Recht

Internationale Steuerabkommen (Teil 1 von 2)

Fit für die kommende Dividendensaison?

Die Dividendensaison steht vor der Tür – und verlangt nach steuerlichen Vorkehrungen. Mit der zunehmenden Internationalisierung der Investoren in Schweizer KMU werden die internationalen Steuerabkommen immer wichtiger. In diesem zweiteiligen Beitrag beleuchten die Autoren verschiedene Fragen, die für KMU mit internationalem Aktionariat von Bedeutung sind.
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Im ersten Teil dieses zweiteiligen Beitrages werden im Feld der Verrechnungssteuer und deren Rückerstattung gemäss internationalen Steuerabkommen lauernde Fussangeln beschrieben. In Teil zwei wird aufgezeigt, dass die mit Grossbritannien und Österreich abgeschlossenen Quellensteuerabkommen im Zusammenhang mit Dividendenausschüttungen überraschenderweise auch für Schweizer KMU von Bedeutung sein können, und das in durchaus alltäglichen Situationen.

Dividenden und Verrechnungssteuer – siamesische Zwillinge

Dividendenausschüttungen von Kapitalgesellschaften unterliegen in der Schweiz stets der Verrechnungssteuer von 35 Prozent, wenn man von der Rückführung von Reserven aus Kapitaleinlagen oder Aktienkapital an die Aktionäre absieht. Schuldnerin der Verrechnungssteuer ist die ausschüttende Schweizer Kapitalgesellschaft. Sie ist gesetzlich verpflichtet, die Verrechnungssteuer auf die Empfänger der Dividenden zu überwälzen, das heisst die Dividende ist gekürzt um die Verrechnungssteuer «netto» dem Dividendenempfänger auszurichten und die abgezogene Verrechnungssteuer der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) zu überweisen. Erfolgt keine Überwälzung, wird die Dividendenausschüttung als Nettoleistung betrachtet und ins Hundert aufgerechnet, so dass für die Dividenden ausschüttende Schweizer Kapitalgesellschaft eine effektive Steuerbelastung von rund 54 Prozent resultiert.

Sicherungs- und Fiskalzweck der Verrechnungssteuer

Im innerschweizerischen Verhältnis hat die Verrechnungssteuer den Charakter einer Sicherungssteuer, da die Verrechnungssteuer von steuerehrlichen Schweizer Dividendenempfängern (juristische und natürliche Personen) vollumfänglich zurückgefordert werden kann. Bei ausländischen Dividendenempfängern hingegen erfüllt die Verrechnungssteuer einen Fiskalzweck. Dieser Fiskalzweck wird jedoch durch das internationale Steuerrecht stark eingeschränkt.

Voraussetzungen für die Rückforderung der Verrechnungssteuer im EU-Verhältnis

Gestützt auf das Zinsbesteuerungsabkommen, welches die Schweiz mit der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossen hat und gestützt auf bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen können ausländische Investoren in Schweizer KMU die Verrechnungssteuer zurückfordern. Dafür müssen aber gewisse Voraussetzungen erfüllt werden, wie das Beispiel des Zinsbesteuerungsabkommens zeigt:

  • Der ausländische Investor mit Sitz in der Europäischen Union muss eine direkte Beteiligung von mindestens 25 Prozent am Gesellschaftskapital des Schweizer KMU halten (Sitz- und Mindestbeteiligungserfordernis);
  • Der ausländische Investor muss die Beteiligung an dem Schweizer KMU während mindestens zwei Jahren ununterbrochen gehalten haben;
  • Keine der beiden Unternehmen darf nach den Doppelbesteuerungsabkommen in einem Drittstaat steuerrechtlich ansässig sein;
  • Beide Unternehmungen unterliegen im jeweiligen Land ohne Befreiung der Körperschaftssteuer;
  • Beide Unternehmungen haben die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (zum Beispiel AG oder GmbH);
  • Schliesslich darf das Zinsbesteuerungsabkommen nicht missbräuchlich in
    Anspruch genommen werden.

