Recht

Arbeitsrecht

Die Sonderstellungen für Aussendienstmitarbeiter

Mitarbeiter im Aussendienst haben oft eine gewisse Sonderstellung im Unternehmen. Sie sorgen für Umsatz, geniessen Freiheit und sind viel unterwegs und selten im Unternehmen. Auch arbeitsrechtlich betrachtet, stellen Aussendienstmitarbeiter im engeren Sinn einen Spezialfall dar.
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Unternehmen sprechen jeweils von ihren Aussendienstmitarbeitern als wäre allgemein klar, welche Funktionen damit gemeint sind. Fragt man dann jeweils nach, welche Funktionen denn nun als Aus­sendienstmitarbeitende gelten und wie diese tatsächlich arbeiten, merkt man, dass das Verständnis des Begriffs «Aus­sendienst» unterschiedlich und weitgefasst ist. Gerade rund um die Diskussion der Arbeitszeiterfassung wurde viel um die Mitarbeitenden im Aussendienst gesprochen, immer in der Annahme, diese unterstehen der Arbeitszeiterfassung nicht. Das kann, muss aber nicht so sein. Aussendienstler können normale Arbeitnehmer oder Handelsreisende sein oder auch als externe Mitarbeitende, als Agenten, tätig sein.

Besondere Regelungen

Das Gesetz, sowohl Obligationenrecht als auch das Arbeitsgesetz, hat separate Regelungen für den Handelsreisendenvertrag aufgestellt. Entgegen dem leicht antiquierten Begriff, ist diese Arbeitsform nach wie vor weitverbreitet. Mehr noch, im Sinne des Gesetzes ist nur jener Mitarbeiter ein «echter» Aussendienstmitarbeiter, der die Kriterien des Handelsreisenden erfüllt. Der Begriff Aussendienstmitarbeiter ist kein juristischer und nicht klar abgegrenzt.

Der Begriff Handelsreisender dagegen wird gemäss Art. 347 ff. OR definiert. Der Handelsreisendenvertrag stellt demnach eine besondere Form des Arbeitsvertrags dar. Dort, wo keine Spezialregelungen zum Tragen kommen, gelten die allgemeinen Regeln des Arbeitsvertragsrechts nach Obligationenrecht (OR). Zudem sind die Handelsreisenden vom Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes gänzlich ausgeschlossen (Art. 3 lit. g ArG). Das heisst für sie gelten insbesondere keine Arbeits- und Ruhezeitenvorschriften und sie sind von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ausgenommen. Ein verlockender Gedanke, den Begriff des Aussendienstmitarbeiters auszudehnen. Doch wie bereits erwähnt, relevant ist die gesetzliche Definition, dieser muss das faktische Vertragsverhältnis standhalten, nur dann liegt effektiv ein Handelsreisendenvertrag vor.

Kriterien für Handelsreisende

Die Definition des Handelsreisenden beinhaltet zunächst vier positive Merkmale:

  • Der Mitarbeitende arbeitet auf Rechnung des Geschäftsinhabers.
  • Das Geschäft ist nach kaufmännischer Art geführt.
  • Der Mitarbeiter vollbringt seine Arbeit ausserhalb der Geschäftsräume.
  • Der Mitarbeiter vermittelt Geschäfte mit Dritten oder schliesst diese direkt mit Dritten ab.

Zur weiteren Abgrenzung sind drei Negativkriterien zu prüfen. Nicht als Handelsreisender gilt, selbst wenn die oben erwähnten positiven Kriterien erfüllt sind, wer: nicht vorwiegend eine Reisetätigkeit ausübt nur vorübergehend oder gelegentlich für den Arbeitgeber tätig ist Geschäfte auf eigene Rechnung abschliesst

Hat man diese insgesamt sieben Kriterien auf ein bestehendes Vertragsverhältnis geprüft, kann der Schluss gezogen werden, ob ein Handelsreisendenvertrag vorliegt oder nicht. Und hiermit ist klar, dass nicht jeder der Aussendienstmitarbeiter genannt ist, auch tatsächlich ein solcher im Sinne der Legaldefinition des Handelsreisenden darstellt. So ist ein Aussendienstmitarbeiter, der Aufgaben hat wie beispielsweise Kundenbetreuung, Verkaufsförderung oder Geschäftsabwicklung, kein Handelsreisender, da seine Tätigkeit nicht auf die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften gerichtet ist.

Darauf hinzuweisen ist, dass es für das Vorliegen eines Handelsreisendenvertrags nicht ausreicht, dass der Mitarbeitende ausserhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers tätig ist (z. B. Homeoffice). Der Mitarbeitende muss tatsächlich für den Arbeitgeber unterwegs sein, also eine Reisetätigkeit haben. Zudem muss die Reisetätigkeit mindestens 50 Prozent seiner Arbeitszeit ausmachen. Erst dann ist dieses Kriterium richtig erfüllt.

Schriftlichkeit vorausgesetzt

Im Gegensatz zum normalen Arbeitsvertrag muss der Handelsreisendenvertrag schriftlich abgeschlossen werden. Es braucht eine schriftliche Vereinbarung betreffend die Dauer und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Vollmachten des Handelsreisenden sowie das Entgelt respektive den Auslagenersatz für den Handelsreisenden (vgl. Art. 347a OR). Daneben sind auch die Formvorschriften im Einzelarbeitsvertrag zu beachten, die – wie bereits erwähnt – subsidiär auch für den Handelsreisenden gelten.

Hinsichtlich des Verkaufs- respektive Reisegebiets des Mitarbeitenden stellt das Gesetz eine Vermutung auf, dass wenn ein Gebiet schriftlich zugewiesen wird, davon ausgegangen kann, dass dieses Gebiet dem Mitarbeitenden exklusiv zusteht. Soll dies nicht so sein, so ist eine von dieser gesetzlichen Vermutung abweichende Regelung nur dann gültig, wenn sie schriftlich ist.

