Recht

Arbeitsrecht

Gesetzliche Sozialplanpflicht und ihre Auswirkung

Seit 1. Januar 2014 sind Unternehmen ab einer Grösse von 250 Arbeitnehmern gesetzlich verpflichtet, einen Sozialplan zu erstellen. Unzweifelhaft werden aber auch die kleineren Unternehmen davon beeinflusst werden, und so lohnt sich eine Betrachtung über die Mitwirkungsrechte der Belegschaft.
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Nun ist es Gesetz: Den Mitarbeitenden steht bei einer Massenentlassung ein Sozialplan zu. Nicht länger ist es eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, seit diesem Jahr muss der Arbeitgeber zwingend einen Sozialplan verhandeln und vereinbaren. Zwar haben schon bislang die Unternehmen bei Entlassungswellen sehr oft einen Sozialplan angeboten. Es ist aber ein grosser Unterschied, ob dies eine rein freiwillige Leistung des Arbeitgebers ist, oder ob sich der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmenden über den Sozialplan einigen muss. Und neu ist es nun so, dass ab einer Grösse von 250 Mitar­beitenden Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft zwingend über einen Sozialplan verhandeln und eine Einigung finden müssen. Und zwar dann, wenn mindestens 30 Kündigungen ausgesprochen werden, die auf dem gleichen betrieblichen Entscheid gründen.

Gesetz zwingt zur Einigung

Das Schweizer Arbeitsvertragsrecht ist vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt. Die Parteien können weitgehend selber bestimmen, was sie wie regeln wollen. Dieser Grundsatz erfährt mit der gesetzlichen Sozialplanpflicht einen scharfen Einschnitt. Plötzlich sind nämlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer verpflichtet, sich zusammenzusetzen und eine Einigung zu finden. Schaffen Sie das nicht, wird ein Schiedsgericht den Sozialplan erlassen. Mit negativen Themen wie Massenentlassung und Sozialplan befasst sich ein Unternehmen logischerweise weder proaktiv noch gerne. Die neue Gesetzesvorschrift sollte aber jedes Unternehmen zu einer Situationsanalyse nutzen und sich fragen, wie die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmerschaft im Unternehmen abläuft. Gibt es eine gewählte Arbeitnehmervertretung, gibt es gar eine mit Arbeitnehmerverbänden institutionalisierte Sozialpartnerschaft oder finden die Gespräche zufällig und mehrheitlich schriftlich statt?

Was die ideale Partnerschaft für ein Unternehmen ist, hängt von seiner Grösse, seinem Alter und von seiner Kultur ab. Das gilt insbesondere für die formelle Arbeitnehmervertretung. Ab einer Betriebsgrösse von bereits 50 Mitarbeitenden haben diese den gesetzlichen Anspruch, eine Arbeitnehmervertretung zu bestellen. In verschiedener Hinsicht besteht eine Mitwirkung der Arbeitnehmenden. Dort wo keine offizielle Arbeitnehmervertretung besteht, ist die Gesamtbelegschaft zur Mitwirkung berechtigt. Gewachsene Unternehmen haben oft keine Arbeitnehmervertretung. Darin erachten die Geschäftsleitungen viele Vorteile. Doch warum und welche eigentlich? Ist es nicht einfacher, in kritischen Situationen mit ein paar wenigen Arbeitnehmervertretern sprechen zu können, als das Gespräch mit der gesamten Belegschaft führen zu müssen? Ist es nicht effizienter, betriebliche Veränderungen mit jenen Personen zu diskutieren, die ein betriebswirtschaftliches Verständnis haben und sich für die Belange des Unternehmens und seinen Mitarbeitern einsetzen?