Erfüllt ein ausländischer Investor eines Schweizer KMU die oben genannten Voraussetzungen des Zinsbesteuerungsabkommens, kann er die vom KMU abgezogene Verrechnungssteuer vollumfänglich bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung, gestützt auf die entsprechenden Formulare, in einem Rückerstattungsverfahren zurückfordern.

Rückforderung gestützt auf ein Doppelbesteuerungsabkommen

Die zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), welche die Schweiz mit anderen Staaten abgeschlossen hat, statuieren für eine Rückforderung der Verrechnungssteuer ähnliche Anforderungen wie das Zinsbesteuerungsabkommen:

  • Ansässigkeit des Dividendenempfängers im DBA-Staat (das heisst der Di­videndenempfänger ist im DBA-Staat nach dessen nationalem Steuerrecht unbeschränkt steuerpflichtig);
  • Ansässigkeitsbescheinigung der zuständigen Steuerbehörde des jeweiligen DBA-Staates;
  • Recht zur Nutzung der Dividenden bzw. sogenanntes Beneficial Ownership (vereinfacht ausgedrückt heisst dies, dass der Dividendenempfänger das Recht haben muss, frei und ausschliesslich über die Dividende zu verfügen);
  • Fristgerechte Antragsstellung auf Rückerstattung (in der Regel beträgt die Frist drei Jahre);
  • Kein Ausschluss der Rückerstattung gestützt auf einen Missbrauchsvorbehalt.

Da kein Doppelbesteuerungsabkommen gleich ist wie das andere, sind die jeweils anwendbaren Voraussetzungen für die Rückerstattung im Einzelfall genau zu prüfen. Gewisse Doppelbesteuerungsabkommen, wie zum Beispiel dasjenige mit den Niederlanden, statuieren gar tiefere Hürden, verglichen mit dem Zinsbesteuerungsabkommen. So genügt im Verhältnis zu den Niederlanden bereits eine Mindestbeteiligungsquote von zehn Prozent, während das Zinsbesteuerungsabkommen eine Quote von mindestens 25 Prozent vorschreibt. Den ausländischen Investoren (Gesellschaften) steht es frei, zu bestimmen, ob sie eine Rückforderung gestützt auf das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen oder das Zinsbesteuerungsabkommen in Anspruch nehmen wollen. Ent­scheidend ist, dass der Investor aus dem Ausland die jeweilige Voraussetzung für eine Rückerstattung erfüllt. Ob das Abstimmungsresultat vom 9. Februar 2014 betreffend Masseneinwanderungsinitiative einen Einfluss auf das Zinsbesteuerungsabkommen hat, ist noch offen.

Aufwendiges Rückerstattungsverfahren

Die Rückforderung der Verrechnungssteuer durch ausländische Investoren bei der ESTV ist zeitaufwendig. Für den ausländischen Investor ist sie überdies mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, denn nicht jeder Antrag wird gutgeheis­sen. Aus unternehmerischer Sicht ist weiter zu bemängeln, dass Verrechnungssteuerguthaben von der ESTV nicht verzinst werden.

Meldeverfahren

Eine Entlastung für die ausländischen Investoren (Gesellschaften) bringt das von der Schweiz unilateral eingeführte grenzüberschreitende Meldeverfahren für Kapitalgesellschaften mit wesentlichen ausländischen Beteiligungen (Mindestquo­te ergibt sich jeweils aus dem anwendbaren internationalen Abkommen). Danach kann das Schweizer KMU die aus der Dividendenausschüttung resultierende Verrechnungssteuerpflicht durch Meldung anstatt der Steuerzahlung erfüllen, soweit der Investor, gestützt auf ein Doppelbesteuerungsabkommen oder das Zinsbe­steuerungsabkommen,rückerstattungs­berech­tigt ist. Für den Investor entfällt das aufwendige und mit Ungewissheit verbundene Rückerstattungsverfahren.

