Recht

Schuldbetreibungsrecht

Dem Geld nicht unnötig hinterherrennen

Das schweizerische Schuldbetreibungsrecht ist sehr schuldnerfreundlich – dies zum Leidwesen der Gläubiger. Denn für ihn ist lange ungewiss, ob sich das Einleiten der Betreibung und ihre Fortsetzung bezahlt machen oder ob sie nur weitere Verluste nach sich ziehen. Nach wie vor besteht das Risiko, dem schlechten Geld noch gutes Geld hinterherzuwerfen.

Im Gegensatz zu den meisten ausländischen Rechtsordnungen kann ein Gläubiger in der Schweiz seine fällige Forderung ohne gerichtliche Anerkennung oder Feststellung direkt gegen den Schuldner in Betreibung setzen. In der Regel stellt er beim Betreibungsamt am Wohnsitz des Schuldners ein Betreibungsbegehren, ohne dies begründen zu müssen. Es genügt, wenn er seine Adresse sowie Name und Wohnort des Schuldners angibt, die Forderungssumme beziffert und die Forderungsurkunde bzw. den Forderungsgrund nennt. Danach muss der Gläubiger die von der Höhe der jeweiligen Forderung ab­hängigen Betreibungskosten vorschiessen. Diese kann er zu seiner Forderung hinzuschlagen, weil der Schuldner diese Kosten bei gerechtfertigter Geltendmachung als Verursacher tragen muss.

Nach Empfang des Betreibungsbegehrens erlässt das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl. Es fordert den Schuldner auf, den Gläubiger innert 20 Tagen zu befriedigen oder innert zehn Tagen Rechtsvorschlag zu erheben, falls er die Forderung bestreitet. Nach dieser Galgenfrist kann der Gläubiger die Betreibung fortsetzen. Der Rechtsvorschlag bedarf keiner Begründung und hemmt den weiteren Verlauf der Zwangsvollstreckung. Der Gläubiger muss nun beim Gericht sein Recht durchsetzen, um – gestützt auf einen Gerichtsentscheid – den Rechtsvorschlag zu beseitigen und die Betreibung fortzusetzen.

Ärgerliche Kostenfolgen

Besonders unerfreulich ist, dass der klagende Gläubiger gemäss neuer Schweizerischer Zivilprozessordnung (ZPO) vom Gericht zur Leistung eines Vorschusses bis zur Höhe der mutmasslichen Gerichtskosten – abhängig vom Streitwert bzw. von der Forderung – angehalten werden kann (Art. 98 ZPO). Am Ende des Verfahrens werden die Gerichtskosten mit dem geleisteten Vorschuss des Gläubigers verrechnet. Dies geschieht, obwohl der im Gerichtsverfahren unterliegende Schuldner zwar als kostenpflichtige Partei dem obsiegenden Gläubiger die geleisteten Vorschüsse ersetzen sowie allenfalls eine zugesprochene Parteientschädigung bezahlen muss (Art. 111 ZPO).

Nebst der enormen zeitlichen Beanspruchung bleibt besonders ärgerlich, dass das restliche vorhandene Haftungssubstrat auf diese Weise weiter angezehrt wird und der Gläubiger dabei das Risiko trägt, auf den Kosten sitzen zu bleiben und einen zusätzlichen Verlust einzufahren. Der Mechanismus, dass die Kosten aus dem Vorschuss des Klägers bezogen und diesem nur der Rückgriff auf den unterliegenden Beklagten eingeräumt wird, gilt auch (und gerade!), wenn die Bonität des Beklagten zweifelhaft ist (Obergericht des Kantons Zürich PP 120026 vom 28.2.2012). Der Gesetzgeber hat das Inkassorisiko im Privatrecht damit bewusst auf den Kläger überwälzt, selbst wenn dieser sich zur Klage veranlasst sah und obsiegte.

Vorgängig Bonität überprüfen

Aus diesem Grund sollte man immer den Schuldner, oder besser noch bevor es überhaupt so weit kommt, den potenziellen Geschäftspartner bzw. die Gegenpartei bei einem anstehenden Vertragsabschluss genau unter die Lupe nehmen und vorgängig die Bonität überprüfen. Am zuverlässigsten ist der Auszug aus dem Betreibungsregister am Geschäfts- bzw. Wohnsitz des Schuldners. Für 18 Franken wird sie jeder Person erteilt, die ein Interesse an der Betreibungsauskunft glaubhaft machen kann. Dazu genügt z. B. das Vorweisen eines Dokuments, das die Geschäftsbeziehung oder die anstehenden Vertragsverhandlungen manifestiert. Wurde der Geschäftssitz innerhalb der letzten fünf Jahre gewechselt (unter www.zefix.ch ersichtlich), empfiehlt es sich, beim früheren Betreibungskreis (Geschäfts- oder Wohnsitz) ein separates Auskunftsbegehren zu stellen.

