendlich handelt.

Der Erwerber muss der Gesellschaft melden, ob er den Grenzwert von 25 Prozent durch Kapital- oder Stimmrechtsanteile erreicht hat, sowie den Vor- und Nachnamen und die Adresse des oder der natürlichen Personen mitteilen, die an ihm, dem Erwerber, wirtschaftlich berechtigt sind. Dagegen muss er weder nachweisen noch bekannt geben, wie hoch genau die Beteiligung der wirtschaftlich berechtigten Personen an ihm ist. Es müssen auch keine Ausweiskopien der wirtschaftlich Berechtigten deponiert werden. Jede Namens- und Adressänderung der wirtschaftlich Berechtigten muss gemeldet werden, nicht aber die Tatsache, dass eine natürliche Person infolge Reduktion ihrer Beteiligung gar nicht mehr als wirtschaftlich berechtigt gilt.

Wer ist die wirtschaftlich berechtigte natürliche Person?

Das Gesetz enthält eine klare Aussage bezüglich des Schwellenwerts für die Meldepflicht (25 %). Der Gesetzgeber hat es aber verpasst, Klarheit zum Inhalt der Meldung zu schaffen. Ausdrücklich geregelt ist, dass nur natürliche Personen gemeldet werden müssen. Handelt der Erwerber für sich selbst, so kann er der Gesellschaft diese Tatsache melden. Handelt er als Treuhänder für einen Dritten, so muss er den Treugeber (natürliche Person) als wirtschaftlich Berechtigten melden. Komplizierter wird es, wenn mehrstufige Beteiligungen vorliegen, insbesondere bei Holdingstrukturen und Konzernen. Genügt eine beliebige finanzielle Beteiligung am Erwerber für das Auslösen der Meldepflicht? Die Lehre ist sich einig, dass eine solch extensive Auslegung des Gesetzeswortlautes nicht praktikabel ist. Vielmehr müssen nur Personen gemeldet werden, die eine tatsächliche Kontrolle über den Erwerber ausüben, sei dies durch eine qualifizierte Kapital- oder Stimmbeteiligung oder auf andere Weise.

In der Praxis wurden dafür verschiedene Berechnungsmethoden entwickelt, wobei der sogenannte «Multiplikationstest» nach Auffassung des Autors die praktikabelste Methode ist. Danach werden alle Beteiligungsverhältnisse, welche vom Erwerber über alle Stufen der Beteiligungskette nach oben zu natürlichen Personen führen, multipliziert. Ergibt dieser Multiplikationstest eine Beteiligung von mindestens 25 Prozent, so gilt eine natürliche Person als am Erwerber wirtschaftlich berechtigt und muss gemeldet werden. Zusätzlich müssen aber auch Tatsachen und Rechtsverhältnisse berücksichtigt werden, welche einer Person auf andere erkennbare Art und Weise eine Kontrolle über den Erwerber ermöglichen. Dazu gehören insbesondere Aktionärsbindungsverträge, aber auch Darlehensverträge, Eheverträge und familiär bedingte Einflussnahme, wobei jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine entsprechende Kontrolle im Sinne des Gesetzes vorliegt.

Es kann vorkommen, dass weder mit dem Multiplikationstest noch bei Berücksichtigung besonderer Verhältnisse eine wirtschaftlich berechtigte natürliche Person ermittelt werden kann. Dies ist bei Beteiligungsquoten unter dem Schwellenwert, aber auch bei kollektiven Kapitalanlagen oder – je nach rechtlicher Ausgestaltung – bei ausländischen Trusts der Fall.

Ein weitere Ausnahme liegt nach der hier vertretenen Auffassung dann vor, wenn eine der zwischengeschalteten Gesellschaften in der Beteiligungskette börsenkotiert ist oder Bucheffekten führt. In diesem Fall müssen die wirtschaftlich berechtigten Personen nicht gemeldet werden, da die Transparenz aufgrund der Spezialgesetzgebung gewährleistet ist.

Auch wenn der Erwerber keine an ihm wirtschaftlich berechtigte natürliche Person ermitteln kann oder der Meinung ist, dass eine Ausnahme von der Meldepflicht gegeben ist, ist zu empfehlen, der Gesellschaft dennoch eine ausdrückliche Negativmeldung zu erstatten. Damit stellt der Erwerber sicher, dass ihm keine nachteiligen Rechtsfolgen wegen Unterlassung der Meldepflicht drohen.

Führung der Verzeichnisse über die Inhaberaktionäre sowie die gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen

Aufgrund der neuen Meldepflicht für Inhaberaktionäre müssen alle Aktiengesellschaften, die Inhaberaktien ausgegeben haben, neu ein Aktienverzeichnis über ihre Inhaberaktionäre führen. Zusätzlich müssen nun alle Gesellschaften auch ein Verzeichnis der ihnen gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen führen.

