Recht

Arbeitsrecht

Aspekte der kurzfristigen Änderung von Anstellungsbedingungen

Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses stellte viele Unternehmen vor die Frage, wie sie die Personalkosten schnell senken können, um dem drohenden Umsatzeinbruch begegnen zu können. Sind eine Mehrheit oder gar alle Mitarbeitenden von einer Sparmassnahme betroffen, so bestehen gesetzliche Rahmenbedingungen.
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Die Arbeitsbedingungen können zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer relativ frei vereinbart werden. Um eine Gleichbehandlung zu erzielen und die administrative Personalführung zu vereinfachen, nutzen die meisten Unternehmen die Möglichkeit, die allgemeinen Anstellungsbedingungen in einem Reglement zusammenzufassen, welches schliesslich für alle Mitarbeitenden zur Anwendung gelangen soll. Meist mit einer Globalübernahme im Einzelarbeitsvertrag werden solche Personalreglemente, Mitarbeiterhandbücher, Anstellungsbedingungen, oder wie sie auch genannt werden, zum Vertragsbestandteil gemacht.

Vorgehensweisen

Eine Änderung derselben bedarf daher in der Regel der beidseitigen Zustimmung. Den meisten Unternehmen ist es klar, dass für Abweichungen, die zuungunsten der Mitarbeitenden getroffen werden sollen, ihre Zustimmung vorliegen muss.

Infolge der Plötzlichkeit und der Dringlichkeit, Sparmassnahmen ergreifen zu müssen, wurde in den vergangenen Monaten häufig die Frage aufgeworfen, wie man vorzugehen hat und per wann man eine Änderung in Kraft setzen könne.

Die Vertragsänderung

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Wege, Anstellungsbedingungen zu ändern. Einerseits über die einvernehmliche Vertragsänderung und andererseits über die Änderungskündigung. Bei Ersterem treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam eine Vereinbarung, dass die neuen Bedingungen gelten sollen. Den Zeitpunkt, ab wann die neuen Bedingungen gelten sollen, können die Parteien frei wählen – es kann auch per sofort sein.

Die Änderungskündigung

Im Falle der Änderungskündigung da­gegen spricht der Arbeitgeber grundsätzlich eine Kündigung aus und offeriert gleichzeitig oder leicht später ein neues Vertragsangebot mit neuen Anstellungs­bedingungen. Wird nur ein einzelnes Arbeitsverhältnis neu gestaltet, so wird man dies mit dem Mitarbeitenden vor­besprechen und dann den Weg über die einvernehmliche Vertragsänderung einschlagen können. Will man als Arbeitgeber aber beispielsweise von der gesamten Belegschaft verlangen, dass künftig zwei Stunden länger pro Woche gearbeitet werden muss, dies aber bei gleichbleibendem Lohn, dann wird oft der Weg über die Änderungskündigung gewählt.

Die Gründe sind einfach. Erstens lässt es sich, der Erfindung der Serienbriefe sei Dank, gut auf einen einzigen Tag vorbereiten. Zweitens ist die Änderungskündigung insofern für Arbeitgeber attraktiv, weil sie damit den Ball dem Mitarbeitenden zuspielen, denn dieser muss aktiv werden, wenn er das Arbeitsverhältnis fortführen möchte. Der Arbeitgeber setzt eine Frist, bis zu welcher der Mitarbeitende die Annahme der neuen Anstellungsbedingungen erklären muss, ansonsten gilt die Än­derungskündigung als Kündigung des Arbeitsverhältnisses, und das Arbeitsverhältnis wird auf Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst. Drittens minimiert die Änderungskündigung das Klagerisiko infolge Missbräuchlichkeit, denn in der Änderungskündigung an sich sieht die Rechtsprechung keine Missbräuchlichkeit.

Der Weg der Änderungskündigung hat aber wiederum drei grosse Nachteile. Erstens lässt sich damit eine Änderung immer erst frühestens auf Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft setzen. Zweitens ist bei einer grösseren Anzahl das Verfahren der Massenentlassung zu beachten und insbesondere ein Konsultationsverfahren durchzuführen und drittens stösst die Änderungskündigung, wenn sie denn für die gesamte Belegschaft wegen der Änderung eines Teilbereichs der Anstellungsbedingungen ergriffen wird, oft auf gros­ses Unverständnis und führt zu Unsicherheit. «Warum wird mir der Arbeitsvertrag gekündigt, wenn der Arbeitgeber ja nur die Arbeitszeit um zwei Stunden anheben will», so die spontane Reaktion von betroffenen Mitarbeitenden.

Die Massenänderungskündigung

Nochmals an die letzten Monate gedacht, wird nachfolgend das Institut der Massenänderungskündigung genauer unter die Lupe genommen. Ein Begriff, der so in den Gesetzen nicht in Erscheinung tritt. Auch in der Literatur ist der Begriff wenig verbreitet. Letztendlich bezeichnet es den Vorgang, dass eine zuungunsten der Mitarbeiter neue Vertragsregelung für eine Vielzahl von Mitarbeitenden mittels Änderungskündigung durchgesetzt werden soll. Sobald die Schwellenwerte der Massenentlassung gemäss Art. 335d OR erreicht sind, muss das für den Fall der tatsächlichen Massenentlassung gesetzlich vorgeschriebene Konsultationsverfahren durchgeführt und die Ämter müssen entsprechen involviert werden.

