Recht

Produktesicherheitsgesetz

Neue Pflichten als strategische Herausforderung

Am 1. Januar 2012 ist in der Schweiz die Übergangsfrist für das Inverkehrbringen von Produkten abgelaufen, welche die Anforderungen an das am 1. Juli 2010 in Kraft getretene Produktesicherheitsgesetz (PrSG) noch nicht erfüllen. Was dies konkret für die Hersteller bedeutet, zeigt folgender Beitrag.
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Seit Ablauf der Übergangsfrist dürfen nur noch Produkte in Verkehr gebracht werden, welche den Anforderungen des PrSG entsprechen. Neuerungen für die Hersteller bringen insbesondere die umfangreichen Nachmarktpflichten.

Inverkehrbringen von Produkten

  • Das PrSG ersetzt das frühere Bundesgesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG) und hat zum Zweck, die Sicherheit von Produkten zu gewährleisten und den grenzüberschreitenden Warenverkehr durch eine Angleichung an das EU-Recht zu erleichtern. Als zentraler Erlass ist das PrSG anwendbar auf alle in der Schweiz produzierten oder ins Land importierten Produkte.
  • Durch das PrSG verpflichtet wird der Inverkehrbringer eines Produktes. Darunter fällt neben dem Hersteller auch der Importeur, der Händler oder der Vertreter eines ausländischen Herstellers.
  • Die Hauptpflicht des Inverkehrbringers besteht darin, nur Produkte in den Verkehr zu bringen, welche bei normaler oder vernünftigerweise voraussehbarer Verwendung die Gesundheit der Verwender und Dritter nicht oder nur geringfügig gefährden. Allein diese Bestimmung enthält diverse auslegungsbedürftige Begriffe. Woran kann sich ein Hersteller in Bezug auf die Sicherheit seiner Produkte orientieren? Zunächst ist zu prüfen, ob in Bezug auf ein bestimmtes Produkt ein bundesrechtlicher Spezialerlass existiert, welcher die Sicherheit von spezifischen Produkten regelt, wie beispielsweise das Lebensmittelgesetz, die Maschinenverordnung oder die Spielzeugverordnung. Ist dies nicht der Fall, muss der Hersteller auf den Stand des Wissens und der Technik zum Zeitpunkt der Inverkehrsetzung des Produktes abstellen. Hierbei können Branchenverbände oder Fachstellen beratend beigezogen werden.
  • Auch der vernünftigerweise vorhersehbare Gebrauch eines Produktes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Der Hersteller ist gehalten, diesen Begriff von sich aus in Zusammenhang mit seinem Produkt zu bringen, indem er die Gefahren, welche von seinem Produkt ausgehen oder ausgehen könnten, definiert und die entsprechenden Vorkehrungen zur Gefahrenabwehr trifft. Dabei hat der Hersteller auch den vorhersehbaren Fehlgebrauch in seine Überlegungen einzubeziehen.
  • Eine grosse Bedeutung kommt sodann der Darbietung des Produktes zu. Darunter versteht das Gesetz Kennzeichnung, Aufmachung, Verpackung, Warn- und Sicherheitshinweise, Gebrauchs- und Bedienungsanleitung sowie alle sonstigen produktbezogenen Angaben oder Informationen. Der Verwender des Produktes muss über mögliche Gefahren in seiner Landessprache
    informiert werden. Während bei wenig gefährlichen Produkten eine einfache Gebrauchsanleitung bereits genügt, müssen bei Produkten, welche Leib und Leben der Anwender gefährden können, konstruktive Massnahmen getroffen und Warnhinweise angebracht werden. Immerhin bleibt das Lesen der Produktinformationen eine Pflicht des Verwenders.

Nachmarktpflichten

  • Wesentliche Neuerungen bringt das PrSG im Bereich der Konsumprodukte mit der Einführung sogenannter Nachmarktpflichten. Darunter fallen angemessene Massnahmen, um während der angegebenen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Gebrauchsdauer des Produktes Gefahren zu erkennen und diese abzuwenden. Dies verlangt vom Hersteller oder Importeur eine permanente und proaktive Produkt- und Marktbeobachtungstätigkeit. Weiter verpflichtet das Gesetz den Inverkehrbringer zur Entgegennahme und sorgfältigen Prüfung von Beanstandungen und nötigenfalls zur Durchführung von Stichproben, um die Beanstandungen zu verifizieren. Im Weiteren trifft den Inverkehrbringer auch eine Meldepflicht an die zuständige Vollzugsbehörde, wenn Grund zur Annahme besteht, dass sein Produkt fehlerhaft ist oder sein könnte.
  • Stellt sich ein Produkt als unsicher im Sinne des Gesetzes heraus, muss der Inverkehrbringer in der Lage sein, umgehend die notwendig erscheinenden Massnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Diese können von einer einfachen Warnung bis zur Rücknahme des Produktes reichen. Der Inverkehrbringer muss somit von Gesetzes wegen in der Lage sein, die von ihm in Verkehr gebrachten Produkte zurückverfolgen zu können.
  • Entscheidend ist, dass der Hersteller umgehend alle relevanten Informationen über ein Produkt liefern kann. Dies bedingt, dass diese Informationen greifbar sein müssen. Es genügt nicht, sich erst nach Inverkehrbringen des Produktes – oder gar erst nach Eintreten eines Schadenfalls – mit dem Thema Sicherheit zu beschäftigen.