Vereinfachte Zusammenarbeit

Spricht man mit Schweizer Unternehmern, spürt man die grundsätzliche Zufriedenheit mit unserem liberalen Arbeitsrecht. Oft gelobt wird, dass man als Unternehmer sehr frei ist. Als Gegen­­bei­spiel wird jeweils der Betriebsrat im Deutschen Arbeitsrecht als Schreckensgespenst bezeichnet. Gut sei es, dass man das nicht habe. Und so ist es absolut nachvollziehbar, dass man gegenüber einer formellen Arbeitnehmervertretung skeptisch ist und nur keine Pferde scheu machen will. Die Arbeitnehmervertretung im Schweizer Arbeitsrecht ist allerdings nicht das Pendant zum deutschen Betriebsrat. Sie hat grundsätzlich auch nicht mehr Rechte als die Belegschaft als Ganzes, aber sie kanalisiert deren Meinung und Ansicht. Und das macht in aller Regel die Zusammenarbeit, speziell in angespannten Zeiten, deutlich einfacher.

Keine Bedrohung

Vielleicht wollen die Arbeitnehmenden gar keine Arbeitnehmervertretung, meist sind sie sich aber auch nicht bewusst, dass sie die Möglichkeit haben, eine Vertretung zu formieren. Warum also nicht mal nachfragen und die Belegschaft auffordern, aktiv darüber nachzudenken, ob sie Vertreter wählen wollen, die im regel­mässigen direkten Austausch mit der Geschäftsleitung stehen.

Die Arbeitnehmenden werden es nicht  als Schwäche, sondern als Zeichen der Stärke werten, wenn die Geschäftsleitung der Belegschaft anerbietet, eine formelle Arbeitnehmervertretung zu formieren und sich regelmässig mit ihr zu treffen.

Wird durch eine Umfrage klar, dass eine Mehrheit der Arbeitnehmenden die Bestellung einer Arbeitnehmervertretung befürwortet, muss dies zeitnah erfolgen. Bis sich die Arbeitnehmervertretung gebildet und sich ein eigenes Reglement gegeben hat, braucht sie die aktive Unterstützung der Unternehmensleitung. Die Geschäftsleitung muss Geburtshilfe leisten, denn sonst droht die Arbeitnehmervertretung zu scheitern, bevor sie überhaupt entstanden ist. Die Frustration der Belegschaft darüber würde einen Vertrauensverlust auslösen und ist unbedingt zu vermeiden. Bevor man aber die Arbeitnehmenden befragt, ob sie eine Arbeitnehmervertretung möchten, muss sich die Unternehmensleitung ganz ehrlich fragen, ob sie tatsächlich bereit ist, sich regelmässig mindestens alle drei Monate mit der Arbeitnehmervertretung zu gehaltvollen Gesprächen zu treffen. Auch hier muss die Geschäftsleitung vorspuren, wie die Gespräche ablaufen sollen. Es erfordert Struktur und Inhalt.

Die Arbeitnehmervertreter haben Anspruch auf betriebswirtschaftliche Informationen. Aber so aufbereitet, dass sie gut verständlich und nachvollziehbar sind. Bis die Arbeitnehmervertretung genug Selbstbewusstsein hat, sich aktiv in die Gespräche mit der Unternehmensleitung einzubringen, braucht es ein paar Treffen. Nur wenn sie spüren, dass sie ernst genommen werden, bringen die Arbeitnehmervertreter sich aktiv ein und führen ihr Amt gewissenhaft aus. Sie sind zwar klar die Vertreter der Belegschaft, durch den regelmässigen Austausch mit der Geschäftsleitung erlangen sie gleichwohl ein besseres Verständnis für die unternehmerischen Zusammenhänge und die betrieblichen Veränderungen.

Ob sich die Gespräche lediglich um die Qualität des Kaffeeautomaten drehen, oder ob sich die Arbeitnehmervertretung als Partner der Geschäftsleitung sieht, hängt in erster Linie von der Steuerung durch die Geschäftsleitung ab. Die Arbeitnehmervertretung braucht immer wieder Unterstützung, damit sie sich traut, Verantwortung zu übernehmen und Entscheide mitzutragen. Eine starke selbstbewusste Arbeitnehmervertretung ist keinesfalls eine Bedrohung für das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens, sondern vielmehr Garant für eine gute partnerschaftliche Beziehung – in guten wie in schlechten Zeiten.

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