Recht

Arbeitsrecht

Personalreglement – die Handschrift jedes Unternehmens

Das Schweizer Arbeitsrecht wird von Gesetzes wegen im Obligationenrecht (OR) geregelt. Eigentlich bräuchte ein Unternehmen also gar keine eigenen Anstellungsbedingungen? Doch, es braucht sie dann, wenn man Bereiche anders oder überhaupt regeln will. Darüber hinaus ist ein Personalreglement Ausdruck der Unternehmenskultur und Spiegel der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden.
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Die Vielfalt von Personalreglementen ist gross. Es gibt kurze, lange, komplizierte, verständliche, sinnvolle, fragwürdige, aktuelle und veraltete. Allgemein hinken Reglemente oft der Unternehmensentwicklung hintendrein. Ein Unternehmen verändert sich, damit auch die Anforderungen an die Arbeitnehmenden sowie an die Beschäftigungsformen. Reglemente sind im Idealfall auf die Unternehmensstrategie abgestimmt und die vertragliche Niederschrift der tatsächlichen Zusammenarbeit. Steht ein Unternehmen vor einer Restrukturierung oder vor einer Neupositionierung und trifft es dabei Entscheidungen, welche direkt auch die Arbeitnehmenden treffen, so müssen die arbeitsrechtlichen Vertragsgrundlagen zwangsläufig überarbeitet werden.

Ausdruck der Kultur

Personalreglemente sagen viel, sehr viel über ein Unternehmen aus. Sie sind die Handschrift, aus der man die Unternehmenspersönlichkeit und -kultur ablesen kann. Das Gesamtbild zählt. So sind nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form, die Sprache und die Art der Inkraftsetzung eines Personalreglements von Bedeutung. Will ein Unternehmen selbstverantwortliche, initiative und agile Mitarbeitende, wird es wohl kaum ein Reglement in der Dicke eines Taschenbuchs besitzen, sondern die Vertragsregeln auf das Wesentliche beschränken. In einem verlässlichen Arbeitsumfeld bleiben auch die Anstellungsbedingungen über einen gewissen Zeitraum bestehen und werden nicht alle paar Monate abgeändert oder ergänzt. Will man ein Reglement überarbeiten oder ein erstes erstellen, so müssen auch dabei die Strategieüberlegungen einfliessen und das Regelwerk auf die Zukunft ausgerichtet sein.

Das sollte geregelt sein

Einer der wichtigsten Punkte, der ein Personalreglement regeln sollte, ist die Frage der Überstunden. Überstunden sind jene wöchentlich gearbeiteten Stunden, die über die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehen. Die nächsthöhere Grenze ist jene der Überzeit, welche das Arbeitsgesetz (ArG) vorgibt. Was mit den geleisteten Stunden zwischen der wöchentlichen Arbeitszeit und der gesetzlichen Höchstarbeitszeit geschehen soll, muss geregelt werden, will man sie nicht zuschlagspflichtig auszahlen. Der Gesetzgeber hat in diesem Bereich grosse Vertragsautonomie offengelassen, diese muss man mit einer schriftlichen Regelung nutzen, ansonsten greift die für Arbeitgeber unvorteilhafte gesetzliche Regelung nach Obligationenrecht.

Ganz allgemein stellt sich die Frage, welches Arbeitszeitmodell ein Unternehmen wählt. Soll allenfalls ein Jahresarbeitszeitmodell eingeführt werden, um Schwankungen der Arbeitsbelastung ausgleichen zu können? Soll Vertrauensarbeitszeit gelten, wonach die Stundenerfassung wegfällt? Immer häufiger werden neue Arbeitsmodelle geschaffen, die verschiedene vertragsrechtliche Fragen aufwerfen. Genau hier ermöglicht ein Personalreglement eine einheitliche klare Regelung, wobei die Neueinführung von zusätzlichen Arbeitsformen nicht allein mit einem Reglement abschliessend erklärt werden kann. Das Reglement bildet immer nur die vertragsrecht­liche Grundlage, Erklärungen und Beispiele müssen aber zusätzlich erfolgen.

Neben dem zentralen Bereich der Arbeitszeit werden in einem Reglement üblicherweise Kündigungsfristen, Ferien, Freitage (z.B. Eheschliessung, Umzug, Tod eines Angehörigen) sowie Krankheit und Unfall geregelt. Kein Reglement, auch nicht ein 100-seitiges, vermag alle Situationen des realen Lebens zu regeln. Daher sollte man nur das Nötigste definieren. KMU haben den grossen Vorteil, dass sie die Arbeitsbedingungen pragmatisch regeln können. Da schauen Grossunternehmen oftmals etwas neidisch zu KMU rüber und wünschten sich nicht selten, abgespeckte Reglemente, die verständlich sind und gelesen werden. Auch lohnt es sich, Reglemente alle paar Jahre zu überprüfen und zu hinterfragen, ob sie so noch richtig sind. Die in der Zwischenzeit aufgekommenen Fragen können dann bei einer Überarbeitung herangezogen und das Reglement in diesen Punkten angepasst werden.

Sinn und Unsinn

Vieles darf und kann ein Arbeitgeber einseitig regeln. Aber gerade an den scheinbar «kleinen» Änderungen entzündet sich oft veritabler Widerstand. Auch wenn die Mitarbeitenden dagegen nicht konkret vorgehen, so muss man sich doch immer fragen, ob die Reglementsänderung zur richtigen Zeit und im richtigen Mass vorgenommen wird. Verständnis hat man wohl mit jenen Mitarbeitenden eines grossen Unternehmens, die sich darüber ärgerten, als ihnen wenige Wochen vor Weihnachten mitgeteilt wurde, ab sofort müsse an Heiligabend ganz normal bis 18 Uhr gearbeitet rsp. ein Ferientag bezogen werden. Jahrzehnte vorher war jeweils um 12 Uhr Feierabend. Spart das Unternehmen dadurch tatsächlich? Oder will man damit religiöse Gleichbehandlung erzielen? Ist das dann der richtige Weg?

Eine akribisch genaue Erarbeitung eines Reglements kann untauglich sein, wenn sie über das Ziel hinausschiesst (obwohl juristisch korrekt) und/oder zum falschen Zeitpunkt erlassen wird. Unvergessen ist der mediale Wirbel um den 40-seitigen Dresscode eines Schweizer Finanzinstituts, der präzis dann publik wurde, als die Finanzkrise ihren Höhepunkt erreicht hatte. Bei der Entwicklung von Anstellungsreglementen muss man sich manchmal regelrecht bremsen. Beginnt man Regelungen zu treffen, findet man immer weitere, die scheinbar ebenfalls dringend nach einer schriftlichen Regelung rufen. Ein Personalreglement soll unter den Mitarbeitenden Klarheit schaffen und gleichzeitig dem Arbeitgeber Flexibilität bieten. Zu detaillierte Regelungen wirken dagegen oft verwirrend und einengend. Sich auf das Wesentliche konzentrieren, das gilt es auch bei der Entwicklung und der Überarbeitung schriftlicher Anstellungsbedingungen.

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