Recht

Interne Untersuchungen (Teil 1 von 2)

Die Rechte und Pflichten bei einer Befragung

Jeder kennt sie, die medienpräsenten Skandale bekannter Institutionen, bei welchen plötzlich interne Untersuchungen im Zentrum stehen. Das kann auch einem KMU passieren, denn was früher vertraulich behandelt wurde, wird infolge der veränderten Medienaufmerksamkeit zunehmend für alle Firmen zum Image-Risiko.
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Es braucht wenig, bis eine ursprünglich rein innerbetriebliche Angelegenheit zu einem medialen Super-GAU wird und den guten Ruf eines Unternehmens ramponiert. Je komplexer die Angelegenheit, desto mehr Fragen stellen sich. Die Krux ist, dass man zu Beginn selten das wahre Ausmass erkennen kann. 

Liegt zum Beispiel eine Beschwerde einer Mitarbeiterin vor, dass sich ein Bürokollege ihr gegenüber unangemessen ver­halten habe, zieht man wohl kaum in ­Betracht, dass ein paar Wochen später Schlagzeilen zu lesen sein könnten, wonach das Unternehmen eine desolate Führungs- und Unternehmenskultur habe und Mitarbeitende auf unhaltbare Weise schikaniert werden. Als Arbeitgeber sollte man sich eine konkrete Handlungsanleitung erarbeiten, wie bei der Meldung von unangemessenen Verhaltensweisen oder bei Deliktsvorwürfen vorzugehen ist.

Teil der Fürsorgepflicht

«Wofür haben wir denn die Polizei? Wenn es etwas zu untersuchen gibt, soll das der Staat für uns machen. Das spart uns Zeit und Kosten», so die berechtigte Überlegung eines Firmeninhabers. Doch wie wirkt es, wenn das Polizeifahrzeug auf dem Firmengelände steht, Polizisten in Vollmontur im Gebäude umhergehen oder Mitarbeitende eine schriftliche Vorladung erhalten. Häufig liegen Sachverhalte vor, die man als Arbeitgeber untersuchen muss, bei denen aber die Polizei nicht ermitteln würde. Denn zum Glück rechtfertigt längst nicht jedes unkorrekte Verhalten eine polizeiliche Ermittlung. 

Aus der gesetzlichen Fürsorgepflicht heraus (Art. 328 OR) ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle seine Mitarbeitenden gebührend zu schützen – auch dann, wenn Vorwürfe eines Fehlverhaltens aufkommen. Die Fürsorgepflicht bezieht sich dabei auf die meldende wie auf die beschuldigte Person. Der Arbeitgeber ist also gesetzlich gezwungen, der Kenntnis eines allfälligen Fehlverhaltens nachzugehen. Ob eine eigentliche interne Untersuchung erforderlich wird, ist in ersten Gesprächen abzutasten. Befragungen finden faktisch also schon vor einer eigentlichen internen Untersuchung statt. 

Rechte und Pflichten 

Zunächst sei klar festgehalten: Ja, die Mitarbeitenden sind verpflichtet, an einer Befragung teilzunehmen und mitzumachen. Die gesetzliche Treuepflicht gemäss Art. 321a OR verpflichtet die Mitarbeitenden, die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Daraus leitet sich die Auskunfts- und Mitteilungspflicht des Mit­arbeitenden ab. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, wahrheitsgetreu, vollständig und rechtzeitig zu berichten. 

Gleichwohl kommt es vor, dass sich Mitarbeitende weigern, dem Arbeitgeber Auskunft zu erteilen. Durch geschickte Befragungstechnik ist es möglich, dass ein zunächst zugeknöpfter Mitarbeitender dann doch noch ausführlich redet. Weil die Weigerung, Auskunft zu erteilen, eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Treuepflicht darstellt, kann man den Mitarbeitenden verwarnen und festhalten, dass bei wiederholter Weigerung der Arbeitgeber disziplinarische Massnahmen ergreifen werde, bis hin zu einer Kündigung. 

Eine solche Verwarnung ist zwar juristisch bedenkenlos, für den Fortgang der Untersuchung aber wohl kaum förderlich. Die Auskunftspflicht trifft alle involvierten Mitarbeitenden, auch einen Beschuldigten. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Rechtsprechung davon ausgeht, dass vor einer Kündigung, insbesondere wenn eine fristlose Kün­digung ausgesprochen wird, der gekündigte Mitarbeitende befragt, ihm also rechtliches Gehör gewährt wurde. So gesehen ist die Befragung sogar eine Pflicht des Arbeitgebers, wenn er aufgrund des Sachverhalts disziplinarische Schritte in Erwägung zieht.

Da die Auskunftspflicht sich aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht des Arbeitnehmers ergibt, sind selbstredend nur Personen dazu verpflichtet, die zu diesem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis stehen. Ausgetretene Mitarbeitende müssen sich einer solchen Befragung nicht mehr stellen. Dieser Umstand kann je nach Sachlage dazu führen, dass vielleicht eine fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre, weil man aber eine interne Untersuchung durchführen will oder muss, man lediglich eine ordentliche Kündigung ausspricht, verbunden mit einer Freistellung. Denn dann besteht das Arbeitsverhältnis nach wie vor und der freigestellte Mitarbeitende muss dem Arbeitgeber Rede und Antwort stehen.