Konformitätserklärung

  • Wer ein Produkt in Verkehr bringt, muss von Gesetzes wegen nachweisen können, dass es die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllt. Mit der Konformitätserklärung bestätigt der Inverkehrbringer, dass er eine Konformitätsbewertung korrekt durchgeführt hat. Es handelt sich dabei um eine gesetzlich vorgeschriebene Selbstdeklaration, welche vom Hersteller oder seinem in der Schweiz niedergelassenen Vertreter basierend auf seiner Risikoanalyse ausgestellt wird.

Occasionsprodukte

  • Das Inverkehrbringen eines gebrauchten Produktes ist grundsätzlich auch vom Geltungsbereich des PrSG erfasst, vorausgesetzt das Produkt ist verwendungsbereit und muss nicht zuerst instand gesetzt werden. Anwendbar sind die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen im Zeitpunkt des ersten Inverkehrbringens in der Schweiz. Wird ein Occasionsprodukt vom Ausland in die Schweiz importiert, so gilt der Zeitpunkt des Imports als erstes Inverkehrbringen, womit das Produkt den aktuell geltenden Sicherheitsanforderungen zu entsprechen hat. Zu beachten ist jedoch, dass ein wiederaufbereitetes, gebrauchtes Produkt, das nach der Wiederaufbereitung wesentlich veränderte Sicherheitseigenschaften aufweist, als neues Produkt gilt, das ebenfalls den aktuell geltenden An­forderungen entsprechen muss. Spezielle Regelungen gelten hierbei in Bezug auf gebrauchte Maschinen.

Produktesicherheit in der EU

  • In Europa regelt die Richtlinie 2001/95/EG über die allgemeine Produktesicherheit die Sicherheit von Produkten, welche im Europäischen Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind verpflichtet, diese Richtlinie in nationales Recht zu überführen (in Deutschland geschah dies beispielsweise mit dem Geräte- und Produktesicherheitsgesetz, in Österreich mit dem Produkte­sicherheitsgesetz).
  • Ein Hersteller aus der Schweiz, der ein Produkt im Europäischen Binnenmarkt in Verkehr setzt, hat die im Abnehmerland geltenden Erlasse zur Produktesicherheit zu beachten und seine Produkte mit der CE-Kennzeichnung zu versehen.

Eine strategische Aufgabe

  • Der herrschenden Null-Risiko-Erwartungshaltung der Konsumenten können sich die Unternehmen nicht entziehen. Insofern ist das Gesetz auch Ausdruck eines Zeitgeistes. Dass all die vorstehend beschriebenen Pflichten je nach Produkt einen beträcht­lichen finanziellen und organisatorischen Aufwand verursachen, der für manche Firma zu einer grossen Belastung werden kann, interessiert den Konsumenten oder Verwender nicht; dieser will sich einfach darauf verlassen können, dass die Produkte sicher sind.
  • Durch das PrSG werden die Produkte nicht automatisch sicherer. Sicher ist aber, dass sich die Haftungsrisiken für die durch das Gesetz verpflichteten Firmen und Personen erhöhen, wenn die gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt werden. In einem Schadenfall muss der Hersteller beispielsweise nachweisen können, dass sein Produkt im Zeitpunkt des Inverkehrbringens dem Stand des Wissens und der Technik entsprochen hat. Im Weiteren enthält das Gesetz auch Strafbestimmungen bei vorsätzlicher oder fahr­lässiger Nichteinhaltung der gesetzlichen Anforderungen.
  • In diesem Zusammenhang kommt der öffentlichen Wahrnehmung immer grössere Bedeutung zu, weil sich diese durch die rasche Entwicklung der Online-Medien viel stärker und schneller als früher beeinflussen lässt. Negative Meldungen über ein Produkt – beispielsweise bei einer Rückrufaktion – werden flächendeckend und in Windeseile publiziert. Wer im Krisenfall in der Lage ist, rasch zu informieren und zu reagieren, um Schaden von den Verwendern abzuwenden, bringt sich in Bezug auf allfällige Haftungsfolgen und in Bezug auf die Steuerung der öffentlichen Wahrnehmung in eine vorteilhaftere Position. Im Schadenfall wirkt es beispielsweise peinlich, wenn der Hersteller einer Maschine keine schriftliche Risikoanalyse vorweisen kann.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Thema Produktesicherheit eindeutig eine strategische Aufgabe ist, welche bei der Entwicklung eines Produktes beginnt und erst bei dessen Entsorgung endet. Risikoanalysen müssen bereits im Rahmen der Produktentwicklung erstellt und laufend ergänzt werden. Nur so ist der Inverkehr­bringer überhaupt in der Lage, die notwendig erscheinenden Massnahmen in Bezug auf die Darbietung des Produktes und die Einhaltung der Nachmarktpflichten, ins­besondere ein Produktbeobachtungs- und Beschwerdemanagement, rechtzeitig treffen zu können. Dies steht zwar so nicht im Gesetz, aber es ist die logische Konsequenz aus den zahlreichen Pflichten, welche das Gesetz dem Hersteller auferlegt.

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