Gesetze und Paragraphen – der Dschungel wird für Unternehmen und Unternehmer immer dichter. Sich darin zurechtzufinden, kostet viel Zeit sowie Mühe und bringt zuweilen Ärger. Dem Gesetzgeber ist es vor Kurzem gelungen, ein weiteres kleines Monster zu schaffen, das für Unternehmer potenziell schwerwiegende Auswirkungen haben kann. Auf internationalen Druck, im Besonderen von der Groupe d’action financière (GAFI), einem internationalen Gremium mit Sitz bei der OECD, wurden in aller Eile strenge Transparenzvorschriften für Gesellschaften sowie deren Anteilsinhaber geschaffen, die der Bekämpfung der Geldwäscherei und von Steuerdelikten dienen sollen. Diese neuen Vorschriften sind leider in vielen Belangen unausgegoren und führen daher in der Praxis zu unzähligen Fragen und Problemen.
Die neuen Regelungen
Die am 1. Juli 2015 in Kraft getretenen neuen Transparenzvorschriften haben Auswirkungen auf sämtliche Aktiengesellschaften mit Namen- und Inhaberaktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie deren Anteilseigner. Keine Meldepflicht besteht, wenn Aktien an einer börsenkotierten Gesellschaft erworben werden oder wenn die Aktien als sogenannte Bucheffekten ausgestaltet, das heisst, einem Effektenkonto bei einer Verwahrungsstelle gutgeschrieben worden sind. Dass die neuen Vorschriften für Gesellschaften mit Inhaberaktionären gelten, ist leidlich bekannt. Gemäss Art. 697i OR muss jeder, der auch nur eine Inhaberaktie erwirbt, der Gesellschaft den Erwerb melden. Dabei muss er den Besitz der Aktie(n) nachweisen sowie Vor- und Nachname beziehungsweise Firma und Adresse des Aktionärs (amtlicher Ausweis bei natürlichen beziehungsweise Handelsregisterauszug bei juristischen Personen) angeben.
Wer betroffen ist
Weniger bekannt ist, dass die neuen Transparenzvorschriften nicht nur für Inhaberaktionäre, sondern auch für Namenaktionäre und Gesellschafter von GmbH gelten. So muss gemäss Art. 697j OR jeder, der allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25 Prozent des Kapitals oder der Stimmen einer Gesellschaft erreicht, der Gesellschaft Vor- und Nachname sowie Adresse der Person melden, die an den erworbenen Anteilen wirtschaftlich berechtigt ist.
Dass die Meldung durch den erwerbenden Aktionär beziehungsweise Gesellschafter und nicht den wirtschaftlich Berechtigten erfolgen muss, kann problematisch sein, weil der Erwerber den tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten bei indirekten Beteiligungsverhältnissen unter Umständen gar nicht kennt. Wirtschaftlich berechtigt ist jene natürliche (nicht juristische!) Person, welche die erworbenen Anteile direkt oder indirekt beherrscht.
Oft ist dies der Aktionär beziehungsweise Gesellschafter selbst. Bei einer indirekten Beteiligung ist als wirtschaftlich Berechtigter jene Person zu melden, die den mindestens 25-prozentigen Anteil (indirekt) kontrolliert. Eine indirekte Kontrolle ist anzunehmen, wenn an jeder zwischengeschalteten Gesellschaft die Mehrheit der Stimmen oder des Kapitals gehalten wird oder die jeweilige Gesellschaft anderweitig beherrscht wird (vgl. dazu das Beispiel im Kasten).
Meldefristen
Die Meldefrist für Inhaberaktionäre und betreffend wirtschaftlich Berechtigte beträgt ein Monat ab dem Erwerbszeitpunkt. Als Erwerb gilt in beiden Fällen nicht nur der Kauf von Aktien (oder von Stammanteilen), sondern ebenso der Erwerb durch Schenkung, Erbgang, Scheidung oder Kapitalerhöhung einer Gesellschaft. Im Gegensatz zur Meldepflicht der Inhaberaktionäre muss die Meldepflicht betreffend die wirtschaftlich Berechtigten auch bei einer Gründung erfolgen. Änderungen von Name und Adresse von Inhaberaktionär und wirtschaftlich berechtigter Person müssen ebenfalls gemeldet werden.
