Recht

Konsumentenrechte

Die Auswirkungen der EU-Verbraucherrechterichtlinie

Für viele Geschäfte mit Konsumenten in der EU haben auch Schweizer Unternehmen die EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU zu beachten. Diese legt neue verbindliche Standards für Verbraucherrechte bei Fernabsatz und Haustürverträgen fest. Ab Juni 2014 gilt das in den EU-Ländern. In der Schweiz wird eine ähnliche Regelung geplant.

Nach dem Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG Art. 120) gilt bei Verträgen mit Konsumentinnen und Konsumenten, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch derer bestimmt sind, das Recht jenes Staates, in dem der Konsument seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat:

  • wenn der Anbieter die Bestellung in diesem Staat entgegengenommen hat
  • wenn in diesem Staat dem Vertragsabschluss ein Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Konsument in diesem Staat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat, oder
  • wenn der Anbieter den Konsumenten veranlasst hat, sich ins Ausland zu begeben und seine Bestellung dort abzugeben.

Eine Rechtswahl ist ausgeschlossen.

Einheitlichkeit in der EU

Wegen der Bestimmung in IPRG Art. 120 ist auch in der Schweiz die EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU zu beachten. Im Schwerpunkt betrifft die Richtlinie die Fernabsatzverträge, namentlich den Online-Handel sowie aus­serhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, die sogenannten Haustürgeschäfte. Die neue Verbraucherrechterichtlinie ersetzt im Wesentlichen die Richtlinie betreffend den Verbraucherschutz im Falle von ausserhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen 85/577/EWG und die Fernabsatzricht­linie 97/7/. Die EU-Länder mussten die neuen Vorgaben bis zum 13. Dezember 2013 in ihr nationales Recht übernehmen. Die neuen Bestimmungen gelten für Verträge, die nach dem 13. Juni 2014 abgeschlossen werden.

Artikel 4 der Verbraucherrechterichtlinie legt einen relativ hohen Harmonisierungsgrad innerhalb der EU fest. Sofern die Richtlinie nichts anderes bestimmt, sollten die Mitgliedstaaten keine abweichenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften aufrechterhalten oder einführen. Dies gilt sowohl für strengere und weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Verbraucherschutzniveaus. Kollidiert eine Bestimmung der Richtlinie mit einer Bestimmung eines anderen Unionsrechtsakts, der spezifische Sektoren regelt, wird die spezielle Bestimmung angewendet.

Die Mitgliedstaaten legen für Verstösse gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften Sanktionen fest und treffen die zu ihrer Anwendung erforderlichen Massnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein.

Wenige Ausnahmen

Nach Artikel 3 der Verbraucherrechterichtlinie gilt diese im Prinzip für alle Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden, soweit nicht Ausnahmen bestimmt sind. Namentlich gilt die Richtlinie auch für Verträge über die Lieferung von Wasser, Gas, Strom oder Fernwärme, sogar für öffentliche Anbieter, sofern diese Güter auf vertraglicher Basis geliefert werden. Ausnahmen, auf die die Richtlinie nicht anzuwenden ist, sind beispielsweise folgende Verträge:

  • Verträge über soziale und Gesundheitsdienstleistungen
  • Finanzdienstleistungen
  • Begründung, den Erwerb oder auch die Übertragung von Eigentum oder anderen Rechten an Immobilien sowie über den Bau von neuen Gebäuden, erhebliche Umbaumassnahmen an bestehenden Gebäuden oder die Vermietung von Wohnraum
  • Pauschalreisen
  • Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs

Als Verbraucher gelten natürliche Personen, die der Richtlinie unterstellte Verträge zu Zwecken abschliessen, die aus­serhalb ihrer gewerblichen, geschäft­-
lichen oder beruflichen Tätigkeit liegen. Unternehmer im Sinne der Richtlinie ist jede natürliche oder juristische Person, auch öffentliche Anbieter, die Verträge im Rahmen ihrer geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit abschliessen. Dies gilt auch, wenn die Verträge in ihrem Namen von einer Drittperson abgeschlossen werden. Weiter gilt die Richtlinie besonders für ausserhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge sowie für Fernabsatzverträge. Als Fernkommunikationsmittel gelten alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Faxe, E-Mails, SMS sowie Rundfunk und Internet.

Informationspflichten

Die Richtlinie der Verbraucherrechte verpflichtet die Anbieter zu umfangreichen Informationen über die Identität der Firma, die Beschaffenheit der Waren und die Preisbestandteile und das Widerrufsrecht, siehe Checkliste. Dabei wird Wert auf Preistransparenz gelegt. Für gängige Geschäfte des täglichen Lebens, die sofort erfüllt werden, können die Staaten die Anbieter von einigen Informationspflichten befreien.

Bei Telefonanrufen muss der potenzielle Kunde zu Beginn des Gesprächs über die Identität des Anrufers und Auftraggebers sowie den geschäftlichen Zweck des
Anrufs informiert werden. Für Fernabsatzverträge, die telefonisch geschlossen werden, können die jeweiligen Mitglied­staaten vorse­hen, dass der Unternehmer dem Verbraucher das Angebot auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen muss und der Verbraucher erst dann gebunden ist, wenn er oder sie das Angebot unterzeichnet oder das schriftliche Einverständnis übermittelt hat. Das ist bei sämtlichen Verträgen mit Fernabsatz ohnehin sehr zu empfehlen.

Besonders wichtig sind die Bestimmungen über das Widerrufsrecht, das sowohl für Fernabsatzverträge oder ausserhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge gilt.

