Recht

Gesetzesänderungen 2022

Die wichtigsten Revisionen für die nächsten Jahre

Auch im nächsten Jahr gibt es wieder neue juristische Vorschriften. Besonders wichtig sind für Unternehmen das neue Kartellrecht, einige Verordnungsänderungen im Energie- und Umweltrecht und die neuen Standarddatenschutzklauseln (SDK) der EU. Vorbereiten muss man sich auf die globale Mindestbesteuerung nach OECD und das neue Erbrecht.
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Für das kommende Jahr und darüber ­hinaus wurden eine ganze Reihe von ­Revisionen gesetzt oder angekündigt. Ein Überblick.

Diverse

Der Bundesrat hat entschieden, den vom Parlament beschlossenen indirekten Gegenvorschlag zur Fair-Preis-Initiative auf den 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen. Geändert werden das Kartellgesetz sowie das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Vor allem gibt es neue Regelungen für relativ marktmächtige Unternehmen, von denen ein oder mehrere andere Unternehmen in einer Weise abhängig sind, dass für sie keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen. 

Weiter wird im UWG privates Geoblocking durch Unternehmen grundsätzlich als unlauter und somit als unzulässig qualifiziert. Demnach soll im Fernhandel (Internet, Telefon, Katalog) eine Diskriminierung von Schweizer Nachfragern bei Preisen oder Zahlungsbedingungen grundsätzlich nur noch bei Vorliegen ­eines sachlichen Grundes möglich sein. Die neue Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz in den Bereichen Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten sowie Kinderarbeit (VSoTr) konkretisiert die neuen Gesetzesbestimmungen (Artikel 964quinquies Absatz 2, 3 und 4 und Art. 964sexies Absatz 4 OR). Damit wird der indirekte Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsini­tiative umgesetzt.

Geplant ist ein Bundesgesetz über die Entlastung der Unternehmen von Re­gulierungskosten (Unternehmensentlastungsgesetz, UEG). Regulierungen, die Unternehmen stark belasten, sollen im Parlament einem qualifizierten Mehr unterstellt werden. Dafür ist eine Verfassungsänderung notwendig.

Die Verordnung 1 und 2 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1 und ArGV 2) werden geändert. Die Revision zielt vor allem darauf ab, die Anwendung des Gesetzes zu vereinfachen, um den Schutz der Angestellten besser zu gewährleisten. Weiter geht es um Bewilligungen von Nacht- und Sonntagsarbeit. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen bei der Erteilung von Arbeitszeitbewilligungen wird klarer geregelt. 

Das revidierte Erbrecht wird auf den 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt. Erblasser können künftig über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen, insbe­sondere der Pflichtteil für Kinder wurde reduziert. Um bei der erbrechtlichen Übertragung eines Unternehmens weitere Stolpersteine zu beseitigen, will der Bundesrat die Unternehmensnachfolge mit weiteren erbrechtlichen Massnahmen zusätzlich erleichtern. Er hat dazu eine separate Vorlage erarbeitet.

Höhere Liquidität für Banken

Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) hat am 30. September 2021 die Vernehmlassung zur Änderung der Liquiditätsverordnung eröffnet. Die Revision soll sicherstellen, dass systemrelevante Banken ausreichend Liquidität halten. Die Vernehmlassung dauert bis am 13. Januar 2022.

Im neuen Regulierungskonzept decken die Grundanforderungen gewisse Risiken ab, die in den für alle Banken geltenden Bestimmungen zu wenig berücksichtigt sind. Die FINMA kann zusätzlich institutsspezifische Zuschläge erheben. Massnahmen wie beispielsweise der Verkauf marktgängiger Wertpapiere, mit denen eine Bank während einer Krise Liquidität beschaffen kann, sollen bis zu einer Obergrenze angerechnet werden können. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, können die Liquiditätsanforderungen auch durch eine kantonale Staats­garantie oder einen ähnlichen Mechanismus erfüllt werden.

Globale Mindestbesteuerung

Das Inclusive Framework der OECD mit 140 Mitgliedländern, darunter die Schweiz, hat die Eckwerte zur künftigen Besteuerung von grossen, international tätigen Unternehmen konkretisiert. Bei der globalen Mindestbesteuerung soll ein Satz von 15 Prozent gelten. Unilaterale Digitalsteuern sollen verbindlich abgeschafft werden. Überdies ist eine gestaffelte Einführung der Mindestbesteuerungsregeln vorgesehen. 

