Recht

Rechnungslegungsrecht (Teil 1)

Je nach Unternehmensgrösse sind grosse Entlastungen zu erwarten

Die eidgenössischen Räte haben Ende 2011 das Rechnungslegungsrecht nach mehrjähriger Beratung verabschiedet. Die Referendumsfrist ist Mitte April 2012 unbenutzt abgelaufen. Das Datum des Inkrafttretens steht noch nicht fest. Es wird erwartet, dass die Inkraftsetzung per 2013 oder 2014 erfolgt. Wie viel ändert sich wirklich und wen betrifft es?
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Das neue Rechnungslegungsrecht sieht grundsätzlich eine zweijährige, für die Konzernrechnung eine dreijährige Übergangsfrist vor (erstmalige Anwendbarkeit für das Geschäftsjahr 2015 bzw. 2016, bei der Konzernrechnung 2016 bzw. 2017).

Konzeptionelle Grundordnung

Die Reform der Rechnungslegung verfolgt ein rechtsformneutrales Konzept, wonach die wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmung (Bilanzsumme, Umsatz, Mitarbeiteranzahl) und nicht die Rechtsform für die verschiedenen Vorschriften massgebend ist. An grosse Unternehmen werden in Sachen Rechnungslegung höhere Anforderungen gestellt als an kleinere Unternehmen. In den meisten Teilen des Gesetzes liegt die Schwelle bei 20 Mio. CHF Bilanzsumme, 40 Mio. CHF Umsatz und 250 Vollzeitangestellten im Zweijahresschnitt («20-40-250 Schwelle»).

Obwohl die Botschaft das Ziel einer «fair presentation» nennt und die wirtschaftliche Lage so dargestellt werden soll, dass Dritte sich ein zuverlässiges Urteil bilden können, so ist dies nicht mit dem in internationalen Rechnungslegungsstandards und auch im Swiss GAAP FER verankerten «True and Fair View»-Prinzip zu vergleichen. Denn gemäss Botschaft ist für nicht öffentliche Unternehmen mit Blick auf das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen sowie aus steuerplanerischen Gesichtspunkten eine Schmälerung der Transparenz infolge Bildung stiller Reserven explizit vorgesehen.

Die gesetzlichen Vorschriften werden neu im hinteren Teil des Obligationenrechtes kompakt aufgeführt. Dort sind systematisch die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung und Rechnungslegung aufgelistet, der Mindestinhalt einer Jahresrechnung aufgeführt und es werden die zusätzlichen Anforderungen für grössere Unternehmen spezifiziert. Ferner finden sich im Anschluss an diese Regelungen die Bestimmungen über die Anwendung von anerkannten Rechnungslegungsstandards wie zum Beispiel IFRS oder Swiss GAAP FER sowie die gesetzlichen Regelungen zur Konzernrechnung.

Die grafische Übersicht zeigt für die verschiedenen Anspruchsgruppen die anwendbaren Vorschriften der neuen Rechnungslegung, die Offenlegungspflichten sowie die Revisionspflicht schematisch auf.

«Milchbüchleinrechnung»

Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit weniger als 500 000 CHF Umsatz pro Jahr müssen in Zukunft nur noch eine Ein-/Ausgabenrechnung samt Vermögenslage aufstellen. Die Pflicht zur Befolgung der Rechnungslegungsvorschriften sowie die Revisionspflicht entfallen gänzlich. Diese Reduktion auf das Führen eines «Milchbüchleins» stellt für viele kleine Betriebe eine Entlastung dar. Inwieweit die steuerlichen Pflichten sowie eine allfällige Rechenschaftsablage an Banken und Gläubiger mit dieser rudimentären Buchführung erfüllt werden können, wird sich in der Praxis erst weisen müssen.

«Déjà-vu» für KMU

Für juristische Personen, welche nach neuer gesetzlicher Definition nicht zu den wirtschaftlich bedeutenden Unternehmen (sogenannte «20-40-250 Schwelle») gehören, ändert sich am wenigsten. Einerseits sind neu einige zusätzliche Mindestgliederungsvorschriften in der Bilanz und Erfolgsrechnung sowie ergänzende Anhangsangaben verlangt. Andererseits kann auf den verbalen Geschäftsbericht verzichtet werden. Ferner muss die Berichterstattung über die Durchführung der jährlichen Risikobeurteilung durch den Verwaltungsrat nicht mehr im Anhang offengelegt werden. Die Finanzverantwortlichen dieser Anspruchsgruppe können der neuen Gesetzgebung somit gelassen entgegenschauen. Diese geringe Reformtiefe ist bemerkenswert, denn mit Abstand die grösste Anzahl Ersteller von Jahresrechnungen findet sich exakt in diesem Segment.

Grössere Unternehmungen

Für Gesellschaften, welche einer ordentlichen Revisionspflicht unterstehen, sind zusätzliche Pflichten auferlegt worden. So müssen diese in Zukunft im Anhang sowohl das Honorar ihrer Revisionsstelle offenlegen als auch eine Fälligkeitsstruktur der Verbindlichkeiten aufzeigen. Ferner sind diese Gesellschaften verpflichtet, eine Geldflussrechnung nach heute gängiger Lehre und einen Lagebericht zu erstellen. Dieser Lagebericht ersetzt den heute erforderlichen verbalen Jahresbericht und soll gemäss Botschaft des Bundesrates umschreibend Aufschluss über wichtige Einflussfaktoren für die Entwicklung des Geschäftsgangs im Geschäftsjahr sowie über Indikatoren der künftigen Geschäftsentwicklung geben. Die Pflicht zu Aufrechterhaltung eines adäquaten internen Kontrollsystems verbleibt unverändert im Gesetz.

Konzernrechnung

Bis zuletzt umstritten war die Frage, ob Privatkonzerne zwingend nach einem anerkannten Standard der Rechnungslegung rapportieren müssen. Der Gesetzgeber entschied sich zugunsten der Buchwert-Konsolidierung, womit das Prinzip einer transparenten Rechnungs­legung nicht erreicht werden kann.

Konzernrechnungen von Privatkonzernen werden auch in Zukunft nach wenig detaillierten handelsrechtlichen Gesichtspunkten erstellt werden können. Nur Publikumsgesellschaften, grosse Genossenschaften und grosse Vereine müssen ihre Konzernrechnung nach einem international anerkannten Standard erstellen.

Porträt