Recht

Staatsbürgerrecht

Bedingungsloses Grundeinkommen: Zahlen, Fakten und Argumente

Für das Grundeinkommen als staatsbürgerliches Recht wurde im April eine Volksinitiative lanciert. Die Idee wird heiss diskutiert und auch von bürgerlichen Parteien sowie Unternehmern befürwortet. Der Beitrag zeigt eine aktuelle Übersicht.
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Das bedingungslose Grundeinkommen, abgekürzt BGE, ist eine alte Forderung. Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind soll ohne jede Bedingung und vor allem ohne Bedürftigkeitsprüfung einen sozialstaatlichen Existenz-Geldbetrag erhalten, der zu keiner Gegenleistung verpflichtet, erst recht nicht zur Suche oder Annahme einer Arbeit.

Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen das

› allen Menschen individuell zusteht

› die Existenzgrundlage sichert

› ohne Bedürftigkeitsprüfung und Tätigkeitszwang ausgezahlt wird

Weitere Einkommen sind anrechnungsfrei möglich. Alle genannten Kriterien kennzeichnen das Grundeinkommen als bedingungslos.

Man kann verschiedener Meinung darüber sein, wer ein Grundeinkommen erhalten soll.

› Nur Staatsbürger: Dafür spricht, dass ein Staat nicht verpflichtet ist, die Bürger anderer Staaten zu unterstützen. Das Grundeinkommen soll auch nicht zu Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen animieren.

› Einwohner: Dafür spricht, dass alle Einwohner Steuern bezahlen und viele von ihnen auch arbeiten.

Man kann ein Grundeinkommen auch allen zuteilen, die sich im Land aufhalten. Dafür spricht, dass man auch Flüchtlinge ernähren muss. Ein Gegenargument ist, dass ein Grundeinkommen für alle einen Staat auch für Wirtschaftsflüchtlinge attraktiv macht. Will man das vermeiden, müsste das Grundeinkommen auf Einwohner beschränkt bleiben.

Eine andere Frage ist, ob vermögende oder gut verdienende Personen Grundeinkommen erhalten sollen. Gerechterweise müsste das der Fall sein, weil sie am meisten Steuern zahlen.

Die Finanzierung

Gemäss Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren und Finanzdirektorinnen (FDK) betrug der Aufwand der Kantone gut 80 Milliarden, nach Finanzstatistik der Schweiz gut 70 Milliarden. Würde man die Kantone oder zumindest den Verwaltungsaufwand reduzieren, hätte man schon einen ordentlichen Beitrag ans Grundeinkommen.

Es gibt keinen logischen Grund dafür, warum ein kleines Land wie die Schweiz 26 kantonale Verwaltungsorganisationen benötigt. Die Sozialausgaben betragen laut Finanzstatistik der Schweiz zirka 53 Milliarden, denen 54 Mil­liarden Einnahmen gegenüberstehen. Andererseits fallen Sozialausgaben weg wie AHV und ALV samt den Verwaltungskosten, weil ihre Leistungen durch das BGE ersetzt werden. Wer eine höhere Alters- und Arbeitslosenvorsorge wünscht, als durch das BGE gedeckt ist, muss private Versicherungen abschliessen oder auf andere Art sparen.

Ein bekanntes Finanzierungsmodell ist die Latte-Macchiato-These.

Eine Latte Macchiato kostet 3.60 Euro.

Im heutigen System

› 0.60 Cent Mehrwertsteuer

› 1.50 Cent Löhne und Lohnnebenkosten

› 1.50 Cent in Waren und Infrastruktur, inklusive Lohnkosten für diese

Grundeinkommenssystem

› 1.20 staatliche Dienstleistungen

› 0.60 in die Finanzierung des Grundeinkommens, das Sozialleistungen des heutigen Systems ersetzt

› 0.60 sind weiterhin Personalkosten

Vorkämpfer für das Grundeinkommen sind in der Schweiz Daniel Häni und Enno Schmidt. Sie begründeten eine gesellschaftspolitische Bewegung in der Schweiz, die sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt. Sie betrachten das Grundeinkommen als «freistellende Sicherung der Lebensbasis für mehr Beweglichkeit, für mehr Entscheidungsfreiheit und Initiative. Mehr Lösungspotenzial für die Menschen. Arbeit in wechselnden Projekten und Zusammenhängen, Vielfalt und der Bedarf an persönlichem Sinngehalt in der Arbeit nehmen zu.»

Am 11. April 2012 wurde die Eidgenössische Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» im Bundesblatt publiziert. Die Initiative kommt zustande, wenn es gelingen sollte, innerhalb von 18 Monaten 100 000 gültige (beglaubigte) Unterschriften zu sammeln.

Der Initiativtext lautet folgendermas-sen:

Art. 110a (neu) Bedingungsloses Grundeinkommen

1 Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.

2 Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.

3 Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.

Laut Tages-Anzeiger stellt man sich die Umsetzung folgendermassen vor.

› Das Grundeinkommen beträgt 2500 Franken monatlich pro Erwachsene, für Kinder ein Viertel davon.

› Das Grundeinkommen wird vom Arbeitseinkommen abgezogen. Damit würden die Lohnkosten sinken. Die Preise allerdings müssten stabil gehalten werden. Die Differenz würde in Form einer Konsumsteuer für das Grundeinkommen abgeschöpft.