Weitere für die Schweiz wichtige Punkte sind noch offen und sollen in den kommenden Monaten konkretisiert werden. Nicht nur Schweizer Politiker kritisieren den Zeitplan der OECD, der nationale Gesetzgebungsprozesse zu wenig respektiert. Es wird für die Schweiz nicht möglich sein, die neuen Regeln auf das von der OECD vorgesehene Jahr 2023 einzuführen. Aber eine rechtzeitige Vorbereitung ist den Unternehmern zu empfehlen. 

Parallel zu den weiteren Arbeiten der OECD erarbeitet das Eidgenössische Finanzdepartement in enger Zusammen­arbeit mit weiteren Departementen und unter Einbezug von Kantonen, Städten, Wirtschaft und Wissenschaft bis im 1. Quartal 2022 Vorschläge an den Bundesrat, welche den Unternehmen weiterhin bestmögliche Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum bieten und international akzeptiert sind.

Neue Tonnagesteuern

Die Tonnagesteuer auf Seeschiffen ist ­international breit akzeptiert und namentlich in der Europäischen Union weit ­verbreitet. Die Einführung auch in der Schweiz soll für Schifffahrtsunternehmen gleich lange Spiesse im Wettbewerb schaffen. Der Tonnagesteuer unterstellt werden können ausschliesslich Seeschiffe für Güter- und Personentransport, Rettungs- und Unterstützungsdienste, Kabel- und Rohrverlegung, Errichtung von Offshore-Bauwerken und wissenschaftliche Meeresforschung. Steuerpflichtig ist die Person, die das Schiff betreibt.

Durch eine Verordnung über das Meldeverfahren im Konzern bei der Verrechnungssteuer soll die Beteiligungsquote, ab der das Meldeverfahren im Konzern zulässig ist (heute 20 Prozent), auf 10 Prozent gesenkt werden. Die vorgängig im internationalen Verhältnis einzuholende Bewilligung soll neu fünf (heute drei) Jahre gelten. Daraus ergibt sich eine administrative Erleichterung für die Unternehmen und die Steuerbehörden.

Ein Bundesgesetz über Pilotprojekte zu Mobility Pricing ist geplant. Kantone, Städte oder Gemeinden sollen örtlich und zeitlich begrenzte Pilotprojekte, die eine Abgabepflicht vorsehen, durchführen. So werden Erkenntnisse zur gezielten Beeinflussung der Verkehrsnachfrage und des Mobilitätsverhaltens im motorisierten Individualverkehr sowie im öffentlichen Verkehr gewonnen. Der Bund soll Pilotprojekte finanziell unterstützen. 

Umweltschutz und Energie

Das Eidgenössische Departement für ­Umwelt, Verkehr, Energie und Kommuni­kation (UVEK) hat am 11. Oktober 2021 die Vernehmlassung zu Änderungen der Energieeffizienzverordnung, der Niederspannungs-Installationsverordnung und der Raumplanungsverordnung eröffnet. Die Vernehmlassung dauert bis zum ­25. Januar 2022.

  • Energieeffizienzverordnung (EnEV): Die Berechnungsmethodik zur Ein­teilung der Personenwagen in die Energieeffizienz-Kategorien wird angepasst. Das Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen ist für den 1. Januar 2023 geplant.
  • Niederspannungs-Installationsverordnung (NIV): Die Kontrollperiode von fünf Jahren (neuere Installationen 20 Jahre) gilt nicht mehr nur für die Installationen nach veralteten Normengenerationen, sondern für die gesamten Hausinstallationen, die solche Installationsabschnitte enthalten. So wird ein Anreiz geschaffen, veraltete Installationen zu ersetzen und auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen, was die Sicherheit bedeutend erhöht. Das Inkrafttreten der Änderung ist für den 1. Juli 2022 geplant.
  • Raumplanungsverordnung (RPV): Wichtige Kategorien von Solaranlagen ausserhalb der Bauzonen sollen als standortgebunden erklärt werden, z.B. Solaranlagen an Fassaden, Staumauern und Lärmschutzwänden. Durch diese Änderung kann man Bewilligungen rascher erteilen. Solaranlagen auf Flachdächern in Arbeitszonen sollen unter bestimmten Voraussetzungen von der Baubewilligungspflicht befreit werden. Das Inkrafttreten der Änderung ist für den 1. Juli 2022 geplant.
  • Chemikalienverordnung (ChemV): Durch die Revision wird sichergestellt, dass für alle wichtigen Stoffe in der Schweiz sicherheitsrelevante Daten vorhanden sind. Damit können die von ihnen ausgehenden Risiken abgeschätzt und gegebenenfalls reduziert werden. Die Anmeldepflicht für neue Stoffe wird angepasst. Dazu sollen Mindestanforderungen an die Sprache der Kennzeichnung in der Chemikalienverordnung und anderen Verordnungen neu formuliert und mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG) harmonisiert werden.
  • Verordnungen des Umweltrechts: Geändert werden die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV), die Verordnung über die Lenkungsabgabe auf flüchtigen organischen Verbindungen (VOCV), die Abfallverordnung (VVEA) und die Verordnung über den Verkehr mit Abfällen (VeVA).

