In vielen Unternehmen gilt bereits heute eine Jahresarbeitszeit. Das heisst, den Mitarbeitenden wird anfangs Jahr mitgeteilt, wie viele Sollarbeitsstunden sie im entsprechenden Kalenderjahr arbeiten müssen. Dabei nimmt das Unternehmen bewusst in Kauf, dass die wöchentlichen Arbeitszeiten variieren und dass auch der Mitarbeitende seine Prioritäten setzt. Oft wird die Jahresarbeitszeit eingeführt, um die Schwankungen in der Auftragslage ausgleichen zu können, ohne dass man die Mitarbeitenden einerseits Überstunden arbeiten lassen und andererseits dann Zwangsferien anordnen muss.
Wohl fast jedes Unternehmen verzeichnet arbeitsintensive Zeiten, aber auch mal Phasen mit etwas schwächerer Auslastung. Planbar sind die unterschiedlichen Phasen nur bedingt und so bleibt die Kernfrage, wie man personalseitig auf solche unterschiedlichen Phasen der Auftragslage reagieren kann. Auf der einen Seite stehen also die unternehmerischen Bedürfnisse nach Flexibilität in der Personalplanung. Dem steht das Bedürfnis der Arbeitnehmer nach Regelmässigkeit und Verlässlichkeit gegenüber. Auf der anderen Seite stehen die privaten Bedürfnisse der Mitarbeitenden, eben auch mal früher Feierabend zu machen, oder erst auf den Mittag zu kommen, um private Termine wahrnehmen zu können. Dem wiederum steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach Präsenz gegenüber.
Vertrag Arbeit gegen Geld
Das Modell der Jahresarbeitszeit kann viele der verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut bringen. Die Arbeitszeiten werden beim Jahresarbeitszeitmodell erfasst und kontrolliert. Dies im Gegensatz zur viel beschworenen Vertrauensarbeitszeit, bei welcher Arbeitnehmende und Arbeitgeber miteinander vereinbaren,
Arbeit im Umfang der betrieblichen Notwendigkeit zu erbringen und die Arbeitszeit nicht aufzuschreiben. Beim Salär handelt es sich überwiegend um Zeitlohn, das heisst, der Arbeitnehmende erhält den Lohn während der Zeit, in der er dem Unternehmen seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellt. Für den Lohn ist dabei nicht entscheidend, wie gut die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird. Die Arbeitsqualität kann sich allenfalls in einem Bonus widerspiegeln. Beim normalen Zeitlohn aber ist das Salär nicht etwa für das gute oder richtige Ergebnis geschuldet, sondern rein für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft.
Vor diesem Hintergrund ist es logisch, dass auch beim Modell der Jahresarbeitszeit das Bedürfnis besteht, zu wissen, wie und wann die zeitlich geschuldete Arbeitsleistung erbracht wurde oder nicht. Dieses Bedürfnis ist übrigens ein beiderseitiges, also sowohl eines des Arbeitgebers als auch ein Bedürfnis der Mitarbeitenden. Der Arbeitnehmende wird also Ende Monat auf seiner Stundenabrechnung genau nachvollziehen können, ob er genug Arbeitsleistung erbracht hat, allenfalls Mehrstunden geleistet hat, oder ob er im Minus ist. Ob die Mehr- oder Minderstunden vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer verursacht wurden, ist auf der Stundenabrechnung kaum je ersichtlich, spielt während der Dauer des Arbeitsverhältnisses auch kaum eine Rolle.
Das Ampelsystem
Das ideale Modell einer Jahresarbeitszeit gleicht einer Ampel, mit welcher die verschiedenen Bereiche gemäss den bekannten Farben Grün – Orange – Rot definiert werden (siehe Abbildung). Eine Spannbreite, innert welcher sich der Arbeitnehmende frei bewegen darf, kann man dabei als die grüne Phase bezeichnen. Darüber, sowohl hinsichtlich der Mehr- als auch der Minderstunden, sollte der Arbeitnehmer nur mit dem Einverständnis des Vorgesetzten arbeiten dürfen. Dies wäre dann die gelbe Phase. Und wenn er sich dann sogar über diese gesetzte Schwelle hinaus begibt, gerät er in die rote Phase, in derer der Arbeitgeber die Mehr- oder Minderstunden, infolge spezieller betrieblicher Bedürfnisse, angeordnet hat.
Mit diesem Ampelsystem ist auch dem arbeitnehmerseitigen Bedürfnis nach mehr Freiraum und mehr Privatsphäre genüge getan, indem sich der Arbeitnehmer im grünen Bereich frei bewegen darf, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Das Ampelsystem bedingt allerdings, dass die Vorgesetzten die Stundenübersichten ihrer Mitarbeitenden monatlich genau prüfen und einschreiten, wenn in die gelbe oder gar in die rote Phase eingetreten wird. Diese Führungsaufgabe ist äusserst wichtig, nur sie garantiert, dass das Modell der Jahresarbeitszeit nicht ausgehöhlt oder gar missbraucht wird. So plausibel diese Erkenntnis scheint, gleichsam schwierig ist die Umsetzung im Alltag.