Recht

Aussergerichtliche Verfahren

Die Wirtschaftsmediation nach der neuen Zivilprozessordnung

Konflikte zwischen Unternehmen, zwischen Handelspartnern oder innerhalb eines Unternehmens wirken meistens destruktiv und binden finanzielle sowie zeitliche Ressourcen. Nur wenige Unternehmen können sich bei Konflikten langwierige und teure Gerichtsverfahren leisten. Die Mediation ist in solchen Fällen eine alterna-tive Streitbeilegungsmethode. Der schweizerische Gesetzgeber hat die Vorteile und Chancen der Mediation als Alternative zum gerichtlichen Verfahren erkannt und die Mediation in der neuen Zivilprozessordnung verankert.
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Mediation ist eine Form der Streitbeilegung und Alternative zum gerichtlichen Verfahren. Nach ihrer Definition ist die Mediation ein strukturiertes, aussergerichtliches Konfliktbearbeitungsverfahren, in welchem die am Konflikt Beteiligten – unter Mithilfe eines neutralen Dritten – eine von ihnen selbst verantwortete und einvernehmliche Konfliktlösung erarbeiten. Der Wirtschaftsmediator ist im Mediationsverfahren ein allparteilicher Vermittler, der im Gegensatz zu einem Richter keine Entscheidungs- oder Urteilfindungsgewalt hat. Er ist ausschliesslich für den Prozessablauf verantwortlich. Die eigentlichen Lösungen werden von den Parteien gemeinsam erarbeitet. Die Parteien selber treffen dabei die notwendigen Entscheidungen und beherrschen somit das Verfahren.

Mediation in der Wirtschaft

In der Schweiz kennt man die Mediation seit Mitte der Achtzigerjahre. Die Mediation hat in verschiedenen Bereichen Fuss gefasst, so auch in der Wirtschaftswelt. Die Wichtigkeit des Mediationsverfahrens wird auch auf europäischer Ebene hervorgehoben. Das Mediationsverfahren gewann insbesondere anfangs 2008 an Bedeutung, als das Europäische Parlament die Richtlinie über bestimmte Aspekte der Mediation in Handels- und Zivilsachen annahm (RL 2008/52/EG).

Aktuell hat das Europäische Parlament deren Umsetzung untersucht und im September 2011 einem Bericht, welcher die Vorteile wie Zeit- und Kostenersparnis gegenüber zivil- und handelsrechtlichen Gerichtsverfahren sowie hohe Erfolgsaussichten betont, zugestimmt. Im Bericht wurde auch Kritik geäussert, dass die Bürger durch die Mitgliedsstaaten zu wenig über die Mediation informiert wurden. Daher hat die EU vor, die Umsetzung der Mediationsrichtlinie in den Mitgliedsstaaten bis Mitte 2012 zu fördern.

Kodifizierung der Mediation

Die Mediation hat mit Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) per 1. Januar 2011 den Weg in das kodifizierte Recht gefunden. Die Aufnahme der Mediation in die Schweizerische ZPO stellt eine wert- und sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden hoheitlichen Verfahren dar. Die Schweizerische ZPO unterscheidet zwischen zwei Erscheinungsformen der Mediation: Einerseits die Mediation anstelle des Schlichtungsverfahrens, andererseits die Mediation als Zwischenverfahren in einem bereits hängigen Prozess. Das Gesetz regelt dazu die Organisation, die Vertraulichkeit und Unabhängigkeit, die Genehmigung der erzielten Vereinbarung sowie die Kostenfrage. Nach dem Gesetz haben die Parteien die Möglichkeit, durch gemeinsamen Antrag anstatt der obligatorischen Schlichtung den Weg der Mediation und mit ihr den Mediator zu wählen. Die Einvernehmlichkeit des Antrags bringt die Freiwilligkeit zum Ausdruck. Die Mediation endet, wenn die Parteien einen Vergleich abschliessen oder wenn mindestens eine Partei der Schlichtungsbehörde das Scheitern der Verhandlungen mitteilt. Dieser Abbruch führt zur Ausstellung der Klagebewilligung durch die Schlichtungsbehörde und berechtigt zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens.

Mediationsvertrag abschliessen

Das Gesetz regelt nicht jedes Detail des Mediationsverfahrens. Die Parteien sollen frei von Zwang und unnötigen Schranken die Rahmenbedingungen für die Mediation festlegen können. Dies geschieht regelmässig durch den Abschluss des Mediationsvertrages, welcher folgende Schwerpunkte festlegen sollte: Ablauf, Organisation (Zeit/Logistik), Honorar des Mediators, Kostentragung sowie auch die Absicht der Parteien beim Abschluss eines Vergleiches, diesen dem Gericht zur Genehmigung zuzustellen.

