Recht

Bundesgesetz: internationaler automatischer Informationsaustausch in Steuersachen

Neuer Standard weicht Bankgeheimnis weiter auf

Die Schweiz hat sich den OECD-Vorgaben zur Einführung eines globalen Standards zum automatischen Informationsaustausch in Steuersachen gefügt. Die damit verbundene partielle Aufhebung des Bankgeheimnisses gilt ab dem kommenden Jahr. Was das konkret bedeutet, skizziert dieser Beitrag.
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Am 15. Juli 2014 hat der Rat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) den neuen globalen Standard für den internatio­nalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA-Standard) verabschiedet. Die Schweiz hat sich zur Einführung des neuen globalen Standards bekannt und schon für das Jahr 2018, unter Vorbehalt der gesetzgebenden Prozeduren, den ersten Datenaustausch angekündigt.

Zum neuen Standard

Der neue globale Standard sieht vor, dass Finanzinstitute, gewisse kollektive Anlageinstrumente und Versicherungsgesellschaften Finanzinformationen ihrer Kunden sammeln, sofern diese im Ausland steuerlich ansässig sind. Diese Informationen umfassen alle Kapitaleinkommensarten sowie den Saldo des Kontos. Sie werden automatisch, in der Regel einmal jährlich, der Steuerbehörde (in der Schweiz entspricht dies der Eidgenössischen Steuerverwaltung, ESTV) übermittelt. Die Steuerbehörde leitet die Daten an die für den Kunden entsprechend zuständige Steuerbehörde im Ausland weiter. Mit dieser neuen und umfassenden Transparenz soll verhindert werden, dass Steuersubstrat im Ausland vor dem Fiskus geheim gehalten werden kann.

Konsequenzen

Natürlich besteht Reziprozität, die Schweiz hat die entsprechenden Informationen zu liefern, erhält aber ihrerseits Finanzinformationen vom Ausland über die in der Schweiz steuerlich ansässigen Personen mit Kundenbeziehung zu oben genannten ausländischen Instituten. Die recht­liche Umsetzung des neuen globalen Standards erfolgte in der Schweiz unter anderem mit dem Erlass des Bundesgesetzes über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIAG), welches am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist.

Aufhebung des Bankgeheimnisses in Bezug zum Ausland

Das AIAG bewirkt, dass für Personen, welche ihre steuerliche Ansässigkeit im Ausland haben und Finanzbeziehungen zu schweizerischen Banken pflegen, das Bankgeheimnis aufgehoben ist. Der Bankenplatz Schweiz kann somit nicht mehr dazu verwendet werden, Steuersubstrat vor den ausländischen Behörden zu verheimlichen.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Abfluss von Kundengeldern durch das AIAG in Grenzen halten dürfte, da der Prozess der fiskalischen Vergangenheitsbewältigung in der Schweiz bereits seit einiger Zeit begonnen hat. Mit der im Dezember 2009 verabschiedeten und im Februar 2012 konkretisierten Strategie zur Steuerkonformität hat der Bundesrat den Prozess zur Steuertransparenz eingeleitet. Die Schweiz hat in diesem Rahmen Abkommen in Kraft gesetzt, die in der einen oder anderen Form bereits eine (freiwillige) Meldung beziehungsweise eine Steuer- /Datenerhebung für das Ausland vorsehen (Quellensteuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich und Österreich, Fatca-Abkommen mit den USA). Bereits seit 2005 ist zudem das Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU in Kraft, das freiwillige Meldungen erlaubt.

Diese Abkommen haben zusammen mit bankeninternen Bemühungen und den teilweise bestehenden Regularisierungsprogrammen im Ausland zur Folge, dass die Vergangenheitsregularisierung für Personen mit Vermögenswerten in der Schweiz insbesondere aus den massgeblich ausländischen Staaten bereits fortgeschritten ist. Insofern dürfte der Effekt des AIA auf die Finanzbranche und auch auf die Volkswirtschaft zwar spürbar, aber nicht schlagartig sein. Die ökonomischen Auswirkungen des AIA sind zudem im Kontext der aktuellen, erheblichen regulatorischen und wirtschaftlichen Herausforderungen an die Finanzbranche zu sehen.

Umgekehrt eröffnet der automatische
Informationsaustausch auch für den Schweizer Fiskus neue Wege: Artikel 22 Absatz 6 des Bundesgesetzes über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz, StAhiG) sieht vor, dass die Schweiz Amtshilfeersuche zu Bankinformationen nur stellt, soweit diese Informationen nach schweizerischem Recht beschafft werden können. Diese Selbstbeschränkung wurde durch den neuen Absatz 7 anlässlich des Erlasses des AIAG aufgenommen, sodass Absatz 6 nicht in Bezug auf Staaten gilt, von denen die Schweiz Informationen ohne vorgängiges Ersuchen erhalten kann.

Diese Teilaufhebung der Selbstbeschränkung rechtfertigt sich, da die Schweiz von diesen Staaten in Zukunft aufgrund des AIA und des spontanen Informationsaustauschs unaufgefordert Informationen, insbesondere auch Bankinformationen, erhalten wird. In gewissen Fällen werden diese Informationen jedoch nicht ausreichen, um die Steuerpflicht nach Schweizer Recht abschliessend festzulegen. Es werden zusätzliche Informationen notwendig sein, weshalb die Schweizer Steuerbehörden die Möglichkeit erhalten sollen, diese amtshilfeweise zu erfragen.

