Recht

Digitalisierung

Elektronische Dokumente als Beweismittel

Elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gelten als sichere Beweise für Verträge und für die Korrespondenz mit den Gerichten. Auch die Buchhaltung kann man elektronisch führen, wobei bestimmte Regeln einzuhalten sind.
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Nach Art. 14 OR ist der eigenhändigen Unterschrift die qualifizierte elektronische Signatur gleichgestellt, die auf einem qualifizierten Zertifikat eines anerkannten Anbieters von Zertifizierungsdiensten im Sinne des Bundesgesetzes über die elektronische Signatur (ZertES) beruht. Das bedeutet: Alle Rechtsgeschäfte, für die das Gesetz eine Unterschrift vorschreibt, kann man auch per E-Mail mit einer elektronischen Signatur gültig abschliessen.

Begriffsdefinitionen

Oft verwendet man die Begriffe «digitale Signatur» und «elektronische Signatur» falsch, nämlich synonym. Unter einer digitalen Signatur versteht man das mathematische Verfahren, während elektronische Signatur ein rein rechtlicher Begriff ist. Nach dem ZertES gelten für die Schweiz folgende Definitionen:

  • Elektronische Signatur: Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder die logisch mit ihnen verknüpft sind und zu deren Authentifizierung dienen.
  • Fortgeschrittene elektronische Signatur: Sie ist ausschliesslich dem Inhaber zugeordnet und ermöglicht dessen Identifizierung. Der Inhaber hat sie unter seiner alleinigen Kontrolle. Sie ist mit den Daten, auf die sie sich bezieht, so verknüpft, dass man eine nachträgliche Veränderung der Daten erkennt.
  • Qualifizierte elektronische Signatur: Dies ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die auf einer sicheren Signaturerstellungseinheit und auf einem qualifizierten und zum Zeitpunkt der Erzeugung gültigen Zertifikat beruht.

Das ZertES sowie die Verordnung über die elektronische Signatur, VZertES, regeln die Vor­aussetzungen, unter denen Anbieter von Zertifizierungsdiensten im Bereich der elektro­nischen Signatur anerkannt werden, sowie die Rechte und Pflichten der anerkannten Anbieter. Internationale Standards können Grundlage der Zertifizierung einer Public Key Infrastructure (PKI) beziehungsweise eines Certification Service Provider (CSP) sein. Beim SECO wird eine Liste der Unternehmen publiziert, die qualifizierte elektronische Zertifikate nach ZertES und internationalen Standards ausstellen und verwalten.

Gerichtliche Bestimmungen

In der neuen gesamtschweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) findet man folgende Regelungen über elektronische Dokumente. In der Strafprozessordnung gibt es ähnliche Bestimmungen.

  • Eingaben sind dem Gericht in Papierform oder elektronisch einzureichen (ZPO Art. 130). Bei elektronischer Übermittlung muss das Dokument, das die Eingabe und die Beilagen enthält, mit einer anerkannten elektronischen Signatur des Absenders versehen sein. Bei elektronischer Übermittlung kann das Gericht verlangen, dass die Eingabe und die Beilagen in Papierform nachgereicht werden.
  • Mit dem Einverständnis der betroffenen Person kann die Zustellung von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden elektronisch erfolgen.
  • Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Gericht eingereicht werden. Bei elektronischer Übermittlung gilt die Frist dann als eingehalten, wenn der Empfang bei der Zustelladresse des Gerichts spätestens am letzten Tag der Frist durch das betreffende Informatiksystem bestätigt wird (ZPO Art. 143).
  • Als Urkunden zum Beweis gelten Dokumente wie Schriftstücke, Zeichnungen, Pläne, Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen, elektronische Dateien und dergleichen, die geeignet sind, rechtserhebliche Tatsachen zu beweisen (ZPO Art. 177). Laut dem Text der «Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung» müssen digitalisierte Dokumente gleichermassen zum Beweis zugelassen werden wie herkömmliche Datenträger. Das folgt auch aus dem Recht auf Beweis. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine ursprüngliche digitale Datei oder beispielsweise um ein eingescanntes Papierdokument handelt.

Umfrage unter Anwälten

Im Rahmen der sogenannten E-Discovery-Studie von Symantec wurden im August 2010 insgesamt rund 5000 Anwälte verschiedener europäischer Länder und der Vereinigten Arabischen Emirate befragt. Elektronische Daten sind demnach als Beweismittel vor Gericht unentbehrlich.