Damit das Schweizer KMU das Meldeverfahren in Anspruch nehmen kann, ist vor Fälligkeit der Dividende eine Bewilligung bei der ESTV einzuholen. Diese prüft gestützt auf einen entsprechenden Antrag (Formular 823) vorab, ob der ausländische Investor die in den Doppelbesteuerungsabkommen beziehungsweise dem Zinsbesteuerungsabkommen statuierten Voraussetzungen der Rückerstattung erfüllt. Die Bewilligung ist grundsätzlich drei Jahre gültig und kann erneuert werden. Wird dem Gesuch stattgegeben, hat das KMU Dividendenausschüttungen an den ausländischen Investor innert 30 Tagen nach Dividendenfälligkeit mit den entsprechenden Formularen zu melden.

Wirtschaftsfeindlicher Entscheid des Bundesgerichtes

Am 19. Januar 2011 hat das Bundesgericht entschieden, dass die Frist von 30 Tagen, innnert welcher KMU die Dividendenausschüttung der ESTV zu melden haben, eine Verwirkungsfrist sei. Werde diese Frist nicht eingehalten, könne das Schweizer KMU seine aus der Dividendenausschüttung resultierende Verrechnungssteuerpflicht nicht mehr durch Meldung erfüllen. Stattdessen müsse das Schweizer KMU die Verrechnungssteuer von der Bruttodividende in Abzug bringen und diese der ESTV überweisen. Dem Investor aus dem Ausland bleibt somit nichts anderes übrig, als die Verrechnungssteuer im aufwendigen Rückerstattungsverfahren zurückzufordern.

Praxisverschärfung durch die ESTV

Gestützt auf das Bundesgerichtsurteil hat nun die Eidgenössische Steuerverwaltung ihre Praxis zum Meldeverfahren verschärft. Wird die dreissigtägige Meldefrist durch das Schweizer KMU nicht eingehalten, verweigert die Steuerverwaltung das Meldeverfahren und erhebt neuerdings – aufgrund der verspäteten Ablieferung der Verrechnungssteuer – vom KMU Verzugszinsen von fünf Prozent pro Jahr.

Rettungsversuche der Schweizer Wirtschaft

Zahlreiche Steuervertreter haben mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung inzwischen die Diskussion gesucht, um eine sachgerechte Praxis mit Bezug auf mögliche Verzugszinsfolgen bei verspäteten Meldungen zu erwirken. Die ESTV stellt sich jedoch trotz der guten Argumente vonseiten der Schweizer Wirtschaft auf den Standpunkt, dass ein genereller Verzicht auf die Erhebung von Verzugszinsen nicht möglich sei.

Richtiges Vorgehen beim Meldeverfahren

Für KMU bedeutet dies, dass eine Bewilligung die Anwendung des Meldeverfahrens vor Dividendenfälligkeit der ESTV eingeholt werden sollte, damit sie die Verrechnungssteuerpflicht im Meldeverfahren erledigen können. Der CFO eines KMU muss die Verrechnungssteuerpflicht innert 30 Tagen nach Dividendenfälligkeit mit den erforderlichen Formularen (Form. 106 oder 108) mittels eingeschriebenem Brief der ESTV melden, ansonsten Verzugszinsen von fünf Prozent pro Jahr erhoben werden. Es empfiehlt sich, dafür zu sorgen, dass im Protokoll der Generalversammlung, welche die Dividendenausschüttung beschliesst, das Fälligkeitsdatum explizit festgehalten wird.

Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe des «KMU-Magazin» (5 /14). Darin zeigen die Autoren, dass die Quellensteuerabkommen mit Österreich und Grossbritannien für KMU unerwartete Fallstricke im Zusammenhang mit Dividendenausschüttungen enthalten.

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