Beibehaltung des Bankgeheimnisses im Inland – Selbstbeschränkung gemäss Artikel 15 Absatz 5 AIAG

Das Inkrafttreten des AIAG hat keine direkten Folgen für das Bankgeheimnis im Inland. Die Regeln zur Beschaffung von Bankinformationen im Inland zur Anwendung sowie zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts werden nicht geändert.

Allerdings übermitteln meldende schweizerische Finanzinstitute der ESTV nach Artikel 15 Absatz 1 AIAG die im anwendbaren Abkommen festgehaltenen Informationen. Dabei handelt  es sich um Informationen betreffend meldepflichtige Personen, die in einem der Partnerstaaten, mit denen die Schweiz den AIA eingeführt hat, steuerlich ansässig sind. Es besteht indes die Möglichkeit, dass gewisse dieser meldepflichtigen Personen gleichzeitig auch in der Schweiz steuerlich ansässig sind. Beispiele:

  1. Person A, eine natürliche Person, hat ihren ständigen Wohnsitz in Land X und gilt aufgrund der dort lokalen Regelungen in Land X als steuerlich ansässig. A hält sich beruflich während des Jahrs mehr als sechs Monate in Land Y auf. Während dieser Zeit wohnt A in einem Hotel. Trotzdem wird A aufgrund der Länge seines Aufenthalts gemäss den lokalen Regelungen in Land Y dort als steuerlich ansässig betrachtet. Da zwischen Land X und Land Y kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht, gilt A in beiden Staaten als steuerlich ansässig.
  2. Die Z AG hat ihren statutarischen Sitz in Land X, der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet sich aber in Land Y. Gemäss den lokalen Regelungen in Land X gilt ein Rechtsträger als steuerlich ansässig, wenn er seinen Sitz im Land X hat. Unter den lokalen Regelungen in Land Y gilt der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung als relevanter Anknüpfungspunkt für eine steuerliche Ansässigkeit. Sowohl Land X wie auch Land Y betrachten die Z AG aufgrund ihrer jeweiligen lokalen Regelungen als steuerlich ansässig. Da zwischen Land X und Land Y kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht, gilt die Z AG in beiden Staaten als steuerlich ansässig.

Ein weiterer Fall, in dem die ESTV vom meldenden schweizerischen Finanzinstitut Bankinformationen aufgrund der Anwendung des AIAG erhalten kann, liegt vor, falls beispielsweise zwei Personen aufgrund einer Erbschaft Gesamteigentümer von Vermögenswerten werden, welche ein meldepflichtiges Finanzinstitut verwaltet und einer dieser Gesamteigentümer in einem der Partnerstaaten, mit denen die Schweiz den AIA eingeführt hat, steuerlich ansässig ist. Es genügt, dass ein Kontoinhaber im Ausland steuerlich ansässig ist, damit das Finanzinstitut bezüglich dieser Person meldepflichtig wird. In den vorgenannten Fällen könnten die von einem meldenden schweizerischen Finanzinstitut an die ESTV übermittelten Informationen auch für die Anwendung und Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts von Interesse sein.

Um zu gewährleisten, dass das Bankgeheimnis im Inland durch diese Vorlage nicht tangiert wird, bestimmt Artikel 15 Absatz 5 AIAG, dass die nach Artikel 15 Absatz 1 an die ESTV übermittelten Informationen zur Anwendung und Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts nur weiterverwendet werden dürfen, wenn sie nach schweizerischem Recht hätten beschafft werden können. Dies ist nach geltendem Recht der Fall in Steuerstrafverfahren, welche nach dem Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; betrifft Straftaten betreffend die Verrechnungssteuer, die Stempelabgaben, die Mehrwertsteuer sowie be­sondere Steueruntersuchungen nach Arti­kel 190 ff. des Bundesgesetzes vom 14. Dezem­ber 1990 über die direkte Bundes­steuer [DBG]) oder nach der Straf­prozess­ordnung (Steuervergehen nach Artikel 186 und 187 DBG) geführt werden. Die «einfache» Steuerhinterziehung bleibt im Inland somit weiterhin vom Bankgeheimnis geschützt.

Ausblick

Bereits in der Vernehmlassung zum AIAG forderten einige Kantone die Aufhebung der Bestimmung, welche die Verwertung von amtshilfeweise erhobenen sowie ins Ausland übermittelten Bankinformationen zulässt, die nach schweizerischem Recht nicht hätten beschafft werden können. Dies mit der Begründung, dass die Aufrechterhaltung dieser Bestimmungen vor dem Hintergrund der Einführung des AIA nicht nachvollziehbar sei.

Tatsache ist, dass eine Ungleichbehandlung zwischen der in der Schweiz steuerlich ansässigen Personen und der im Ausland steuerlich ansässigen Personen in Bezug auf das Bankgeheimnis besteht.

Wie lange sich diese Art der Ungleichbehandlung aufrechterhalten lässt, ist auch aufgrund der steigenden Geldsorgen bei den Kantonen fraglich. Richtungsweisend wird hierbei mit Sicherheit die Abstimmung über die Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Schutz der Pri­vat-
s­phäre» sein.