  • 98 Prozent der befragten Anwälte gaben an, dass in den vergangenen zwei Jahren elektronische Daten entscheidend waren für einen erfolgreichen Rechtsstreit.
  • 91 Prozent sagten aus, dass elektronisch gespeicherte Informationen (ESI) für ihre tägliche Arbeit wichtig sind. Zugleich aber erschwert die schlechte Verfügbarkeit digitaler Beweise die Anwaltsarbeit erheblich.
  • 60 Prozent der Befragten gaben zu, dass sie mit der grossen Menge an zu untersuchenden Informationen zu kämpfen haben. Denn um juristisch haltbare Beweise zu finden, müssen sie Millionen von archivierten Dateien durchsuchen.
  • 69 Prozent der Befragten waren allerdings der Meinung, auf die elektronische Beweis­sicherung bei wichtigen Gerichtsverfahren oder Compliance-Fällen «vollkommen vorbereitet» zu sein.

Für mehr als die Hälfte der 5000 Anwälte (57 Prozent) besteht die Lösung nicht in intensiverer internationaler Zusammenarbeit oder einer neuen Gesetzgebung. Die Anwälte wünschen sich stattdessen effizientere Technologien, um elektronische Beweise schneller zu identifizieren und um diese sicher aufbewahren und aufbereiten zu können, z. B. mehr Suchfunktionen für lokale Festplatten und Notebooks.

Elektronische Buchführung

Die Buchhaltung kann man auch elektronisch führen und die Buchungsbelege und die Geschäftskorrespondenz auf digitalen Medien speichern (OR Art. 957ff.), sofern man die Grundsätze der ordnungsgemässen Datenverarbeitung einhält. Bedingung ist, dass dadurch die Übereinstimmung mit den betreffenden Geschäftsvorfällen gewährleistet ist und man die Belege jederzeit lesbar machen kann. Eine Ausnahme gilt für Betriebsrechnung und Bilanz. Diese sind immer schriftlich und unterzeichnet aufzubewahren.

Wer zur Führung von Geschäftsbüchern verpflichtet ist, muss bei Streitigkeiten Geschäftsbücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz vorlegen, wenn das Gericht dies für den Beweis als notwendig erachtet. Werden die betreffenden Dokumente elektronisch oder in vergleichbarer Weise aufbewahrt, kann das Gericht oder die Behörde anordnen, dass sie in lesbarer Form vorgelegt werden (OR Art. 963). Die Aufbewahrungsfrist dauert zehn Jahre und beginnt mit dem Ablauf des Geschäftsjahres, in dem die letzten Eintragungen vorgenommen wurden, die Buchungsbelege entstanden sind und die Geschäftskorrespondenz ein- oder ausgegangen ist.

Ergänzt werden die Vorschriften des OR durch die Geschäftsbücherverordnung (GeBüV). Diese legt fest, welche Grundsätze der Daten­sicherung und des Datenschutzes einzuhalten sind, siehe Tipps.

Mehrwertsteuerfragen

Für Dokumente betreffend die Mehrwertsteuer gelten die Bestimmungen der Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV Art. 122 bis 125). Demnach ist Folgendes zu beachten:

  • Elektronisch oder auch in vergleichbarer Weise übermittelte und aufbewahrte Daten und Informationen, die für den Vorsteuerabzug, die Steuererhebung oder den Steuerbezug relevant sind, haben die gleiche Beweiskraft wie Daten und Informationen, die ohne Hilfsmittel lesbar sind, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind und sofern Ursprung, Integrität und Versand nachweisbar sind.
  • Belege können der Eidgenössischen Steuerverwaltung elektronisch übermittelt werden, sofern diese das ausdrücklich für zulässig erklärt hat. Bestimmte elektronische Daten und Informationen sind verschlüsselt zu übermitteln, was allgemein für Steuerdaten zu empfehlen ist.

Rechtslage in Europa

Die juristische Grundlage in der EU ist die Signaturrichtlinie 1999/93/EG. Die elektronische Signatur entspricht einer eigenhändigen Unterschrift auf Papierdokumenten. Um die Akzeptanz elektronischer Authentifizierungsmethoden zu fördern, sei zu gewährleisten, dass elektronische Signaturen in allen Mitgliedsstaaten in Gerichtsverfahren als Beweismittel verwendet werden können. Zertifikate, die von einem Zertifizierungsdiensteanbieter eines Drittlandes als qualifizierte Zertifikate ausgestellt werden, sind den in der EU ausgestellten Zertifikaten gleichgestellt, wenn

  • der Zertifizierungsdiensteanbieter die Anforderungen der Richtlinie erfüllt und im Rahmen eines freiwilligen Akkreditierungssystems eines Mitgliedstaats akkreditiert ist
  • oder ein in der Gemeinschaft niedergelassener Zertifizierungsdiensteanbieter, der die Anforderungen der Richtlinie erfüllt, für das Zertifikat einsteht
  • oder das Zertifikat oder der Zertifizierungsdiensteanbieter im Rahmen einer bilateralen oder multilateralen Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft und Drittländern oder internationalen Organisationen anerkannt ist.
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