Recht

Nachrichtendienstgesetz

Neue Gesetze für die staatliche Überwachung

Das Bundesgesetz zur die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) soll revidiert werden. Dabei geht es vor allem um die Überwachung von Personen, gegen die ein dringender Verdacht auf Begehung einer schweren Straftat besteht. Als Ergänzung soll ein neues Nachrichtendienstgesetz (NDG) den Nachrichtendienst des Bundes NDB zeitgemäss regeln.
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Bei den heutigen technischen Möglichkeiten können auch unbescholtene Personen oder Unternehmen ins Visier der staatlichen Überwachung geraten. Und die Gesetzesrevisionen von NDG sowie BÜPF würden die Geschäftsleitungen dazu zwingen, ihre Geschäftspartner und Korrespondenzkontakte sorgfältiger als früher auszusuchen sowie zu überprüfen. Wenn eine Kontaktperson in Verdacht gerät, würde eine Firma nach momentan geltendem Recht nicht unbedingt ins Visier der staatlichen Verbrechensbekämpfung geraten. Nach den neuen Gesetzen aber schon, zum Beispiel weil es möglich würde, die Mailkontakte der beobachteten Person zu erfassen.

Daten-Kontrolle

Das revidierte BÜPF gilt für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs für Strafverfahren und zum Vollzug eines Rechtshilfeersuchens sowie für die Suche nach vermissten Personen und für die Fahndung nach Personen, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden.

Nach BÜPF wird eine Organisation, im Gesetz als «Dienst» bezeichnet, siehe Kasten, zur Datenverarbeitung beauftragt. Dieser Dienst, die anordnenden Behörden, die Genehmigungsbehörden sowie die Anbieter von Post- und Fernmeldediensten dürfen diejenigen Personendaten – einschliesslich besonders schützenswerter Personendaten und Persönlichkeitsprofile – bearbeiten, die sie benötigen, um Überwachungen anzuordnen, zu genehmigen sowie durchzuführen (BÜPF Art. 4).

Nach dem noch geltenden Recht muss erst überprüft werden, ob die Überwachung eine, gemäss dem anwendbaren Recht überwachungsfähige, Straftat betrifft und ob sie von der zuständigen Behörde angeordnet worden ist (BÜPF Art. 11). Im neuen Recht findet man eine entsprechende Bestimmung im Nachrichtendienstgesetz. Überwachungen des Post- und Fernmeldeverkehrs nach dem BÜPF müssen vom Bundesverwaltungsgericht genehmigt werden (NDG Art. 26). Nach dem neuen BÜPF Art. 8 kann das Verarbeitungssystem des «Dienstes» folgende Daten enthalten:

  • den Inhalt des Fernmeldeverkehrs der überwachten Person,
  • die Daten, aus denen hervorgeht, mit wem, wann, wie lange und von wo aus die überwachte Person Verbindung hatte, sowie die technischen Merkmale der entsprechenden Verbindung (Randdaten des Fernmeldeverkehrs),
  • Angaben über Fernmeldedienste,
  • die Daten, insbesondere Personendaten, die der Dienst für die Geschäftsabwicklung und -kontrolle benötigt.

 

Rechte überwachter Personen

Wenn Daten im Rahmen eines Strafverfahrens oder im Rahmen des Vollzugs eines Rechtshilfeersuchens gesammelt wurden, richtet sich das Akteneinsichtsrecht und das Auskunftsrecht

  • beim hängigen Verfahren nach dem anwendbaren Verfahrensrecht,
  • nach Abschluss des Verfahrens nach dem Datenschutzgesetz (DSG),
  • bei kantonalen Behörden nach kantonalem Recht.

Die von einer Überwachung betroffene Person kann ihre Rechte gegenüber der für das Verfahren zuständigen Behörde geltend machen. Der Bundesrat regelt, auf welche Art diese Rechte gewährt werden und hat dabei die Parteienrechte zu garantieren.

Für die im Rahmen eines Strafverfahrens gesammelten Daten gilt für die Aufbewahrungsfrist das anwendbare Strafverfahrensrecht. Die im Rahmen des Vollzugs eines Rechtshilfeersuchens oder für die Suche nach einer vermissten Person gesammelten Daten sind im Verarbeitungssystem so lange aufzubewahren, wie es für das verfolgte Ziel erforderlich ist, längstens aber 30 Jahre nach Abschluss der Überwachung (BÜPF Art. 11).

