Gleich in zwei Sendungen («Kassensturz» und «10 vor 10») hat das Schweizer Fernsehen im Mai die Kündigungsproblematiken thematisiert. Befeuert von einer publizierten Studie, welche ein Marktforschungs- und Coachingunternehmen durchgeführt hatte. Die Arbeitgeber kommen dabei schlecht weg. Die Vorgehensweisen bei Kündigungen seien schlecht, Gespräche würden zu spät geführt und Kündigungsgründe blieben häufig unklar. Und zu guter Letzt würde knapp die Hälfte aller Kündigungen vom Arbeitgeber aus Bequemlichkeit mit einer Freistellung verknüpft.
Berechtigte Zweifel
Nicht erwähnt wird, was der Arbeitgeber nach einer Kündigung oft erdulden muss. Wie Arbeitnehmer während der verbleibenden Kündigungsfrist kaum mehr arbeiten und plötzlich Anschuldigungen vorbringen mit dem Ziel, anwaltschaftlich vertreten, eine finanzielle Entschädigung erwirken zu können.
In der Beratungspraxis haben speziell in den letzten Jahren die Fälle stark zugenommen, in welchen nach einer Arbeitgeberkündigung die Mitarbeitenden einerseits die Kündigung anfechten und andererseits die Kündigungsfrist infolge einer geltend gemachten Krankheit erstrecken. Gegen ein Arztzeugnis kann man nichts machen, so die Meinung vieler Arbeitgeber. Nein, das stimmt so nicht, denn ein Arztzeugnis allein ist noch kein Beweis für eine Arbeitsunfähigkeit. Gibt es berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, kann man diese durchaus infrage stellen. Als Arbeitgeber muss man ein Arztzeugnis nicht akzeptieren. Will der Arbeitgeber aber die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit infrage stellen, sollte er schon einiges entgegenhalten können.
Und plötzlich krank
Es ist schon auffallend, wie häufig Krankheitsfälle unmittelbar nach einer Kündigung auftreten. Dabei macht es keinen Unterschied, aus welchem Grund die Kündigung ausgesprochen wurde, ob schon früher mit dem Mitarbeitenden Gespräche geführt wurden oder ob es für diesen tatsächlich überraschend kam.
Wohlwissend, dass eine Kündigung jemanden durchaus aus der Bahn werfen und Sorgen bereiten kann, so muss man sich dennoch fragen, warum dies in den letzten Jahren fast immer zu einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit führt. Ist es automatisch krankhaft, sich Sorgen zu machen? Oder ist jemand tatsächlich krank, wenn er oder sie nach der Kündigung nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren will? Und hat eine durch eine Kündigung ausgelöste Unsicherheit wirklich immer eine mehrmonatige Arbeitsunfähigkeit zur Folge? Fragen, mit denen sich Mediziner ernsthaft befassen sollten.
Rücksicht auf Mitarbeitende
Allzu oft aber stellen sie ein Arztzeugnis aus, ohne sich bewusst zu machen, dass sie damit dem Arbeitgeber einen finanziellen Schaden verursachen und ihn zusätzlich vor eine organisatorische Herausforderung stellen. Viele Arbeitgeber erkennen durchaus, dass eine Weiterarbeit für den gekündigten Mitarbeitenden emotional schwierig sein kann, und bieten ihm daher eine Freistellung an. Eine solche Freistellung wird auch stets gerne entgegengenommen.
Mit der Mutmassung, eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Freistellung sei eine Demütigung des Mitarbeitenden, macht man den Bock zum Gärtner. Man verkennt dabei den Umstand, dass eine Freistellung häufig auch aus Rücksichtnahme auf den Mitarbeitenden erfolgt. So gibt es denn auch kaum Fälle, in welchen der Mitarbeitende eine angebotene Freistellung abgelehnt und ersucht hätte, während der Kündigungsfrist weiterhin zu arbeiten.
Erstaunt reagieren die Arbeitgeber, wenn sie trotz der Entbindung von der Arbeitspflicht vom Mitarbeitenden bald darauf ein Arztzeugnis erhalten und sich somit die Kündigungsfrist entsprechend verlängert. Viel Unverständnis entsteht, denn sie hatten die Freistellung ja als Entgegenkommen erachtet. Doch gerade durch die Distanz wird es für einen Mitarbeitenden viel einfacher, ein Arztzeugnis – auch wenn nur für drei Tage – einzureichen. Er muss seinem Vorgesetzten dabei ja nicht mehr in die Augen sehen, ein kurzes Infomail mit Anhang reicht völlig aus, um einen weiteren Monatslohn erhalten zu können.
Die Missbräuchlichkeit
Die viel beschworene Kündigungsfreiheit im Schweizer Arbeitsrecht ist politisch unter Beschuss. Und auch das Bundesgericht verlangt mehr als das Gesetz, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird. Dies führt dazu, dass fast jede Arbeitgeberkündigung postwendend durch einen Rechtsvertreter des Mitarbeitenden schriftlich angefochten wird, verbunden mit der zusätzlichen Forderung einer finanziellen Entschädigung infolge Missbräuchlichkeit. Um es dem Arbeitgeber leicht zu machen, quantifizieren viele Anwälte ihre Forderungen gleich schon mal – lange bevor überhaupt feststeht, ob es sich denn überhaupt um einen Tatbestand der missbräuchlichen Kündigung handelt.
Wie erwähnt, die Rechtsprechung hilft den Arbeitnehmenden dahingehend, dass die Hürden für eine Missbräuchlichkeit nicht mehr gleich hoch sind. Arbeitgeber tappen vor allem dann in die Falle, wenn sie überstürzt und ohne klare Grundangabe kündigen. Keine Lösung ist übrigens, jede Kündigung als wirtschaftlich bedingt zu taxieren. Das ist eine Vorgehensweise, die sich einige Unternehmen zu eigen gemacht haben, einerseits damit die Kündigung vermeintlich nicht angefochten werden kann und andererseits um dem Mitarbeitenden keine Steine in den Weg zu legen. Dieser «Pauschalkündigungsgrund» sollte aber wirklich nur dort angebracht werden, wo es auch tatsächlich stimmt.