Recht

Arbeitsrecht I

Die Mitspracherechte der Mitarbeiter beim Betriebsübergang

Werden Betriebe an neue Eigentümer übertragen, müssen die Mitarbeitenden vorgängig informiert werden. Je nach den konkreten Umständen steht den Mitarbeitenden auch ein Mitspracherecht zu – der Betriebsübergang ist aber nicht vom Einverständnis der Mitarbeitenden abhängig.
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Wird ein Betrieb oder ein Betriebsteil auf einen neuen Eigentümer übertragen, treffen grundsätzlich verschiedene Kulturen aufeinander. Doch nicht nur das, auch die Anstellungsbedingungen sind selten die gleichen. So kann es vorkommen, dass zwei Mitarbeitende in der gleichen Funktion unterschiedliche Verträge haben. Die sichtbaren Unterschiede finden sich meistens in den Rubriken Ferien, Arbeitszeit und Mehrstundenregelung.

Keine Zustimmung nötig

Schnell entsteht das Bedürfnis, die Vertragsbedingungen zu vereinheitlichen. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Auch das hängt natürlich immer vom konkreten Einzelfall ab. Werden keine Änderungen vorgenommen, so gehen die Arbeitsverhältnisse genauso, wie sie aktuell bestehen, auf den neuen Arbeitgeber über. Weder der neue Arbeitgeber noch der Mitarbeitende muss sich zum Übergang aktiv äussern. Der Mitarbeitende muss dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses also nicht zustimmen – das vollzieht sich automatisch, kraft Gesetzes. Nur wenn der Mitarbeitende nicht will, dass er künftig für den neuen Arbeitgeber tätig ist, dann muss der Mitarbeiter seine Ablehnung aktiv erklären.

Die Anstellungsbedingungen können jederzeit angepasst und den Mitarbeitenden zur Annahme unterbreitet werden. Untersteht der übertragende Betrieb einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV), so sind die arbeitsvertraglichen Bestimmungen dieses GAV während mindestens eines Jahres weiterzuführen. Der übernehmende Betrieb kann zwar ein eigenes Personalreglement als Basis der Arbeitsverträge zum Vertragsbestandteil machen, doch dürfen die Bestimmungen den
GAV des übertragenden Betriebs nicht unterbieten.

In der Praxis werden in solchen Fällen die Arbeitsverträge meistens unverändert belassen und dann auf Ablauf des GAV-Nachwirkungsjahres die Anstellungsbedingungen vereinheitlicht. Dies gilt aber, wie bereits erwähnt, nur dann, wenn der übertragende Betrieb einem GAV untersteht. Der gelegentliche generelle Schluss, man dürfe die Anstellungsbedingungen während eines Jahres nach Betriebsübergang nicht abändern, ist in dieser absoluten Form nicht richtig.

Kein erhöhter Schutz

Grundsätzlich ändert sich auch bei einer Betriebsübernahme nichts am Kündigungsschutz. Der übertragende Arbeit­geber kann Kündigungen aussprechen, auch wenn der Betriebsübergang kurz bevorsteht. Das bedeutet, dass bei einem
Betriebsübergang kein erhöhter Kündigungsschutz für die Mitarbeitenden gilt. Arbeitsverhältnisse können in Einzelfällen oder aber auch in einer Mehrzahl gekündigt werden – diesbezüglich ändert der Betriebsübergang nichts. Oft stellt sich die Frage, welcher Arbeitgeber die Kündigungen aussprechen soll. Ist es der übertragende oder der übernehmende Arbeitgeber. Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind beide Wege denkbar. Meistens wird dies zwischen den Unternehmen vertraglich vereinbart und nicht selten hat der übernehmende Betrieb Interesse, dass der übertragende Betrieb die Arbeitsverhältnisse noch kündigt.

Zulässig sind Kündigungen aus verschiedenen Gründen. Insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen, also wenn beispielsweise gleichzeitig mit der Über­nahme Kosten reduziert werden müssen. Wird die Kündigung aber allein mit der Betriebsübernahme begründet, kann dies allenfalls eine missbräuchliche Kündigung darstellen. Erfolgt die Kündigung gar in der Absicht, den Rechtsfolgen des Art. 333 Abs. 1 OR zu entgehen, so ist diese Kündigung – infolge Gesetzesumgehung – mindestens missbräuchlich, oder sogar nichtig. Kündigungen auszusprechen, um zu verhindern, dass die Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber übergehen, ist also nicht zulässig.

