Recht

Unternehmensrecht

Möglichkeiten und Grenzen des Aktionärbindungsvertrages

Der Aktionärbindungsvertrag (ABV) ist in der Schweiz weitverbreitet und von grosser Bedeutung, denn im schweizerischen Aktienrecht orientieren sich die Rechte des Aktionärs weitgehend nur an seinem Kapital­einsatz. Zwar sieht auch das Gesetz einzelne Möglichkeiten einer stärker auf die Person bezogene Ausgestaltung des Aktionariats vor, doch sind diese Möglichkeiten, zumindest bei der Aktiengesellschaft, klar begrenzt.
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Wünschen die Aktionäre die Regelung konkreter, personenbezogener Rechte und Pflichten, so kommen sie nicht darum herum, untereinander einen ABV abzuschliessen. Ein ABV eröffnet so den Aktionären viele Möglichkeiten, welche ihnen das Aktienrecht als solches nicht gibt, doch gibt es auch Grenzen, die auch mithilfe eines ABV nicht überwunden werden können.

Übliche Regelungsinhalte

Inhaltlich sind bei einem ABV verschiedenste Regelungen denkbar, denn es gilt Vertragsautonomie, das heisst, die Parteien eines ABV können dessen Inhalt grundsätzlich frei festlegen. Eine konkrete gesetzliche Regelung zum ABV existiert nicht. Dies ist auch der Grund dafür, dass vertragliche Regelungen unter Aktionären nicht zwingendermassen als ABV bezeichnet werden, sondern beispielsweise auch als Poolvertrag, Gesellschaftervertrag, Partnerschaftsvertrag oder Aktionärskonsortium.

Welches sind nun typische Regelungsinhalte, welche sich oftmals in einem ABV finden?

  • Aktienübertragungen/Verfügungsbeschränkungen

Eines der wichtigsten Anliegen ist oftmals, dass die Aktien einer AG nicht in fremde oder unerwünschte Hände geraten können. Erwünscht ist vielfach auch eine Regelung, welche es erlaubt, Aktien im Eigentum eines nicht mehr erwünschten Kleinaktionärs diesem zu entziehen. In einem ABV werden solche Bedürfnisse mittels der Formulierung von Vorhandrechten, Vorkaufsrechten, Kaufsrechten, Put-/Call-Optionen, Mitverkaufsrechten oder Mitverkaufspflichten geregelt. Hierbei ist insbesondere auch die genaue Festlegung der bei solchen Transaktionen geltenden Kaufpreisbestimmungen von grosser Bedeutung.

  • Stimmbindungen

Die Parteien eines ABV legen hierbei bereits im Voraus zu künftigen Generalversammlungen oder Verwaltungsratssitzungen fest, wie sie ihr Stimmrecht auszuüben haben (z.B. Ausschüttung einer Mindestdividende oder Pflicht zur Wahl von bestimmten Personen in den Verwaltungsrat).

  • Zusammensetzung des Verwaltungsrates

Mittels eines ABV kann festgelegt werden, wer Anspruch auf einen Sitz im Verwaltungsrat hat. Einen solchen Anspruch kann dann beispielsweise auch einem Kleinaktionär eingeräumt werden.

  • Treuepflichten und Konkurrenzverbote

Das Gesetz sieht Treuepflichten gegenüber der AG nur für Verwaltungsräte und Geschäftsführer vor, nicht jedoch für Aktionäre. Mittels entsprechender Regelungen in einem ABV können auch Aktionäre verpflichtet werden, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, um dadurch beispielsweise die AG nicht zu schädigen oder zu konkurrenzieren.

  • Sicherungsmittel des ABV

Um die in einem ABV getroffenen Regelungen auch möglichst gut abzusichern und sie im Bedarfsfall auch durchzusetzen, werden häufig Sicherungsmittel wie Konventionalstrafen oder die Hinterlegung der ausgegebenen Aktien bei einer sicheren und unabhängigen Stelle vereinbart.