Von den Gesellschaftern, die ihre Anteile bereits vor dem 1. Juli 2015 hielten, trifft die Meldepflicht nur die Inhaberaktionäre. Diese hätten bis spätestens 31. Dezember 2015 melden müssen. Namenaktionäre sowie die Gesellschafter von GmbH, die bereits vor dem 1. Juli 2015 Anteilseigner waren, geniessen dagegen ein übergangsrechtliches Privileg. Sie sind nur dann zur Meldung verpflichtet, wenn sie seit dem 1. Juli 2015 Aktien erworben haben und (erst) seit diesem Erwerb mindestens 25 Prozent der Stimmen oder des Kapitals einer Gesellschaft halten. Basierend auf den Meldungen, muss die Gesellschaft ein Verzeichnis der Inhaberaktionäre beziehungsweise der wirtschaftlich Berechtigten führen. Die dem Verzeichnis zugrundeliegenden Belege sind bis zehn Jahre nach Streichung einer Person aus dem entsprechenden Verzeichnis aufzubewahren.
Am Rande sei erwähnt, dass mit der Einführung der Transparenzvorschriften im Aktienrecht aufgrund der Vorgaben von GAFI auch neue Regelungen für Barzahlungsgeschäfte eingeführt wurden. Barzahlungen über 100 000 CHF dürfen nur noch unter Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten (insbesondere Identifikations- und Dokumentationspflichten) entgegengenommen werden.
Folgen und praktische Relevanz
Die Verletzung der neuen Meldepflichten hat weitreichende, auch finanzielle Folgen. Es lohnt sich daher, den Meldepflichten nachzukommen. Solange sich ein Gesellschafter nicht meldet, bleibt ihm zum einen die Ausübung der sogenannten Mitgliedschaftsrechte verwehrt (sog. Suspendierung der Mitwirkungsrechte). Und zum anderen verliert er seine Vermögensrechte (sog. Verwirkung der Vermögensrechte). Ein säumiger Aktionär kann daher weder an einer Generalversammlung teilnehmen noch sein Stimm- und Wahlrecht ausüben. Ebenso wenig kann er sein Traktandierungs- und Einberufungsrecht wahrnehmen und nebst weiteren Folgen kann er auch kein Auskunfts- oder Einsichtsbegehren stellen oder eine Sonderprüfung verlangen.
Die Verwirkung der Vermögensrechte führt insbesondere dazu, dass ein Aktionär, solange er nicht meldet, kein Recht auf Dividende hat. Kommt er später seiner Pflicht nach, so lebt das Dividendenrecht zwar wieder auf, allerdings nur für künftige und nicht für bereits erfolgte Dividendenausschüttungen. Die Nichtbeachtung dieser Regelungen kann in der Praxis unangenehme Folgen haben. Gewährt der Verwaltungsrat beispielsweise einem meldepflichtigen Aktionär Zutritt zur Generalversammlung, ohne dass der Aktionär gemeldet hat, führt dies dazu, dass die GV-Beschlüsse anfechtbar sind. Das Gleiche gilt, wenn der Verwaltungsrat eine Generalversammlung durchführt und Traktanden aufnimmt, die ein säumiger Aktionär verlangt hat. Werden Dividenden an einen Aktionär ausbezahlt, der seine Meldepflicht nicht erfüllt hat, können diese jederzeit vom säumigen Aktionär zurückverlangt werden.
Für die Durchsetzung dieser neuen Regelungen ist der Verwaltungsrat zuständig. Nimmt er diese Pflichten nicht wahr, macht er sich gegenüber Aktionären und Gläubigern persönlich verantwortlich. Jeder Verwaltungsrat haftet somit mit seinem Privatvermögen für unter anderem unrechtmässig ausgeschüttete Dividenden. Das kann insbesondere dann relevant werden, wenn ein Unternehmen in Konkurs fällt, oder sich Aktionäre zerstreiten. Dem Verwaltungsrat obliegt auch die saubere Führung des Verzeichnisses der Inhaberaktionäre beziehungsweise der wirtschaftlich Berechtigten. Macht er in den Verzeichnissen beispielsweise falsche Angaben, liegt unter Umständen eine strafrechtlich relevante Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) vor.