Datenschutz

Am 4. Juni 2021 veröffentlichte die EU-­Kommission überarbeitete Standard­datenschutzklauseln (SDK), die im Einklang mit der DSGVO stehen. Mit diesen neuen Standardvertragsklauseln soll sichergestellt werden, dass die Anforderungen der DSGVO bei der Übermittlung personenbezogener Daten an ein Drittland eingehalten werden. Als Datenexporteure gelten natürliche oder juristische Personen, die Daten in ein Drittland übermitteln, als Datenimporteur gilt, wer diese Daten direkt oder indirekt erhält.

Die Standardvertragsklauseln werden auch in der Schweiz anerkannt, und zwar als Grundlage für Personendatenübermittlungen in ein Land ohne angemes­senes Datenschutzniveau, sofern die für eine Verwendung unter Schweizer Datenschutzrecht notwendigen Anpassungen und Ergänzungen vorgenommen werden. 

Bildung

Der Bundesrat hat das revidierte ETH-Gesetz per 1. November 2021 in Kraft gesetzt. Auch hat er beschlossen, die aufgrund des revidierten Gesetzes angepassten Verordnungen über das Finanz- und Rechnungswesen des ETH-Bereichs und über die ETH-Beschwerdekommission per 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen.

Die Anpassungen im Bundesgesetz über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH-Gesetz) beinhalten eine weitere Umsetzung der Corporate Go­vernance-Vorgaben für verselbständigte ­Anstalten des Bundes. Konkret wird die Unabhängigkeit zwischen der operativen und der strategischen Ebene ausgebaut, indem das Stimmrecht der Vertreter der ETH-Institutionen im ETH-Rat angepasst wird. 

Auch die Aufsichtskompetenzen des ETH-Rates im ETH-Bereich werden präzisiert. Künftig ist zudem ausgeschlossen, dass die Institutionen des ETH-Bereiches gegen Beschlüsse des ETH-Rates zu Mittelzusprachen und Wahlgeschäften beim Bundesverwaltungsgericht rekurrieren. Die Aufsichtsbeschwerde an den Bundesrat bleibt auch in diesen Bereichen nach wie vor möglich.

Schengen-Recht

Im Schengen-Recht gibt es Verordnungsanpassungen aufgrund der Übernahme der SIS-Verordnungen (EU) 2018/1860, 2018/1861 und 2018/1862 (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) und der Anpassung des BGIAA zur Er­stellung einer umfassenden Statistik im Rückkehrbereich.

Neu basiert SIS auf drei Verordnungen, die den Betrieb und die Nutzung des ­Systems in jeweils unterschiedlichen Bereichen regeln: die Verordnung (EU) 2018/1862 «SIS Polizei», die Verordnung (EU) 2018/1861 «SIS Grenze» und die Verordnung (EU) 2018/1860 «SIS Rückkehr». Zur Umsetzung dieser Erlasse, ­deren Inkraftsetzung für Ende 2021 vorgesehen ist, sowie zur Konkretisierung der Gesetzesänderungen im BGIAA sind Anpassungen in mehreren Verordnungen des Schweizer Rechts vorzunehmen.

Dazu gehören die Ausführungsbestimmungen zur Nutzung des Einreise- und Ausreisesystems (EES). Dieses dient der elektronischen Erfassung von Ein- und Ausreisen von Drittstaatsangehörigen, die für einen Kurzaufenthalt in den Schengen-Raum einreisen, und der Er­fassung von Einreiseverweigerungen an der Schengen-Aussengrenze. 

Für die Umsetzung der EU-Rechtsgrundlagen zum EES und der dazugehörigen Anpassungen im Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) sind auch auf Verordnungsebene Anpassungen erforderlich. 

Eine neue Verordnung über das Ein- und Ausreisesystem (EESV) regelt hauptsächlich die Eingabe-, Bearbeitungs- und Abfragerechte der schweizerischen Behörden sowie das Verfahren für die Abfrage und den Zugang zu den Daten des EES.

Zum anderen werden die Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung (VEV) geändert und wenige Anpassungen in der Verordnung über das zentrale Visa-In­formationssystem und das nationale Visumsystem (VISV) vorgenommen. Die Gesetzes- und Verordnungsänderungen sollen mit der Betriebsaufnahme des EES in Kraft treten, die für den Mai 2022 ­vorgesehen ist.

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