Grenzen des ABV

Mit einem ABV lassen sich, obwohl wie erwähnt vieles möglich ist, dennoch nicht alle denkbaren Probleme zwischen Aktionären aus dem Weg räumen. Ganz generell lässt sich sagen, dass auch mit einem ABV keineswegs das Risiko von Streitigkeiten beseitigt ist. Überall wo gegenläufige Interessen und unterschiedliche Auffassungen vorhanden sind, besteht die Gefahr, dass die betroffenen Parteien versuchen, ihre Position zu stärken, auch wenn hierzu der gerichtliche Weg beschritten werden muss. Da nützt in vielen Fällen auch das Vorhandensein eines ABV nichts oder unklare Regelungen in einem ABV erhöhen gar das mögliche Streitpotenzial.

Aber auch verschiedene Einzelprobleme lassen sich mit einem ABV nicht oder nur in unbefriedigender Weise regeln:

  • Wirkung nur unter den Vertragsparteien

Ein ABV bindet nur die Aktionäre, welche den ABV miteinander abgeschlossen haben, nicht jedoch etwa die Gesellschaft. Verletzt nun eine Vertragspartei den ABV, so können zwar die anderen Vertragsparteien gegen die vertragsverletzende Partei Klage erheben, gegen die Gesellschaft selbst kann jedoch nicht vorgegangen werden. Wenn also beispielsweise anlässlich der Beschlussfassung an einer Generalversammlung ein Aktionär gegen Stimmbindungsregelungen eines ABV verstösst, dann muss die Gesellschaft Abstimmungen so gelten lassen, wie Stimmen abgegeben wurden, selbst wenn dabei ein ABV verletzt wurde.

  • Patt-Situationen

Für Patt-Situationen (Abstimmungsergebnis 50 % zu 50 % und gleichzeitig kein Stichentscheid vorgesehen) können in einem ABV bestimmte Mechanismen vorgesehen werden, wie in solchen Situationen vorgegangen werden soll. So kann beispielsweise geregelt werden, dass ein im Voraus bezeichneter Dritter als Schiedsrichter oder Vermittler amtet oder als ultima ratio wird ein Versteigerungsverfahren vorgesehen, welches letztlich dazu führen soll, dass eine Vertragspartei von einer anderen deren Aktien übernehmen kann. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass solche Lösungsansätze entweder gar nicht vereinbart werden können, da man sich schon gar nicht auf entsprechende Klauseln einigen kann, oder dass zwar Lösungen vereinbart werden, diese in ihrer Umsetzung jedoch aufwendig und teuer sind und letztlich für die involvierten Vertragsparteien gleichwohl nur zu unbefriedigenden Ergebnissen führen.

Dauer des ABV

Aktionäre haben vielfach das Bedürfnis, ihre Beziehung zu anderen Aktionären in einem ABV auf möglichst lange Dauer festzusetzen. Sie möchten sich ihre Rechte wenn möglich auf immer sichern. Ewige Verträge sind gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts jedoch nicht zulässig, spätestens nach ca. 25 Jahren muss ein Aktionär das Recht haben, aus einem ABV ausscheiden zu können. Ein ABV, welcher für die Dauer der Existenz der AG gelten soll, muss gemäss verschiedenen Lehrmeinungen ebenfalls nach einer bestimmten Dauer gekündigt werden können. Dasselbe gilt für einen ABV, der für die ganze Dauer der Aktionärseigenschaft gelten soll.

Mit einem ABV können die Aktionäre einer AG ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten, weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, regeln. Von grosser Bedeutung sind hierbei Vereinbarungen betreffend die möglichen und zulässigen Aktienübertragungen, Stimmbindungen, Zusammensetzung des Verwaltungsrates, Treuepflichten und Konkurrenzverbote. Grenzen werden einem ABV allerdings dann gesetzt, wenn er gegenüber der AG selber bindend wirken soll, wenn Patt-Situationen vorliegen oder wenn seine Regelungen für eine unbeschränkte Zeit gelten sollen.

