Es braucht wenig, bis eine ursprünglich rein innerbetriebliche Angelegenheit zu einem medialen Super-GAU wird und den guten Ruf eines Unternehmens ramponiert. Je komplexer die Angelegenheit, desto mehr Fragen stellen sich. Die Krux ist, dass man zu Beginn selten das wahre Ausmass erkennen kann.
Liegt zum Beispiel eine Beschwerde einer Mitarbeiterin vor, dass sich ein Bürokollege ihr gegenüber unangemessen verhalten habe, zieht man wohl kaum in Betracht, dass ein paar Wochen später Schlagzeilen zu lesen sein könnten, wonach das Unternehmen eine desolate Führungs- und Unternehmenskultur habe und Mitarbeitende auf unhaltbare Weise schikaniert werden. Als Arbeitgeber sollte man sich eine konkrete Handlungsanleitung erarbeiten, wie bei der Meldung von unangemessenen Verhaltensweisen oder bei Deliktsvorwürfen vorzugehen ist.
Teil der Fürsorgepflicht
«Wofür haben wir denn die Polizei? Wenn es etwas zu untersuchen gibt, soll das der Staat für uns machen. Das spart uns Zeit und Kosten», so die berechtigte Überlegung eines Firmeninhabers. Doch wie wirkt es, wenn das Polizeifahrzeug auf dem Firmengelände steht, Polizisten in Vollmontur im Gebäude umhergehen oder Mitarbeitende eine schriftliche Vorladung erhalten. Häufig liegen Sachverhalte vor, die man als Arbeitgeber untersuchen muss, bei denen aber die Polizei nicht ermitteln würde. Denn zum Glück rechtfertigt längst nicht jedes unkorrekte Verhalten eine polizeiliche Ermittlung.
Aus der gesetzlichen Fürsorgepflicht heraus (Art. 328 OR) ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle seine Mitarbeitenden gebührend zu schützen – auch dann, wenn Vorwürfe eines Fehlverhaltens aufkommen. Die Fürsorgepflicht bezieht sich dabei auf die meldende wie auf die beschuldigte Person. Der Arbeitgeber ist also gesetzlich gezwungen, der Kenntnis eines allfälligen Fehlverhaltens nachzugehen. Ob eine eigentliche interne Untersuchung erforderlich wird, ist in ersten Gesprächen abzutasten. Befragungen finden faktisch also schon vor einer eigentlichen internen Untersuchung statt.
Rechte und Pflichten
Zunächst sei klar festgehalten: Ja, die Mitarbeitenden sind verpflichtet, an einer Befragung teilzunehmen und mitzumachen. Die gesetzliche Treuepflicht gemäss Art. 321a OR verpflichtet die Mitarbeitenden, die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Daraus leitet sich die Auskunfts- und Mitteilungspflicht des Mitarbeitenden ab. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, wahrheitsgetreu, vollständig und rechtzeitig zu berichten.
Gleichwohl kommt es vor, dass sich Mitarbeitende weigern, dem Arbeitgeber Auskunft zu erteilen. Durch geschickte Befragungstechnik ist es möglich, dass ein zunächst zugeknöpfter Mitarbeitender dann doch noch ausführlich redet. Weil die Weigerung, Auskunft zu erteilen, eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Treuepflicht darstellt, kann man den Mitarbeitenden verwarnen und festhalten, dass bei wiederholter Weigerung der Arbeitgeber disziplinarische Massnahmen ergreifen werde, bis hin zu einer Kündigung.
Eine solche Verwarnung ist zwar juristisch bedenkenlos, für den Fortgang der Untersuchung aber wohl kaum förderlich. Die Auskunftspflicht trifft alle involvierten Mitarbeitenden, auch einen Beschuldigten. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Rechtsprechung davon ausgeht, dass vor einer Kündigung, insbesondere wenn eine fristlose Kündigung ausgesprochen wird, der gekündigte Mitarbeitende befragt, ihm also rechtliches Gehör gewährt wurde. So gesehen ist die Befragung sogar eine Pflicht des Arbeitgebers, wenn er aufgrund des Sachverhalts disziplinarische Schritte in Erwägung zieht.
Da die Auskunftspflicht sich aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht des Arbeitnehmers ergibt, sind selbstredend nur Personen dazu verpflichtet, die zu diesem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis stehen. Ausgetretene Mitarbeitende müssen sich einer solchen Befragung nicht mehr stellen. Dieser Umstand kann je nach Sachlage dazu führen, dass vielleicht eine fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre, weil man aber eine interne Untersuchung durchführen will oder muss, man lediglich eine ordentliche Kündigung ausspricht, verbunden mit einer Freistellung. Denn dann besteht das Arbeitsverhältnis nach wie vor und der freigestellte Mitarbeitende muss dem Arbeitgeber Rede und Antwort stehen.
In der Untersuchung selber dürfen selbstverständlich nur Fragen mit einem Zu-sammenhang zum Arbeitsverhältnis gestellt werden. Fragen zum Privatleben gehören nicht dazu und dürfen nicht Gegenstand einer internen Untersuchung sein. Weiter stellt sich die Frage, ob ein Mitarbeitender, dem ein Fehlverhalten vorgeworfen wird, die Aussage verweigern kann mit dem Hinweis, er müsse sich ja nicht selber belasten. Ein eigentliches Aussageverweigerungsrecht kennt das Strafrecht, wenn man sich mit der Aussage selber belasten würde. Dieses Prinzip gilt im Verhältnis zum Staat, nicht aber zwischen Privaten. Der Mitarbeitende muss also auch dann dem Arbeitgeber Auskunft erteilen, wenn er sich dadurch selber belastet. Verweigern kann er die Auskunft, wenn es Sachverhalte des Privatlebens betrifft.
Nicht allgemein beantwortet werden kann die Frage, ob eine in einer internen Untersuchung gemachte Aussage später in einem allfälligen Strafverfahren verwertet werden darf. Nicht selten warten Strafverfolgungsbehörden sogar ab, bis eine interne Untersuchung abgeschlossen ist, und bedienen sich dann der Ergebnisse daraus. Unter diesem Aspekt kann es daher durchaus sinnvoll sein, einen beschuldigten Mitarbeitenden darüber aufzuklären, dass er keine sich belastenden Aussagen machen muss. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese Befragungsergebnisse im Strafverfahren zugelassen werden.