Recht

Arbeitsrecht

Aufhebungsvertrag: Schranken der Vertragsfreiheit

Arbeitsverhältnisse können mittels Vertrag aufgelöst werden. Der Ruf solcher Aufhebungsvereinbarungen ist zu Unrecht nicht der beste, denn in der Regel stellt diese Aufhebung Vorteile für beide Seiten dar. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind aber nicht gänzlich frei, wie sie die Auflösung vertraglich regeln wollen: Es bestehen gesetzliche Schranken.
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Der Aufhebungsvertrag ist das Pendant zum Arbeitsvertrag. So wie die Parteien miteinander vereinbart hatten, künftig zusammenzuarbeiten, regeln sie in einer nächsten Vereinbarung, wie das Vertragsverhältnis aufgelöst werden soll. In einer Zeit, in der viel von Führung auf Augenhöhe die Rede ist und Unternehmen ihre Mitarbeiter mehr als Partner, denn als Arbeitnehmende sehen, scheint die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mittels Arbeitgeberkündigung schlichtweg nicht angemessen zu sein. Konsequenterweise wäre auch die arbeitsrechtliche Trennung ein Prozess, in welchem beide Parteien eingebunden sind und einander auf Augenhöhe begegnen.

Wohlgemerkt, eine Auflösung mittels Aufhebungsvertrag stellt einen Prozess und nicht einen einseitigen Akt dar. Daraus wird ersichtlich, dass es nicht mit einem zweiminütigen Gespräch getan ist. Die Kultur für das Gelingen einer einvernehmlichen Aufhebungsvereinbarung muss aber bereits vorher gelegt werden. Fehlt dem Mitarbeiter das Vertrauen, dass er sich in diesen Prozess einbringen kann, wird er sich nicht auf eine einvernehmliche Lösung einlassen, sich sogar mit seinen Mitteln dagegenstellen. Solche Erfahrungen führen dann bei Arbeitgebern dazu, dass sie künftig wieder zur Kündigung mit all ihren Risiken greifen. Und nur selten wird analysiert, ab welchem Zeitpunkt und an was die einvernehmliche Trennungsvereinbarung gescheitert ist.  

Verzichtsverbot

Gemäss Art. 341 Abs. 1 im Obligationenrecht kann der Arbeitnehmer auf bereits bestehende, zwingende Ansprüche während der Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie einen Monat nach dessen Beendigung nicht verzichten. Selbst wenn er also in einem Vertrag auf solche Ansprüche explizit verzichtet, ist dies nicht gültig; und der Arbeitsnehmer kann später diese zwingenden Ansprüche gleichwohl geltend machen. Dieses Verzichtsverbot würde nur dann nicht gelten, wenn die Vereinbarung mehr als einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wird. Das ist aber gerade bei einer Aufhebungsvereinbarung nicht der Fall, da dieser in der Regel keine Kündigung vorausgeht.

Primäre Ansprüche

Das Obligationenrecht regelt seinerseits, welches die zwingenden Normen des Arbeitsvertragsrechts sind (vgl. Art. 361 und 362 OR), allerdings kann diese Aufzählung nicht als abschliessend betrachtet werden. In der Praxis relevant, und unter das Verzichtsverbot fallend, sind primär die Ansprüche des Arbeitnehmenden auf Überzeit, Auslagenersatz sowie auf Ferienguthaben. Gemäss Rechtsprechung gilt das Verzichtsverbot auch auf bereits geleistete Überstunden, auf welche der Arbeitsnehmer nicht nachträglich verzichten kann. Zwar ist diese Qualifikation kaum nachvollziehbar, sie ist aber als ständige Rechtsprechung zu beachten.

Aufhebungsvereinbarung

Bei der Beurteilung einer Aufhebungsvereinbarung muss diese als Ganzes betrachtet werden, respektive die gegenseitigen Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden. Es sind also aus Sicht des Arbeitnehmers die Vorteile auf der einen Seite und seine Nachteile auf der anderen Seite darzustellen. Nur wenn die Bilanz ausgeglichen ist oder einen Überschuss der Vorteile für den Arbeitnehmenden zeigt, ist die Vereinbarung gültig. Der Mitarbeiter kann also grundsätzlich auf Ansprüche verzichten.

Eine solche Aufhebungsvereinbarung mit einem Arbeitnehmerverzicht wird dann geschützt, wenn sie – in Bezug auf das Verzichtsverbot – als Ganzes gegenseitige, echte Zugeständnisse beinhaltet. Wobei die Abwägung natürlich aus Sicht des Arbeitnehmers erfolgen muss, seine Interessen sind geschützt, nicht jene des Arbeitgebers. Aus diesem Grund kann der Arbeitnehmende beispielsweise gültig auf die Bezahlung der Kündigungsfrist verzichten, wenn er während dieser Zeit auch keine Arbeitsleistung mehr erbringen muss. Daraus folgt, dass eine Aufhebungsvereinbarung per sofort grundsätzlich möglich ist, auch ohne Auszahlung der vertraglich festgelegten Kündigungsfrist.