Pflichten der IT-Dienstleister

Im BÜPF wurde genauer definiert, wer Mitwirkungspflichten hat (BÜPF Art. 2), nämlich Anbieter von Post- und Fernmeldediensten, Betreiber von internen Fernmeldenetzen, Personen, die ihren Zugang zu einem öffentlichen Fernmeldenetz Dritten zur Verfügung stellen und professionelle Wiederverkäufer von Karten und ähnlichen Mitteln, die den Zugang zu einem öffentlichen Fernmeldenetz ermöglichen. Weiter beschreibt das BÜPF die Verpflichtungen dieser Organisationen.

Die Anbieter von Fernmeldediensten müssen jederzeit in der Lage sein, gemäss dem anwendbaren Recht die von den zuständigen Behörden verlangten Auskün-fte zu erteilen (BÜPF Art. 26 – 30). Der Bundesrat sowie das Justizdepartement erlässt entsprechende Verordnungen und technische Vorschriften. Die Kosten der Einrichtungen, die für die Erfüllung der Pflichten nach diesem Gesetz benötigt werden, gehen zulasten der Mitwirkungspflichtigen (BÜPF Art. 38).

Die Mitwirkungspflichtigen erhalten vom Dienst eine angemessene Entschädigung für die Kosten der einzelnen Überwachung. Die Anbieter von Fernmeldediensten müssen die anfallenden Kosten übernehmen, wenn sie ihre Pflichten nicht wahrnehmen können oder wollen und diese deshalb dem Dienst oder Dritten übertragen werden müssen. Sofern keine schwerere strafbare Handlung nach einem anderen Gesetz vorliegt, kann mit Busse bis zu 100 000 Franken bestraft werden (BÜPF Art. 39), wer vorsätzlich:

  • einer vom Dienst unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn gerichteten Verfügung nicht fristgemäss nachkommt,
  • der Pflicht zur Aufbewahrung der Daten nicht nachkommt,
  • der Pflicht, bei der Aufnahme des Kundenverhältnisses die vorgeschriebenen Kundendaten aufzunehmen und gegebenenfalls weiterzuleiten, nicht nachkommt,
  • die Überwachung gegenüber Dritten nicht geheim hält.

Betreffend die Revision des BÜPF wurde das Referendum ergriffen mit der Begründung, dass solche Massnahmen unverhältnismässig seien. Sowohl Studien wie Erfahrung zeigen, dass präventive und anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht geeignet ist, die Aufklärungsquote von Delikten zu erhöhen oder Verbrechen wie Terroranschläge zu verhindern. Hinzu kommt, dass viele IT-Dienstleister gar nicht in der Schweiz aktiv sind und deswegen vom Gesetz nicht erfasst werden. Die Referendumsfrist dauert bis zum 7. Juli 2016.

Datenbeschaffung des NDB

Das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) soll Tätigkeit, Auftrag und Kontrolle des Nachrichtendienstes zeitgemäss regeln. Betreffend NDG ist ein Referendum zustande gekommen. Die Informationsbeschaffung des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) dient besonders dem frühzeitigen Erkennen und Verhindern von Bedrohungen der inneren oder äusseren Sicherheit, zum Beispiel durch Terrorismus oder Angriffe auf Infrastrukturen, die für das Funktionieren der Gesellschaft notwendig sind (siehe Box).

Das NDG definiert den Verbund von Informationssystemen, den der NDB zur Erfüllung seiner Aufgaben betreibt. Das neue Gesetz bietet einen Überblick über die Informationssysteme des NDB und legt ihre Aufgaben fest (NDB Art. 46). Jeder Kanton bestimmt eine kantonale Vollzugsbehörde und sorgt dafür, dass diese die Aufträge des NDB ohne Verzug durchführen kann. Der NDB wird vom Bundesrat und der parlamentarischen Oberaufsicht kontrolliert.

Geheime Überwachung

Der NDB kann von jeder Person Meldungen entgegennehmen und durch schriftliche oder mündliche Anfrage gezielt Informationen einholen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Nach dem neuen Nachrichtendienstgesetz kann der NDB Personendaten sammeln, ohne dass dies für die betroffenen Personen erkennbar ist, und zwar in öffentlich und nicht öffentlich zugänglichen Informationsquellen. Zu wählen ist dabei die geeignetste Beschaffungsmassnahme und diejenige, die am wenigsten in die Grundrechte der betroffenen Personen eingreift.