› Die Kosten würden sich auf 200 Milliarden Franken belaufen. 110 Milliarden Franken könnten durch die Konsumsteuer aufgebracht werden und weitere 70 bis 80 Milliarden Franken würden bei den Sozialwerken gespart.

Allerdings wäre dieser Vorschlag kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern nur eine Existenzsicherung für Leute, die zeitweise kein Einkommen haben. Das liesse sich einfacher realisieren. Es ist wenig sinnvoll, Grundeinkommen von einem Arbeitserwerb wieder abzuziehen. Die Idee des Grundeinkommens ist, dass alle eine Existenzsicherung bekommen, aber die Leute, die arbeiten, mehr erhalten als diejenigen, die nicht arbeiten. Arbeit soll sich lohnen.

Der Gedanke des bedingungslosen Grundeinkommens gründet bei Götz W. Werner in seiner Erfahrung als Unternehmer bei der Entwicklung des dm Drogerie Marktes. «Das Grundeinkommen hat sich für mich als eine Notwendigkeit ergeben aus meinen betriebswirtschaftlichen Erfahrungen in der Übertragung auf die Volkswirtschaft», meint der Firmengründer dazu. Finanziert werden soll das Grundeinkommen demnach durch die Mehrwertsteuer. Mehrwertsteuer ist nach Meinung von Götz W. Werner die faire Steuer im globalen Handel. Denn sie geht nicht mit über die Grenze.

Das Grundeinkommen wird möglich durch die steigende Produktivität bei sinkendem menschlichen Arbeitseinsatz. Darum ist das Grundeinkommen auch nötig. Denn die Versorgung der Menschen mit Einkommen kann nicht mehr allein durch Erwerbseinkommen und durch von ihm abgeleitete Sozialleistungen bewältigt werden.

Von wirklichen Notlagen geht man in Deutschland bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI) aus. Man fordert ein Existenzgeld. Dieses soll ein Grundeinkommen sein, festgesetzt auf 800 Euro monatlich plus dem Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung. Das Existenzgeld ist unpfändbar. Zusätzlich zum Existenzgeld werden die tatsächlichen Wohnkosten inklusive Nebenkosten übernommen. Das Existenzgeld soll finanziert werden durch den bisherigen Teil des Steueraufkommens für soziale Transferleistungen, die zukünftige zweckgebundene Existenzgeld-Abgabe von 50 Prozent auf Nettoeinkommen jeglicher Art und Höhe. Einzelne Steuerarten sind ein­zu­führen bzw. neu festzusetzen, z. B.: Spekulationsgewinnsteuer, Kapitalexportsteuer, Erbschaftssteuer usw.

Laut Weltwoche wird Milton Friedman von den Befürwortern oft zitiert. Er propagierte allerdings kein Grundeinkommen, sondern eine negative Einkommenssteuer. Diese ist eine abgestufte Ergänzung der Einkommenslücke durch eine negative Steuer. Damit wollte er die Eigenschaft der progressiven Einkommenssteuer korrigieren, dass bei manchen Schwellenwerten das zusätzliche Einkommen hundertprozentig besteuert wird. Dies schwächt die Anreize, ein eigenes Einkommen zu erzielen. Die negative Einkommenssteuer ist alles andere als bedingungslos, sie setzt die Einreichung einer Steuerdeklaration und damit den Nachweis von Bedürftigkeit voraus.

Trotzdem das Grundeinkommen heiss diskutiert wird, gibt es verhältnismässig wenig Gegenargumente. Ein Hauptargument der Gegner ist: Viele Leute, die mit dem Grundein-kommen auskommen, wollen nicht mehr produktiv arbeiten. Und niemand will mehr die «schmutzige Arbeit» machen. Wie weit das zutreffen würde, müsste man abwarten. Es gibt handfeste Indizien dafür, dass die meisten Menschen etwas Sinnvolles mit ihrem Leben anfangen wollen. Das kann auch sozia­les Engagement und Kultur sein.

Ein weiteres Argument ist, dass viele Bürger jahrzehntelang AHV einbezahlt haben und es ungerecht empfinden, dass junge Leute, ohne lange einbezahlt zu haben, dasselbe kriegen. Auch dafür gibt es Gegenargumente. Die AHV-Generation hat lange Phasen der Hochkonjunktur erlebt. Hingegen sind die AHV-Beiträge der jüngeren Generationen nicht mehr unbedingt sicher.

Hingegen gibt es folgende Argumente für das Grundeinkommen:

› In unserem System bekommt ohnehin jeder das Existenzminimum.

› Die Sozialsysteme sind so organisiert, dass begünstigt wird, wer nicht arbeitet. Diejenigen, die arbeiten, erhalten nichts und werden zusätzlich mit Steuern und Abgaben belastet. So kann die absurde Situation entstehen, dass ein Sozialhilfebezüger mehr Geld zur Verfügung hat als jemand, der arbeitet.

› Die Sozialsysteme sind schwer durchschaubar, unrationell und viel zu kostspielig. Durch Abschaffung der komplizierten staatlichen Sozial- und Rentensysteme spart man jede Menge Verwaltungskosten.

› Existenzängste und innerliche Kündigung lassen sich durch das Grundeinkommen vermeiden. Das hat bekanntlich Folgen für die geistige und körperliche Gesundheit. Dadurch spart man Kosten, und diese können Milliardenbeträge erreichen, für Ärzte, Spitäler, Wiedereingliederung usw.

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