Knackpunkt Verkaufsgebiet

In aller Regel wird dem Mitarbeitenden tatsächlich ein Gebiet vertraglich zugewiesen. Über die Folgen eines solchen definierten Gebiets ist man sich aber vielleicht nicht immer restlos bewusst. So gilt beispielsweise, wie oben bereits erwähnt, für ein schriftlich festgelegtes Verkaufsgebiet Exklusivität. Will man das nicht, so hat man eine schriftliche Vereinbarung zu treffen, wonach dem Mitarbeitenden das definierte Gebiet nicht exklusiv zusteht. Unabhängig davon ist es aber so, dass der Arbeitgeber selbstverständlich jederzeit eigene Geschäfte auch im definierten Verkaufsgebiet des Mitarbeitenden direkt abschlies­sen darf. Dem Mitarbeitenden steht aber ein Provisionsanspruch auf solche Direktgeschäfte zu, sofern nichts anderes vereinbart wurde (Art. 349b I OR).

Schliesslich muss man sich stets bewusst sein, dass ein definiertes Verkaufsgebiet eine Vertragsvereinbarung darstellt, die nur im gegenseitigen Einverständnis verändert werden kann. Eine kurzfristige durch den Arbeitgeber verlangte Änderung des Verkaufsgebiets ist zwar grundsätzlich möglich, aber nur wenn ein begründeter Anlass besteht, der eine solche Änderung vor Ablauf der Kündigungsfrist notwendig macht (Art. 349 II OR).

Im Gegensatz zum normalen Arbeitsvertrag findet sich hier also eine gesetzliche Regelung, welche eine sofortige einseitige Vertragsänderung durch den Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen zulässt. Die Hürden sind allerdings hoch. Daneben steht natürlich eine Änderung des Verkaufsgebiets mittels Vertragsänderung oder Änderungsvertrag offen.

Speziell bei der Änderungskündigung gelten allerdings die Bestimmungen des Kündigungsschutzes. Eine einseitige sowie kurzfristige Änderung des Verkaufsgebiets kann aber auch vorgängig vertraglich vorgesehen werden. Eine sofortige Änderung des Verkaufsgebiets, welche zwar vertraglich vorgemerkt ist, aber zu massiven Einkommenseinbussen führen kann, könnte gegebenenfalls anfechtbar sein. Besser wäre daher eine Vertragsvereinbarung, wonach das Verkaufsgebiet einseitig vom Arbeitgeber geändert werden darf, aber unter Beachtung einer mindestens einmonatigen Ankündigungsfrist.

Die Vollmacht

Das Gesetz sieht den Grundsatz vor, dass ein Handelsreisender Geschäfte vermitteln darf. Um Geschäfte auch direkt für den Arbeitgeber abschliessen zu dürfen, bedarf es einer schriftlichen Vollmachtserteilung durch diesen. Der Umfang der Vollmacht des Mitarbeitenden muss also zwingend schriftlich vereinbart worden sein. Die Frage, ob eine vertraglich zugesicherte Vollmacht jederzeit widerrufen werden kann, ist umstritten.

Die herrschende Lehre geht aber davon aus, dass ein jederzeitiges Widerrufsrecht besteht. Trotzdem lohnt es sich, vertraglich auszubedingen, dass der Arbeitgeber die Vollmacht jederzeit und ohne Vorliegen bestimmter Gründe widerrufen kann. Dies ist vor allem im Hinblick auf eine Kündigung oder eine Freistellung nützlich.

Keine Arbeitszeitbeschränkung

Wenn es sich bei den Aussendienstmitarbeitenden tatsächlich um Handelsreisende im Sinne des Obligationenrechts handelt, dann sind sie nicht dem Arbeitsgesetz unterstellt. Sie dürfen so lange arbeiten, wie sie wollen, und haben keine gesetzlichen Ruhezeiten zu beachten. Sie können aber auch keine Überzeiten geltend machen, da für sie auch die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten nicht gelten. Als Arbeitgeber sollte man aber aufpassen, dass man nicht ungewollt in die Überstundenfalle tritt und trotzdem Mehrstunden ausbezahlen oder kompensieren lassen muss, obwohl dies gesetzlich gar nicht vorgesehen ist.

Dieses Risiko besteht dann, wenn man eine bestimmte Arbeitszeit definiert oder ein im Unternehmen übliches Arbeitszeitmodell für anwendbar erklärt. Deshalb muss man aufpassen, wenn Anstellungsreglemente auch für Handelsreisende für anwendbar erklärt werden. Wenn man dies tut, sollten die Unterschiede unbedingt im entsprechenden Handelsreisendenvertrag explizit festgehalten werden. So zum Beispiel die Regelung, dass keine bestimmte Arbeitszeit gilt, diese sich nach den Bedürfnissen des Unternehmens richten. Oder die angegebene Arbeitszeit wird ausdrücklich lediglich als Richtarbeitszeit definiert.

Die Freiheit, die Aussendienstmitarbeitende unbestrittenermassen geniessen, ist also nicht nur eine Kulturfrage eines Unternehmens. Sogar der Gesetzgeber hat die Sonderstellung dieser Mitarbeitenden anerkannt und sie daher gänzlich von den engen Regeln hinsichtlich Arbeits- und Ruhezeit ausgenommen. Die Hürden für das Vorliegen eines solchen Handelsreisendenarbeitsvertrags sind aber relativ hoch. Daher sollte man gut prüfen, ob die eigenen Aussendienstmitarbeitenden tatsächlich in diese Kategorie fallen.

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