Ausgeglichene Bilanz

Vor dem Hintergrund, dass eine Aufhebungsvereinbarung eine ausgewogene Interessenabwägung beinhalten muss, sollte auch der Grund für die Auflösung erwähnt werden.

Insbesondere dann, wenn der Grund auf sachlichen, betriebsbedingten Motiven basiert oder wenn die Initiative für die Auflösung vom Arbeitnehmer ausgeht. Geht die Initiative für eine Vertragsauflösung nämlich vom Arbeitnehmer aus, so führt dies zu einer «Minimierung» seiner Nachteileseite. Die Arbeitgeber sollten daher belegen können, dass ohne die gegenseitige Auflösung der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis von sich aus gekündigt hätte.

Umgehungsverbot

Eine weitere zentrale Schranke für Aufhebungsverträge ist das Verbot der Umgehung zwingender Schutzbestimmungen. Eine Aufhebungsvereinbarung – mit welcher das Arbeitsverhältnis in der Regel vorzeitig, also vor Ablauf der Kündigungsfrist, aufgelöst wird – beinhaltet ja den Verzicht des Arbeitnehmers auf künftige Ansprüche während der weiteren Vertragsdauer respektive während der ordentlichen Kündigungsfrist. Allen voran steht der Verzicht auf Kündigungsschutz, insbesondere auf Sperrfristenschutz bei Arbeitsunfähigkeit.

Wird also eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen, allein zum Zweck, den Kündigungs-/Sperrfristenschutz zu umgehen, so wäre diese nichtig. Keine Gesetzesumgehung liegt vor, wenn für den Aufhebungsvertrag und das damit verbundene Vorgehen sachliche Gründe bestehen, und eben nicht «nur» das Aushebeln des Sperrfristenschutzes zum Ziel haben. Hat der Arbeitnehmer ein eigenes Interesse am Aufhebungsvertrag oder zusätzliche Vorteile daraus, so deutet dies gegen eine Gesetzesumgehung. Zusatzleistungen wie ein Newplacement oder eine freiwillige Austrittsentschädigung sind beispielsweise solche Arbeitnehmervorteile.

Keine Freistellung

Das Verzichtsverbot, das Verbot der Gesetzesumgehung und der Grundsatz der ausgeglichenen Vor- und Nachteile führt in der Praxis gelegentlich dazu, dass die Arbeitgeber Aufhebungsvereinbarungen abschliessen, das Aufhebungsdatum aber jeweils auf das Ende der vertraglichen Kündigungsfrist setzen und den Mitarbeiter gleichzeitig von seiner Arbeitspflicht befreien. Eine solche Aufhebungsvereinbarung könnte allerdings später als Kündigung mit Freistellungserklärung interpretiert werden.

Dies mit der Folge, dass gerade auch der Kündigungsschutz zum Tragen kommt, also grundsätzlich eine Anfechtung infolge Missbräuchlichkeit der Kündigung denkbar ist und auch der zeitliche Kündigungsschutz gilt, der sogenannte Sperrfristenschutz bei Arbeitsunfähigkeit. Bei der Auslegung, ob es sich hierbei um einen beidseitigen Aufhebungsvertrag handelt oder um eine einseitige Kündigung mit einer Freistellungserklärung, werden immer der Parteiwille ermittelt und Unklarheiten tendenziell zugunsten des Arbeitnehmenden ausgelegt. Es kommt also darauf an, wie der Inhalt einer Erklärung zu werten ist, und nicht etwa welchen Titel ein Dokument besitzt.

Einstieg ist entscheidend

Die Aufhebung als gemeinschaftlicher Prozess verstanden hat den Vorteil, dass man wirklich zu einer Einigung kommt, die von beiden Seiten als ausgewogen und tragfähig erachtet und somit akzeptiert wird. Solche Aufhebungsverträge werden kaum gerichtlich angefochten. Es lohnt sich daher unter mehreren Aspekten, Zeit in die Vorbereitung zu investieren statt später in eine gerichtliche Auseinandersetzung. Auf der anderen Seite lautet die Kernfrage jeweils, wann genau soll ein Aufhebungsvertrag angesprochen respektive vorgelegt werden. Dies hängt vom Einzelfall und von der Unternehmenskultur ab. Je offener die Gesprächs- und Führungskultur ist, desto eher lassen sich einvernehmliche Aufhebungsvereinbarungen realisieren. Jene Unternehmen, die streng hierarchisch strukturiert sind und sogar Spuren einer Angstkultur aufweisen, werden wohl auch künftig eher zur einseitigen, rechtssetzenden Arbeitgeberkündigung setzen – mit all ihren Nachteilen.

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