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Homeoffice: Nicht allein eine Kulturfrage

Die Coronapandemie hat Teile der Arbeitswelt quasi über Nacht auf den Kopf gestellt. Unter anderem wurden Büroarbeitsplätze von einem Tag auf den anderen in die Privatwohnungen der Mitarbeitenden verlegt. Die Erfahrungen aus dem landesweiten Homeoffice können nun in eine arbeitsvertragliche Regelung einfliessen.
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Seit Jahren wird immerzu von Homeoffice als die neue, verheissungsvolle Arbeitsform gesprochen. Der Begriff Homeoffice ist schon lange in aller Munde und trotzdem schien es sogar noch bis vor kurzem mehr einer Meinungsdebatte zu gleich, als einer gelebten Realität. Firmen, die mit attraktiven und zeitgemässen Anstellungsbedingungen um die besten Talente buhlten, gaben sich bei Homeoffice-Anfragen ihrer Mitarbeitenden trotzdem oft erstaunlich zurückhaltend.

Unterschiedliche Erfahrungen

Dann kam das Virus – und mit ihm die ausserordentliche Lage. Auf einen Schlag war Homeoffice Pflicht. Nach ein paar Wochen schon, wich die anfängliche Euphorie über die gewonnene Homeoffice-Freiheit der Rücken-schmerzenden Frustration aus der digitalen Isolation. Ab Mitte Mai feierte der eine Teil der Office-Rückkehrer das Ende des Homeoffice ebenso frenetisch, wie ein anderer Teil der Homeoffice-Verbleibenden ihre Standhaftigkeit.

Das Abwägen der Vor- und Nachteile von Homeoffice ist nicht mehr länger eine Auseinandersetzung von Szenarien, sondern die gemachte Erfahrung eines Grossteils der Erwerbstätigen. Genau jetzt muss auch eine juristische Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgen, und klare Homeoffice-Regeln definiert werden. Denn die Mitarbeitenden erwarten als Gegenleistung für ihre Flexibilität während des Lockdowns Klarheit und Verbindlichkeit, was die künftige Situation betrifft.

Reglement als Basis

Ein Homeoffice-Reglement oder eine Homeoffice-Weisung sollte als Basis dienen. Darauf abgestützt wird dann mit dem jeweiligen Mitarbeitenden vertraglich vereinbart, wann und in welchem Umfang, die Arbeitsleistung im Homeoffice erbracht wird. Wer neu eine Homeoffice-Regelung aufstellt, muss damit rechnen, dass diese in der Anfangsphase nochmals adaptiert werden. Zwar konnte in der Coronapandemie Erfahrung gesammelt werden. Eine künftige Regelung muss aber auf den «Normalfall» von Homeoffice ausgelegt werden.

Das Homeoffice in der ausserordentlichen Lage kann nicht eins zu eins auf die ordentliche Situation übertragen werden. Daher sollten die Regelungen zum Homeoffice so gestaltet sein, dass sie verbindlich sind und dennoch unkompliziert angepasst werden können. In den meisten Fällen wird dies in einem Zusatzdokument erfolgen, in Form eines Reglements oder einer Weisung. Die Homeoffice-Regelung muss ausserdem in das bestehende Vertragsgefüge passen, so muss der Arbeitgeber vorgängig die allgemeinen Anstellungsbedingungen (zum Beispiel in Form eines Personalreglements) und die Arbeitsvertragsvorlagen prüfen und wo nötig, ebenfalls Anpassungen vornehmen.

Eine prüfenswerte Option

Wurde Homeoffice bislang oft als Wunsch des Mitarbeitenden verstanden, so hinterfragen immer mehr Arbeitgeber, ob Homeoffice nicht auch aus Arbeitgeberoptik interessant sein könnte. Es wäre eine verpasste Chance, Homeoffice lediglich als Gestaltungselement hinsichtlich Arbeitgeberattraktivität zu sehen. Aus den jüngsten Erfahrungen stehen zwei Arbeitgeber-Motive für Homeoffice im Vordergrund. Einerseits die Aufrechterhaltung eines Notbetriebs (aus allgemeinen oder betriebsspezifischen Gründen) und andererseits die Reduktion von Büro-Arbeitsfläche.

Homeoffice könnte beispielsweise aber auch dann eine prüfenswerte Option darstellen, wenn eine Arbeitsplatzsituation vorübergehend entschärft werden muss, wenn es in einem Team Streitigkeiten gibt. Und schliesslich kann Homeoffice auch eine Alternative zu einer teuren Freistellung eines Mitarbeitenden sein. Denn wie oft kommt es vor, dass ein Mitarbeitender nach einer Kündigung freigestellt wird, aus Angst, er könnte mit seiner Stimmung jene des Teams herunterziehen. Statt den Mitarbeitenden von der Arbeitsleistung freizustellen wäre beispielsweise auch die Versetzung ins Homeoffice möglich.

Arbeitsort

Bei Homeoffice geht es ja primär darum, dass der Mitarbeitende die Arbeit nicht in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers ausführt, sondern in seiner privaten Wohnung. In der Regel ist Homeoffice auch nur für einen Teil der Arbeitszeit vorgesehen. Ein Vollzeit-Homeoffice, wie beispielsweise während des Lockdowns, ist die Ausnahme. Allerdings lehrt die Coronapandemie, dass durchaus Konstellationen denkbar sind, in welchem der Arbeitgeber einen Teil seiner Mitarbeitenden vorübergehend zu Hause beschäftigen will oder muss.