Wenn Sie um die finanzielle Schieflage oder den angeblich fehlenden Zahlungswillen des Schuldners wissen, sollten Sie gegebenenfalls und trotz Ihrem guten Recht aus Kostenüberlegungen von einem Verfahren absehen. Unter Umständen ist eine Betreibung dennoch ratsam, wenn die Forderung zu verjähren droht, weil der Verjährungsablauf mit Anhebung der Schuldbetreibung unterbrochen wird und neu beginnt (Art. 135 Ziff. 2 OR). Die Verjährungsfrist ist unterschiedlich lang. Je nach Rechtsgrundlage dauert sie 1, 5 oder 10 Jahre (Art. 60, 67 und 127f. OR).

Natürliche Person als Schuldner

Bei einer natürlichen Person als Schuldner, die nicht im Handelsregister eingetragen ist (Art. 39 SchKG) und deshalb nicht der Konkursbetreibung unterliegt, erfolgt die Schuldbetreibung auf dem Weg der Pfändung. Besitzt die Person kein oder ungenügend pfändbares Vermögen, erhalten Sie als Gläubiger für den ungedeckten Betrag Ihrer Forderung einen Verlustschein (Art. 115 Abs. 1, 149f. SchKG). Diesen sollten Sie unbedingt aufbewahren, da er einerseits erst nach 20 Jahren verjährt und ein Arrestgrund darstellt sowie anderseits den Gläubiger zur Anfechtung von Veräusserungsverfügungen des Schuldners legitimiert (Art. 149 Abs. 2 SchKG).

Gesellschaft als Schuldner

Etwas komplizierter gestaltet sich die Situation, wenn Sie eine Kapitalgesellschaft (juristische Person wie AG oder GmbH) als zahlungsunfähige Schuldnerin haben. Wird die Kapitalgesellschaft aufgelöst – zum Beispiel durch Gesellschaftsbeschluss (Art. 736 oder Art. 821 OR) oder durch den Konkursrichter (Artikel 725a OR sowie Artikel 171 und 192 SchKG) –, tritt sie in ein Liquidationsstadium ein. Nach öffentlicher Bekanntmachung im Schweizerischen Handelsamtsblatt und den sogenannten Schulden­ru­fen kann die Liquidation beendet und die Firma im Handelsregister gelöscht werden. Achtung: Damit geht auch jede unangemeldete Forderung für immer sang- und klanglos unter! Aus diesem Grund sollte niemand zu lange warten, wenn eine Gesellschaft die Forderungen nicht mehr begleichen kann.

Unter Umständen können Sie auch ohne vorgängige Betreibung (gestützt auf Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG) gleich von Beginn an die Konkurseröffnung verlangen. Die Konkursbetreibung ist jedoch mit einem Kostenrisiko verbunden: Der Gläubiger, der das Konkursbegehren stellt, haftet für sämtliche Kosten, die bis und mit Einstellung des Konkurses mangels Aktiven oder bis zum Schuldenruf entstehen (Art. 169 SchKG).

Wenn an der Zahlungsfähigkeit oder -moral zu zweifeln ist, sollte der Schuldner zu einem Kostenvorschuss angehalten werden. Besser ist eine Vereinbarung von Vornherein, dass er vollständig vorleistungspflichtig ist, damit der Gläubiger dem Geld nicht hinterherjagen muss. Bei einem Vertrag mit Leistungspflicht Zug um Zug kann ein Gläubiger seine eigene Leistung mit der Einrede des nichterfüllten Vertrags zurückbehalten, bis die Gegenpartei ihre Leistung ordnungsgemäss anbietet oder im Fall der Zahlungsunfähigkeit eine Sicherheit leistet (Art. 82f. OR). Unter Umständen kann man die Verrechnung mit einer eigenen Forderung einredeweise geltend machen (Art. 120 OR). Ausserdem gibt es viele Rechtsinstitute zur Sicherung einer Leistung wie namentlich den Eigentumsvorbehalt, ein Pfandgeschäft, eine Bürgschaft oder Zahlungsgarantie eines Dritten.

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