Informationspflicht

Zum Übergang muss der übertragende Betrieb zwar seine Mitarbeitenden nicht fragen, aber er muss sie vorgängig informieren (Art. 333a Abs. 1 OR). Dabei hat er den Grund für den Übergang zu nennen sowie die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Mitarbeitenden. Zustimmen aber müssen die Mitarbeiter selbst dann nicht, wenn mit dem Übergang Massnahmen verbunden sind, welche die Arbeitnehmenden betreffen. Jedoch müssen sie konsultiert, oder anders gesagt angehört werden. Die Mitarbeitenden können im Rahmen eines solchen Konsultationsverfahrens Alternativvorschläge unterbreiten, die der Arbeitgeber zu prüfen hat. Schliesslich muss der Arbeitgeber, nach dieser Prüfung, der Belegschaft seinen endgültigen Entscheid mitteilen.

Sollen die Massnahmen eng um das Übertragungsdatum erfolgen, wird meistens der übertragende Betrieb das Konsulta­tionsverfahren einläuten, das übrigens zum einen vom Arbeitsvertragsrecht her vorgesehen ist, und zum anderen sich aus dem Fusionsgesetz ergibt. Die Konsultation hat gleich wie jene aus dem Verfahren bei einer Massenentlassung zu erfolgen. Die Mitarbeitenden müssen also die Gelegenheit haben, sich zu den beabsichtigten Plänen zu äussern. Je nach den konkreten Umständen muss die Konsultation in beiden Betrieben durchgeführt werden. Die Mitarbeitenden sollen – bevor ein endgültiger Entscheid gefallen ist – in den Prozess miteinbezogen werden. Sie sollen durch das Konsultationsverfahren Gelegenheit erhalten, sich dazu zu äussern, bis hin zu Vorschlägen, wie man es auch anders machen könnte.

Doppelte Konsultationspflicht

Insbesondere wenn im Hinblick auf den Betriebsübergang Kündigungen anstehen, ist die Konsultation nicht nur aus Sicht des Betriebsübergangs (gemäss Art. 333a Abs. 2 OR) durchzuführen, sondern unter Umständen auch eine Konsultation infolge Massenentlassung (nach Art. 335f OR). Selbstverständlich müssen nicht zwei Verfahren separat oder nacheinander durchgeführt werden. Man wird eine einzige Konsultation durchführen und dabei die Vorschriften beider Verfahren berücksichtigen.

Die Vorschriften des Konsultationsverfahrens bei Massenentlassungen sind allerdings restriktiver als jene infolge Betriebsübergangs. Genau gleich verhält es sich auch mit den Rechtsfolgen. Verletzt man nämlich als Arbeitgeber die Vorschriften der Konsultation bei Massenentlassung, sind die nachfolgenden Kündigungen missbräuchlich und es ist – pro Kündigung – eine Strafzahlung von entsprechend zwei Monatslöhnen fällig.

Diese Rechtsfolge fehlt bei der Konsultation infolge Betriebsübergangs völlig. Zwar ist die Belegschaft über den Betriebsübergang zu informieren, zu konsultieren aber nur, wenn Massnahmen geplant sind, welche die Mitarbeitenden betreffen – allen voran allfällige Kündigungen. Der Betriebsübergang ist also auch dann, wenn die Konsultation nicht durchgeführt würde, wirksam. Auch Kündigungen, welche aufgrund des Betriebsübergangs ausgesprochen werden, sind rechtsgültig und nicht etwa missbräuchlich – auch wenn keine Konsultation durchgeführt wurde (vorausgesetzt, es liegt keine Massenentlassung vor).

Folgen für den Übergang

Das Arbeitsvertragsrecht kennt keine unmittelbaren Sanktionen, falls bei einem Betriebsübergang das Konsultationsverfahren nicht ordnungsgemäss durchgeführt wird. Demgegenüber ist die Rechtsfolge gemäss Fusionsgesetz bei den Arbeitgebern gefürchteter. Demnach besteht nämlich im Hinblick auf die bevorstehende Fusion der Rechtsbehelf, die Unterlassung der Eintragung im Handelsregister zu verlangen. Dieser Rechts­behelf kann für den übernehmenden
Betrieb unangenehme Prozessverzögerungen bedeuten.

Im Vergleich dazu ist die Durchführung eines geordneten Konsultationsprozesses durchaus sinnvoll. Und das längst nicht nur aus juristischen Überlegungen, sondern auch deshalb, weil die Mitarbeitenden dadurch in die Entscheidungsfindung miteinbezogen werden und es die Gelegenheit bietet, die bevorstehenden Pläne offen zu kommunizieren.

Die Abgrenzung, wann eine Konsultation durchzuführen ist und wann nicht, liegt nicht immer klar auf der Hand. Im Zweifelsfall lohnt es sich daher, eine Konsultation durchzuführen. Entgegen der Befürchtung vieler Arbeitgeber trägt dies bei den Mitarbeitenden zur Stabilisierung bei, und es kann zielgerichtet an der Umsetzung des Betriebsübergangs gearbeitet werden.

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