Gestaltung eines Aktionärbindungsvertrags

Ein ABV muss stets entsprechend den konkreten Gegebenheiten und Zielsetzungen ausgestaltet werden. Ein ABV, welcher für jegliche Fallkonstellation gebraucht werden kann, gibt es nicht. Für die Vertragsverhandlung sowie generell für die Gestaltung eines passenden ABV kann eine Checkliste jedoch sehr hilfreich sein. Die folgenden Punkte sind bei der Gestaltung eines ABV zu beachten resp. können von Relevanz sein:

1. Einleitende Bestimmungen

  • Beschrieb der Gesellschaft
  • Zusammensetzung des Aktionariates / Wiedergabe der Beteiligungsverhältnisse
  • Zielsetzung des ABV (z.B. Beibehaltung der resp. Kontrolle über die Beteiligungsverhältnisse, Regelung einer Unternehmensnachfolge, Stimmbindung an GV etc.)

2. Aktienübertragungen / Verfügungsbeschränkungen

  • Vorhandrecht:
    Verpflichtung, bei einer Verkaufsabsicht die Aktien den anderen Vertragsparteien anzubieten.
  • Vorkaufsrecht:
    Bereits an einen Dritten verkaufte Aktien können von den Vertragsparteien übernommen werden.
  • Kaufsrecht:
    Das Recht, die Aktien beim Eintritt von bestimmten Kaufrechtsfällen bei einer Vertragspartei zu übernehmen.
  • Put Option:
    Eine Vertragspartei hat das Recht, eine bestimmte Anzahl von Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt resp. während einer bestimmten Frist an andere Vertragsparteien zu verkaufen.
  • Call Option:
    Eine Vertragspartei hat das Recht, eine bestimmte Anzahl von Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt resp. während einer bestimmten Frist von einer anderen Vertragspartei zu kaufen (Gegenstück zur Put Option).
  • Mitverkaufsrecht:
    Falls eine Vertragspartei ihre Aktien verkauft, so haben die anderen Vertragsparteien das Recht, ihre Aktien auch an den Käufer mitzuverkaufen.
  • Mitverkaufspflicht:
    Falls eine Vertragspartei ihre Aktien verkauft, so sind die anderen Vertragsparteien verpflichtet, ihre Aktien auch an den Käufer mitzuverkaufen.
  • Regelung eines Gewinnbeteiligungsrechts beim Verkauf von Aktien
  • Verhältnis zu statutarischen Bestimmungen (insb. zu Vinkulierungsbestimmungen)
  • Kaufpreis

3. Stimmbindung

  • Vereinbarung der Vertragsparteien betreffend ihr Stimmrecht an der GV (und im VR), z.B. betreffend Dividendenpolitik (z.B. Mindestausschüttung)
  • Regelungen betreffend Kapitalerhöhungen
  • Verfahren bei Patt-Situationen (Stichentscheid, Schiedsrichter, Versteigerungsverfahren etc.)

4. Organisatorische Regelungen

  • Zusammensetzung und Zeichnungsberechtigung des VR
  • Honorar VR
  • Revisionsstelle
  • Bestellung und Überwachung der Geschäftsführung
  • Kompetenzregelungen
  • Periodische Berichterstattung

5. Sicherungsmittel zur Durchsetzung des ABV

  • Aktiendeponierung (insbesondere zur
    Sicherung der Verfügungsbeschränkungen)
  • Konventionalstrafe, falls gegen den ABV verstossen wird

6. Konkurrenzverbot

  • Betroffene Personen
  • Zeitliche, örtliche und sachliche Beschränkung

7. Geheimhaltungspflicht

  • Umfang und Dauer
  • Einsichts- und Auskunftsrecht

8. Dauer des ABV

  • Beginn des ABV
  • Bestimmte Dauer (evtl. mit automatischer Verlängerung)
  • Unbestimmte Dauer (bei unbestimmter Dauer Kündigungsmöglichkeit/Kündigungs­frist, kein ABV auf ewige Zeit)
  • Evtl. wichtige Gründe für fristlose Kündigung

9. Weitere Bestimmungen

  • Übertragungspflicht auf Rechtsnachfolger
  • Gerichtsstand und anwendbares Recht
  • Schiedsgericht
  • Kostentragung
  • Auflistung und Bedeutung von Anhängen/Beilagen
  • Form für Änderungen/Ergänzungen
  • Anzahl Vertragsexemplare

10. Unterzeichnung

  • Korrekte Angabe von Unterzeichnungsort und Unterzeichnungsdatum
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