Das Inhaberaktionärsverzeichnis und das Verzeichnis der gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen sind so zu führen, dass die Behörden in der Schweiz jederzeit darauf zugreifen können. Aktionäre beziehungsweise Gesellschafter oder Dritte haben kein Einsichtsrecht. Das Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen kann separat ge-führt oder ins Inhaberaktionärsverzeichnis bzw. Namenaktien- oder Stamman-
teilbuch integriert werden. Bei komplexeren Verhältnissen ist eine separate Führung unbedingt zu empfehlen.

Sanktionen bei Nichteinhaltung der Meldepflichten

Erwerber, die ihrer Meldepflicht nicht nachkommen, werden sanktioniert. Diese Sanktionen betreffen einerseits die Mitgliedschaftsrechte, insbesondere das Stimm- und Wahlrecht, aber auch das Auskunfts- und Einsichtsrecht. Andererseits sind auch die Vermögensrechte der Erwerber (Anspruch auf Dividende und Liquidationserlös) betroffen. Leider hat es der Gesetzgeber verpasst, eine klare Formulierung zu verabschieden, wann welche Sanktionen eintreten.

Gemäss der hier vertretenen Auffassung darf der Erwerber seine Mitgliedschaftsrechte bis zum Ablauf eines Monats nach Erwerb uneingeschränkt ausüben. Erst nach Ablauf der Monatsfrist ruhen die Mitgliedschaftsrechte, falls noch keine Meldung erstattet wurde, und zwar bis der Erwerber die Meldepflicht erfüllt hat.

In Bezug auf die Vermögensrechte regelt Art. 697m Abs. 3 OR Folgendes: «Kommt ein Aktionär seinen Meldepflichten nicht innert eines Monats nach dem Erwerb der Aktien nach, so sind die Vermögensrechte verwirkt. Holt er die Meldung zu einem späteren Zeitpunkt nach, so kann er die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte geltend machen.» Für den Gesellschafter einer GmbH gilt das Gleiche. Hat die Generalversammlung während der Säumigkeit eines Erwerbers eine Dividende beschlossen, führt die Verwirkungsfolge dazu, dass der Erwerber diese Dividende nicht erhält, selbst wenn er die Meldung verspätet nachholt. Es bleibt dem Erwerber ab dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs genau ein Monat Zeit für seine Meldung. Danach verliert er alle Vermögensrechte, die während der Zeit entstehen, in der er säumig ist.

Es ist Aufgabe des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft bzw. der Geschäftsführung einer GmbH sicherzustellen, dass keine Unberechtigten, also keine meldepflichtverletzenden Erwerber, an der Generalversammlung teilnehmen oder in den Genuss von Dividendenausschüttungen kommen. Wurden Dividenden an Unberechtigte ausbezahlt, können diese innert fünf Jahren nach Auszahlung zurückgefordert werden. Die Klage auf Rückforderung können sowohl die Gesellschaft als auch die anderen Aktionäre beziehungsweise Gesellschafter, nicht aber die Gesellschaftsgläubiger erheben.

Haben unberechtigte Aktionäre oder Gesellschafter bei den Beschlüssen und Wahlen der Generalversammlung mitgewirkt, sind die entsprechenden Beschlüsse und Wahlen von den anderen Aktionären oder Gesellschaftern anfechtbar. Ebenfalls drohen dem Verwaltungsrat die persönliche und unbeschränkte Haftung infolge einer Verantwortlichkeitsklage sowie strafrechtliche Konsequenzen wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, sofern eine Dividendenausschüttung an eine unberechtigte Person erfolgte. Die gleiche Verantwortlichkeit gilt für die Geschäftsführer der GmbH.

Relevanz der Meldepflichten bei M&A-Transaktionen

Da nahezu alle M&A-Transaktionen den Erwerb von mehr als 25 Prozent der Gesellschaftsanteile mit sich bringen, wird die Meldepflicht praktisch immer ausgelöst. Solange der Erwerb nicht gemeldet wurde, besteht bezüglich der Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Aktionärs oder Gesellschafters Unsicherheit. Dies wiederum bedeutet, dass Generalversammlungsbeschlüsse, die im Rahmen eines Closings gefasst werden, anfechtbar sein können. Hier geht es meistens um Beschlüsse betreffend die Entlastung der ehemaligen Verwaltungsräte oder die Wahl der neuen Organe. Je nachdem, ob die Käuferin die an ihr wirtschaftlich berechtigten natürlichen Personen gegenüber der Verkäuferin offenlegen will, ist zu empfehlen, bestimmte Klauseln in den Kaufvertrag oder in das Protokoll der Generalversammlung aufzunehmen.

Praktische Empfehlungen

Die Pflicht zur Meldung des Erwerbers von Inhaberaktien ist relativ klar geregelt. Komplex ist hingegen die Pflicht zur Meldung der wirtschaftlich berechtigten Personen. Aufgrund der unter Umständen gravierenden Rechtsfolgen, welche eine Verletzung der Meldepflicht auslöst, ist diesbezüglich grosse Vorsicht geboten sowie eine frühzeitige Klärung der Rechtslage angezeigt.

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