Erledigung durch Vereinbarung

Abgeschlossen wird die erfolgreiche Media-tion üblicherweise durch eine Vereinbarung, in der sämtliche Lösungen zu Papier gebracht werden. Die Parteien können die Genehmigung der getroffenen Einigung bzw. Teileinigung beim zuständigen Richter beantragen, was dann einem rechtskräftigen Urteil gleichkommt. Auch während dem Entscheidverfahren kann eine Mediation im Sinne eines Zwischenverfahrens jederzeit durch das Gericht empfohlen oder durch gemeinsames Begehren der Parteien verlangt werden. Das Gericht hat keine Möglichkeit, die Parteien zur Mediation zu zwingen. Ein vom Gericht sanft ausgeübter Druck auf einen Mediationsversuch kann jedoch unter Umständen sinnvoll sein.

Warum Mediationsverfahren?

Ein Vergleich mit den ordentlichen Gerichtsverfahren zeigt, dass das Mediationsverfahren regelmässig schneller und kostengünstiger abgeschlossen werden kann. Da die Parteien ihre Entscheidungskompetenz nicht abgeben, sind sie in der Position aktiv, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Die Mediation eignet sich traditionellerweise für nachhaltige Lösungen bei Dauerverhältnissen, gerade mit Hinblick auf das künftige Miteinander. Dies betrifft Fälle, bei denen die persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten eine wichtige Rolle spielt und/oder bei denen neben der Klärung von vergangenen Sachverhalten auch eine zukunftsgerichtete Lösung erforderlich ist (beispielsweise Konflikte in Organisationen und Unternehmen, zwischen Unternehmen bei dauerhaften Geschäftsverbindungen, Nachbarschaftsstreitigkeiten und bei Nachfolgeregelungen). Die Mediation eignet sich insbesondere, wenn mehrere Parteien in den Streit involviert sind und/oder wenn Personen aus unterschiedlichen Kulturen aufeinandertreffen.

Die Shuttle-Mediation

Die Praxis hat gezeigt, dass auch bei sog. Liquidationsstreitigkeiten – wenn die Parteien also kein künftiges Miteinander planen –, die Durchführung eines Mediationsverfahrens effektiv sein kann. Die Methodik in solchen Fälle muss entsprechend angepasst werden. Wenn die Parteien zerstritten sind und kein Interesse füreinander haben, werden sie sich kaum auf ein gemeinsames, konstruktives Gespräch einlassen. In solchen Fällen eignet sich die sog. Pendel-Mediation (englisch Shuttle-Mediation genannt). Hierbei werden die Gespräche mit den Parteien getrennt geführt. Der Mediator pendelt zwischen den Sitzungszimmern, wo sich die Parteien befinden, hin und her und sorgt für eine angemessene und konstruktive Kommunikation bzw. für die Übermittlung von Vergleichsofferten. Die Stärke dieser Methode besteht darin, dass die Parteien im Rahmen der Einzelgespräche über vertrauliche Themen frei sprechen und ihre Offerten gut überlegen können. Durch die fehlende Gegenüberstellung der Parteien werden das reaktive Verhalten und die Gesichtswahrungsproblematik vermieden.

Teilnahme der Rechtsvertreter

Ob die Anwesenheit der Rechtsvertreter der Parteien im Mediationsverfahren erforderlich ist, ist eine Frage, die im Rahmen der Vorbereitung des Mediationsverfahrens diskutiert werden muss. Allgemein kann gesagt werden, dass es gerade bei juristisch-technisch anspruchsvollen Sachverhalten sinnvoll ist, wenn die Parteien rechtlich betreut werden. Die Anwälte können die Mediation erklären und begünstigen, indem sie die Prozessrisiken aufzeigen; sie können weiter Teilaufgaben wie die Rechtskontrolle, die Ausformulierung der Vereinbarung und die Fairnesskontrolle übernehmen.

Fazit und Aussichten

Im Ergebnis kann gesagt werden, dass die Mediation eine interessante Alternative des ordentlichen Gerichtsverfahrens ist. Die Vorteile der Mediation gegenüber einem Gerichtsverfahren hängen vor allem mit dem Selbstbestimmungsrecht der Mediationsparteien zusammen. Vor Gericht verlieren die Parteien den Einfluss auf die Lösung des Konflikts, auf die Kosten und auf den zeitlichen Ablauf des Verfahrens. Dies alles steht im Kompetenzbereich des Richters. Das von einem Dritten, Richter oder Schiedsrichter gefällte Urteil muss von den Parteien akzeptiert werden. Im Rahmen der Mediation haben die Parteien hingegen Einfluss auf die wichtigsten Faktoren wie Zeit und Kosten sowie auf die Lösungsfindung.

Auch unter Berücksichtigung der Wirksamkeit und Ressourceneinsparung ist die Mediation eine effiziente Alternative zum gerichtlichen Verfahren. Nebst ausserprozessual durchgeführten Mediationsverfahren kann und soll auch bei bereits eingeleiteten Gerichtsverfahren die Mediation vermehrt zur effizienten Streitbeilegung eingesetzt werden.

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