In der Untersuchung selber dürfen selbstverständlich nur Fragen mit einem Zu­-sammenhang zum Arbeitsverhältnis gestellt werden. Fragen zum Privatleben gehören nicht dazu und dürfen nicht Gegenstand einer internen Untersuchung sein. Weiter stellt sich die Frage, ob ein Mitarbeitender, dem ein Fehlverhalten vorgeworfen wird, die Aussage verweigern kann mit dem Hinweis, er müsse sich ja nicht selber belasten. Ein eigentliches Aussageverweigerungsrecht kennt das Strafrecht, wenn man sich mit der Aussage selber belasten würde. Dieses Prinzip gilt im Verhältnis zum Staat, nicht aber zwischen Privaten. Der Mitarbeitende muss also auch dann dem Arbeit­geber Auskunft erteilen, wenn er sich dadurch selber belastet. Verweigern kann er die Auskunft, wenn es Sachverhalte des Privatlebens betrifft. 

Nicht allgemein beantwortet werden kann die Frage, ob eine in einer internen Untersuchung gemachte Aussage später in einem allfälligen Strafverfahren verwertet werden darf. Nicht selten warten Strafverfolgungsbehörden sogar ab, bis eine interne Untersuchung abgeschlossen ist, und bedienen sich dann der Ergebnisse daraus. Unter diesem Aspekt kann es daher durchaus sinnvoll sein, einen beschuldigten Mitarbeitenden darüber aufzuklären, dass er keine sich belastenden Aussagen machen muss. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese Bef­ragungsergebnisse im Strafverfahren zugelassen werden. 

Die Protokollierung

Befragungen sind eine Ausnahmesituation, die Stimmung ist meist angespannt, die Atmosphäre emotional. Um die Aussagen später nochmals hören zu können, scheint eine Tonaufnahme der Befragung ideal zu sein. Hier ist aber zu beachten, dass zwingend das Einverständnis aller Anwesenden, im Speziellen des Beschuldigten, erforderlich ist. Idealerweise bestätigen alle ausdrücklich, dass sie mit der Tonaufnahme einverstanden sind, ­anderenfalls kann der Sprecher in die Runde fragen und erwähnen, dass man sich jetzt äussern kann, wenn man mit der Tonaufnahme nicht einverstanden ist, ansonsten dies als Einverständnis gilt und die Aufnahme weiterläuft. 

So verlockend die Tonaufnahme ist, so hinderlich kann sie aber für die Befragung sein. Es führt eher zu kurzen, knappen Antworten der befragten Person. In der Phase der Informationsbeschaffung kann daher eine Tonaufnahme kontraproduktiv sein, wogegen sie bei einer ­konkreten Konfrontation hilfreich sein kann. Übrigens, im Zeitalter der Teams- und Zoom-Meetings ist zu prüfen, ob Befragungen auch online durchgeführt werden können. Selbstverständlich kann man Online-Befragungen machen. Je nach Umständen ist man als Arbeitgeber sogar dazu verpflichtet, wenn beispielsweise ein Mitarbeitender im Ausland weilt und nur mit unverhältnismässigem Aufwand oder zum Beispiel infolge Reiserestriktionen gar nicht in die Schweiz zurückkehren kann.

Online-Meetings bieten sich wiederum sehr an, die Befragung aufzunehmen, denn hier erhält man neben dem Ton sogar noch Bild. Aber auch diesbezüglich gilt, ohne Einverständnis der Teilnehmer ist es nicht erlaubt, das Online-Meeting aufzunehmen. Grundsätzlich ist von Online-Befragungen allerdings eher abzuraten. Es ist nicht möglich, zu kontrollieren, wer sich bei den Teilnehmern sonst noch in deren Raum aufhält. Ein physisches Treffen für eine Befragung sollte daher wenn immer möglich vorgezogen werden. 

Notizen dürfen sich alle anwesenden Personen machen. Ob es ein schriftliches Protokoll geben soll, hängt von den konkreten Umständen und davon ab, in welchem Stadium einer Untersuchung man sich befindet. Ganz am Anfang kann man eher auf eine Protokollierung verzichten, was für die Informationsgewinnung sogar sinnvoll sein kann. Der befragten Person steht das Recht zu, eine Kopie des Befragungsprotokolls zu erhalten. Der Arbeitgeber kann die Herausgabe aber unter Umständen zeitlich hinausschieben. Die Protokollierung ist aber so oder so sorgfältig und möglichst umfassend vorzunehmen.

Fazit 

Befragungen und Untersuchungen führen Arbeitgeber schon seit jeher durch. Sie können auch ohne Beizug einer Anwaltskanzlei abgehalten werden. Gleichwohl sollte man sich überlegen, wer die Befragung durchführt und ob allenfalls externe Stellen beizuziehen sind. Befrager werden gemeinhin als interne Polizei und als Bedrohung wahrgenommen, weshalb diese Aufgabe nur einer Person zugeteilt werden sollte, die damit nicht eine bestehende Beziehung gefährdet. 

Auch sollte ein Befrager eben gerade nicht wie die Untersuchungsbehörde auftreten. Ziel einer internen Untersuchung sollte nicht die «Verurteilung» sein, sondern die Informationsgewinnung. Da ist Empathie, Geschick und Erfahrung gefragt. Der Tag, an dem das eigene Un­ternehmen eine interne Untersuchung durchführt, wird kommen. 

Es hilft, wenn man sich vorher mit Ab­laufschemen, Checklisten und Kontaktknüpfung zu externen Stellen vorbereitet. Denn wenn dieser Tag da ist, überstürzen sich die Ereignisse, und es ist für alle Be­teiligten wichtig, sich auf bekannte Vor­gaben abstützen zu können. Das schafft ­Sicherheit und Vertrauen und ermöglicht schliesslich eine gelungene Untersuchung, ohne dass das Image des Arbeitgebers intern oder ­extern beschädigt wird.

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