14 Tage Frist für Widerruf

Die Frist beginnt:

  • bei Dienstleistungsverträgen 14 Tage ab dem Tag des Vertragsabschlusses
  • bei Kaufverträgen 14 Tage ab dem Tag, an dem der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, in den physischen Besitz aller Waren, bei Abonnementen der ersten Lieferung gelangt.

Der Anbieter kann den Verbrauchern das Musterwiderrufsformular des Anhangs I Teil B, beziehungsweise des betreffenden nationalen Rechts, zur Verfügung stellen. Der Kunde kann aber auch eine Widerrufserklärung in beliebiger anderer Form abgeben, die seinen Entschluss eindeutig bekundet.

Hat der Unternehmer den Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, so läuft die Widerrufsfrist nach 12 Monaten und 14 Tagen ab. Erhält der Kunde die Information verspätet innerhalb eines Jahres nach dem Vertragsabschluss, endet das Widerrufsrecht 14 Tage, nachdem der Kunde die Information erhalten hat. Dies ist eine Verbesserung der Rechtslage für Anbieter. In Deutschland zum Beispiel war das Widerrufsrecht für immer möglich, wenn die Belehrung fehlte.

Kein Widerrufsrecht besteht bei bestimmten Ausnahmen, unter anderem folgenden, z. B. für vollständig erbrachte Dienstleistungen, schnell verderbliche Waren oder Waren mit schwankenden Preisen oder für individuell angefertigte Waren.

Erstattung nach Widerruf

Der Kunde kann ohne Angabe von Gründen und ohne Kosten widerrufen. Nur die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren können die Anbieter auf die Kunden übertragen, wenn dieser darüber informiert wurde. Der Unternehmer hat alle Zahlungen, die er vom Verbraucher erhalten hat, gegebenenfalls einschliesslich der Lieferkosten, unverzüglich und in jedem Fall spätestens in 14 Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem er über den Entschluss des Verbrauchers informiert wird, den Vertrag zu widerrufen.

Der Verbraucher hat die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens nach 14 Tagen nach dem Widerruf an den Anbieter zurückzuschicken, ausser wenn der Unternehmer die Waren selbst abholt. Die Frist ist gewahrt, wenn der Verbraucher die Waren vor Ablauf der Frist von 14 Tagen absendet. Der Widerruf beendet auch alle akzessorischen Verträge automatisch, ohne dass dem Verbraucher dafür Kosten entstehen dürfen.

Schutz vor Kostenfallen

Die Verbraucher werden vor versteckten und unangemessenen Zusatzkosten geschützt. Wenn ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, weist der Unternehmer klar und in hervorgehobener Weise auf folgende Punkte hin:

  • Wesentliche Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen
  • Gesamtpreis der Waren oder Dienstleistungen einschliesslich aller Steuern und Abgaben
  • Laufzeit des Vertrags sowie die Kündigungsfristen und allenfalls die Mindestdauer der Verpflichtungen

Auf Webseiten für den elektronischen Geschäftsverkehr ist spätestens bei Beginn des Bestellvorgangs klar und deutlich anzugeben, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden. Bei Online-Plattformen im Internet, die über Schaltflächen erfolgen, muss die Bestellschaltfläche gut lesbar mit den Wörtern «zahlungspflichtig bestellen» oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein.

Eine Zahlung, die über das Entgelt für die Hauptleistung des Unternehmers hinausgeht, zum Beispiel eine Bearbeitungsgebühr oder ein Entgelt für eine Stornoversicherung, muss ausdrücklich vereinbart werden. Der Kunde muss nach Wahl zustimmen oder ablehnen können, anderenfalls hat er Anspruch auf die Rückerstattung der betreffenden Zahlung. Es gelten weiter folgende wichtigen Bestimmungen betreffend Zahlungsmittel und Telefonservice:

  • Für die Nutzung von Zahlungsmitteln dürfen die Unternehmer keine Gebühren verlangen, die die Kosten übersteigen, die ihnen für die Nutzung solcher Zahlungsmittel entstehen.
  • Die Verbraucher sollen für den telefonischen Kundenservice nicht mehr als den Grundtarif zahlen, wenn der Kontakt im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Vertrag erfolgt.

Lieferung und Risikoübergang

Betreffend Kaufverträge für körperliche Waren enthält die Richtlinie für Verbraucherrechte Bestimmungen über die Lieferung und den Risikoübergang.

  • Sofern die Vertragsparteien hinsichtlich des Zeitpunkts der Lieferung nichts anderes vereinbart haben, liefert der Unternehmer die Waren innerhalb von 30 Tagen. Bei Verzögerungen kann der Kunde dem Lieferanten eine angemessene zusätzliche Lieferfrist setzen und wenn diese nicht eingehalten wird, vom Vertrag zurücktreten. Zusätzlich zum Rücktrittsrecht können den Kunden die nach dem einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.
  • Bei allen Verträgen, bei denen der Unternehmer die Waren an den Verbraucher versendet, geht das Risiko für einen Verlust oder eine Beschädigung der Waren jeweils auf den Verbraucher über, wenn er oder ein von ihm benannter Dritter die Waren in Besitz genommen hat.

Das Risiko geht mit der Übergabe an den Beförderer auf den Verbraucher über, wenn der Beförderer vom Verbraucher mit der Beförderung der Waren beauftragt wurde und diese Option nicht vom Unternehmer angeboten wurde.

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