Da aber wohl nicht immer ein entsprechender Bundesratsbeschluss vorliegt, sollte sich der Arbeitgeber das Recht ausdrücklich ausbedingen und definieren, in welchen Fällen er legitimiert ist, die Mitarbeitenden vorübergehend ins Homeoffice zu schicken. Zurückhaltung ist geboten mit der vertraglichen Vereinbarung des Arbeitsorts. In vielen Arbeitsverträgen wird der Arbeitsort jeweils explizit erwähnt. Dies ist aber in aller Regel eher hinderlich für die Anordnung von Homeoffice. Wenn also ein Arbeitsort im Vertrag festgeschrieben wird, so sollte vermerkt werden, dass es sich dabei lediglich um den ordentlichen Arbeitsort handelt, der Arbeitgeber vorübergehen aber auch einen anderen Arbeitsort zuweisen kann.

Regelungsbereiche

Als zentrales Element sollte die Homeoffice-Regelung beinhalten, wann und unter welchen Voraussetzungen Homeoffice in Kraft tritt, respektive wann Homeoffice einseitig angeordnet werden kann. Im Sinne einer Gleichwertigkeit ist zu prüfen, ob auch den Mitarbeitenden ein Recht zugestanden werden kann, bei bestimmten Bedingungen und Voraussetzungen Homeoffice einseitig auslösen zu können. Ebenso wichtig, aber oft nicht geregelt, sind die Umstände der Beendigung von Homeoffice. Dies kann beispielsweise dann sein, wenn die Arbeitsleistung des Mitarbeitenden im Homeoffice nicht zufriedenstellend ist, oder wenn die Präsenz des Mitarbeitenden vor Ort für den Arbeitgeber unerlässlich ist.

Eine klare Regelung sollte schliesslich auch darüber getroffen werden, welche Partei die Arbeitsgeräte zur Verfügung stellt. So ist möglich, dass der Arbeitgeber den Mitarbeitenden mit allen nötigen Geräten wie Computer, Laptop oder Handy ausrüstet, oder aber, dass der Mitarbeitende seine privaten Geräte für die Arbeitsausübung zur Verfügung stellt. Unter dem Motto «Bring Your Own Device», abgekürzt als BYOD, reduzieren Unternehmen die Beschaffungskosten für IT-Equipment, indem sie die Mitarbeitenden dazu anhalten, ihre eigenen, privaten Geräte zu nutzen (vgl. «KMU Magazin» Ausgabe 4, April 2017, S. 61 - 63). Bei einer eigentlichen BYOD-Strategie lohnt es sich besonders, Fragen der Haftung bei Schäden oder Verlust der Geräte zu regeln sowie der Nutzungsumfang und der Umgang mit Daten.

Zusatz zum Arbeitsvertrag

Bestehen also in einem Reglement, einer Richtlinie oder in einer Weisung allgemein gültige Rahmenbedingungen zum Thema Homeoffice, kann mit den einzelnen Mitarbeitenden individuell vereinbart werden, wie Homeoffice gelebt wird. Bei bestehenden Arbeitsverträgen kann dies mit einem Vertragszusatz erfolgen. Bei neu abzuschliessenden Arbeitsverträgen kann der Umfang des vereinbarten Homeoffices auch gleich in den Vertrag geschrieben werden. Der Zusatz kann sehr knapp erfolgen, da die Regelungsbasis für Homeoffice in einem separaten Dokument geregelt ist. Auch wenn die Vereinbarung zu Homeoffice grundsätzlich auch mündlich möglich ist, so empfiehlt es sich dennoch, dies schriftlich festzuhalten um so für beide Vertragsparteien Klarheit zu schaffen.

Ob nun der Anteil an Homeoffice generell zunehmen wird, hängt von äusseren Faktoren, den gemachten Erfahrungen, der Art der Arbeitsleistung und vor allem von der Unternehmenskultur ab. Richtig genutzt stellt Homeoffice für beide Seiten eine Chance dar. Eine klare, verständliche und passende Regelungsbasis unterstützt Arbeitgeber und Arbeitnehmende auf dem Weg in eine gelungene Homeoffice-Zusammenarbeit. Folgende zehn Punkte sollte eine Homeoffice-Regelung beinhalten:

  • Voraussetzungen für Homeoffice: Fachlich, technisch, räumlich
  • Umfang von Homeoffice hinsichtlich Arbeitspensum und Dauer
  • Beginn und Beendigung von Homeoffice
  • Allfällige Präsenzpflicht während Homeoffice
  • Arbeitszeit: Umfang, Erreichbarkeit, Zeiterfassung, Nacht- und SO-Arbeit
  • Arbeitsmittel: Nutzung und Rückgabe / geschäftliche oder private Geräte
  • Leistungsstörungen während Homeoffice seitens AN und seitens AG
  • Umsetzung: zum Beispiel Kostentragung, Zutritt, Arbeitsplatzgestaltung
  • Datenschutz / Geheimhaltung
  • Spezialfälle von Homeoffice: zum Beispiel betriebliche Notsituation, Freistellung
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