Bestimmte Datenbeschaffungsmassnahmen sind genehmigungspflichtig (NDB Art. 26), namentlich die Überwachungen des Post- und Fernmeldeverkehrs nach dem BÜPF. Weiter muss der Einsatz von Ortungs- und Überwachungsgeräten an nicht allgemein zugänglichen Orten bewilligt werden sowie das Eindringen in Computersysteme und das Durchsuchen von Räumlichkeiten, Fahrzeugen oder Behältnissen. Auch diese Massnahmen werden verdeckt durchgeführt; die betroffene Person wird darüber nicht in Kenntnis gesetzt. Für die Genehmigung ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Der NDB darf laut Gesetz keine Informationen über die politische Betätigung und über die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit in der Schweiz sammeln, wobei sich die Frage stellt, wie das praktisch durchführbar ist. Eine Ausnahme gilt dann, wenn jemand plant, Gewalttaten oder terroristische Aktionen vorzubereiten oder durch-
zuführen.

Eingeschränktes Auskunftsrecht

Der NDB teilt der überwachten Person nach Abschluss einer Recherche innerhalb eines Monats Grund, Art und Dauer der Überwachung mit genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen mit. Er kann die Mitteilung aufschieben oder von ihr absehen, zum Beispiel um eine laufende Beschaffungsmassnahme oder ein laufendes rechtliches Verfahren nicht zu gefährden. Nach NDG dürfen Daten höchstens zehn Jahre aufbewahrt werden (NDG Art. 57).

Für die betroffenen Personen besteht zwar ein Auskunftsrecht betreffend die über sie gesammelten Daten. Dieses kann aber aufgeschoben werden, wenn und soweit begründete Interessen an einer Geheimhaltung bestehen. Die betreffende Person hat das Recht beim Eidgenös­sischen Datenschutz- sowie Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), allenfalls vom Bundesverwaltungsgericht, eine Überprüfung zu verlangen, ob allfällige Daten rechtmässig bearbeitet werden und ob überwiegende Geheimhaltungsinteressen den Aufschub rechtfertigen.

Ausländische Behörden

Nachrichtendienste dienen primär den nationalen Interessen der einzelnen Länder. Im Bereich des Nachrichtendienstes gibt es im Moment keine völkerrechtlich bindenden Verträge. Trotzdem arbeitet der NDB mit Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden in zahlreichen Ländern zusammen, zum Beispiel in den Bereichen der Abwehr von Terrorismus und Spionage.

Der NDB kann nach dem neuen NDG ausländischen Sicherheitsbehörden Personendaten in Abweichung von den datenschutzrechtlichen Bestimmungen weitergeben, unter anderem, wenn dies zur Wahrung eines überwiegenden öffent­lichen Interesses wie der Verhinderung oder Aufklärung eines auch in der Schweiz strafbaren Verbrechens oder Vergehens notwendig ist. Verlangt werden ausreichende Garantien zum Schutz der betroffenen Person.

Staatliche Überwachungsdienste

Der Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) wird nach geltendem Recht von den Strafverfolgungsbehörden der Kantone und des Bundes im Rahmen eines laufenden Strafverfahrens oder beim Vollzug eines Rechtshilfeersuchens mit der Durchführung von Überwachungsmassnahmen beauftragt. Die Massnahmen werden von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden angeordnet.

Auch gemäss dem revidierten BÜPF soll der Bund eine im Gesetz als «Dienst» bezeichnete Organisation für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs beauftragen, die ihre Aufgaben selbstständig erfüllt (BÜPF Art. 3).

Der Dienst gewährt der Behörde, welche die Überwachung angeordnet hat oder der später die Verfahrensleitung obliegt, und den von ihr bezeichneten Personen im Abrufverfahren Zugriff auf die im betreffenden Verfahren gesammelten Daten (BÜPF Art. 9). Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist eine Organisation, die Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln beschafft, analysiert, auswertet und verbreitet. Der NDB verfolgt die Bedrohungslage, erstellt Beurteilungen und alarmiert und warnt bei sich abzeichnenden Krisen bzw. aussergewöhnlichen Entwicklungen. Sämtliche Aufgaben müssen vom NDB rechtmässig und verhältnismässig ausgeübt werden und unterliegen der Kont-rolle durch das VBS, den Bundesrat sowie die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments.

Nach geltender Rechtslage werden die Aufgaben und Tätigkeiten des NDB durch mehrere Gesetze geregelt, die nicht mehr als zeitgemäss gelten. Sie sollen durch das neue Nachrichtendienstgesetz abgelöst werden. Der Artikel 46 des neuen NDG definiert den Verbund von Informationssystemen, den der NDB zur Erfüllung seiner Aufgaben betreibt, und legt ihre Aufgaben fest. Jeder Kanton bestimmt eine kantonale Vollzugsbehörde und sorgt dafür, dass diese die Aufträge des NDB ohne Verzug durchführen kann. Der NDB wird vom Bundesrat sowie der parlamentarischen Oberaufsicht kontrolliert.