Werden zusätzlich noch die Quoren der gesetzlichen Sozialplanpflicht erfüllt, müssen auch Sozialplanverhandlungen geführt werden. Ja, eine durchaus irri­tierende Vorstellung, die aber von der Rechtsprechung so gestützt wird. Dies ist umso erstaunlicher, als bei der Massenänderungskündigung gerade eben nicht der Stellenabbau im Fokus steht. Im Gegenteil, der Stellenabbau soll genau mit dieser Massnahme verhindert werden, um Kosten einzusparen und damit die Arbeitsplätze sichern zu können.

Und trotzdem, ein vorgängiges Konsultationsverfahren wäre durchzuführen, womit man, über den Daumen geschlagen, für die Inkraftsetzung gleich nochmals einen Monat verliert. Ab Information muss also die Kündigungsfrist plus einen Zusatzmonat für das Konsultationsverfahren eingerechnet werden. Kurzfristig lässt sich also damit kaum eine Änderung durchsetzen. Zwar regt sich in der Lehre immer häufiger Kritik an der Rechtsprechung, und die Autoren legen mit durchdachten und nachvollziehbaren Argumenten dar, warum das Verfahren der Massenentlassung nicht zu beachten sei. Noch hält die Rechtsprechung aber daran fest, dass die gesetzlichen Bestimmungen der Massenentlassung auch bei Massenänderungskündigungen zu berücksichtigen seien.

Bereits in der letzten Eurokrise 2011 wurden in vielen Unternehmen die Anstellungsbedingungen angepasst, wobei meistens ein praktikabler und wenig rechtstheoretischer Weg beschritten wurde. Schliesslich werden auch kantonale Arbeitsämter nicht so recht wissen, was sie mit einer Ankündigung einer geplanten Massenänderungskündigung anfangen sollen, was ebenfalls dafür spricht, dass die Bestimmungen über die Massenentlassung allein dieser vorbehalten sein sollten.

Das eine tun und das andere nicht lassen

Wenn es denn die Zeitplanung erlaubt, und das Unternehmen so oder so eine Änderungskündigung plant, sollte zunächst die Möglichkeit der einvernehmlichen Vertragsänderung genutzt werden, um so gar nicht erst in den Bereich der Schwellenwerte für die Massenentlassung zu geraten. Dies würde dann so ablaufen, dass der Arbeitgeber eine Änderung plant, diese den Mitarbeitenden schriftlich in Form einer Vertragsofferte unterbreitet und eine Frist ansetzt, innert welcher die Mitarbeitenden auf einem Zusatzblatt ihre ausdrückliche Zustimmung zu erklären haben.

Sinnvollerweise eröffnet der Arbeitgeber mit dieser Information gleichzeitig ein Konsultationsverfahren, was wiederum zeitlich genau gleich lang angesetzt wird, wie die Rücklauffrist für die Einverständniserklärung. Sind dann genug schriftliche Zustimmungen innerhalb dieser Frist zurückgekommen, sind nur noch für jene, die noch nicht zugestimmt haben, Änderungskündigungen auszusprechen. Im Idealfall liegen diese zahlenmässig unter den Schwellenwerten der Massenentlassung, weshalb die Kündigungen umgehend ausgesprochen werden können. Müssen aber so vielen Mitarbeitenden eine Kündigung resp. eine Änderungskündigung ausgesprochen werden, dass mit deren Anzahl die Schwellenwerte gemäss Bestimmungen der Massenentlassung erreicht werden, so ist dieses Verfahren zu berücksichtigen (Information des kantonalen Amtes) sowie unter Umständen einen Sozialplan zu verhandeln.

Arbeitgeber, die eine Offerte für eine kurzfristige Verschlechterung der Anstellungsbedingungen anbieten, laufen das Risiko einer missbräuchlichen Kündigung, wenn sie bei einer Nichtannahme danach eine Änderungskündigung oder eine Kündigung aussprechen. Aus diesem Grund wird meist die Möglichkeit der einvernehmlichen Vertragsänderung gedanklich nicht weiter verfolgt, obschon darin die einzige Chance einer kurzfristigen Umsetzung liegt. Dabei muss bei den Mitarbeitenden in sehr kurzer Zeit beste Überzeugungsarbeit geleistet und plausibel dargelegt werden, warum sie der Änderung beispielsweise schon auf den nächsten Monatsbeginn zustimmen sollen. Erreicht der Arbeitgeber aber keine oder zu wenig Zustimmungen, so ist er gezwungen, Änderungskündigungen oder Kündigungen auszusprechen. Und hier wiederum besteht dann das Risiko, dass er den Gekündigten Entschädigungszahlungen infolge Missbräuchlichkeit der Änderungskündigung resp. Kündigung bezahlen muss. Die Geschäftsleitung muss also äusserst überzeugend auftreten, um eine Verschlechterung der Anstellungsbedingungen kurzfristig über die einvernehmliche Vertragsänderung durchsetzen zu können. Für die Zustimmung der Mitarbeitenden kann es zudem hilfreich sein, wenn eine solche Sparmassnahme zeitlich befristet ist.

Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass es leichter ist, eine Verschärfung der Arbeitszeit oder anderer Bedingungen durchzusetzen als eine Lohnreduktion. Einer Arbeitszeitverlängerung stimmen Arbeitnehmende leichter zu, auch wenn sie für den gleichen Lohn länger arbeiten müssen. Dagegen ist die Zustimmung dann sehr zurückhaltend, wenn es tatsächlich direkt ans Geld geht, sei es, dass man eine Lohnreduktion vorschlägt, Löhne in Euro zahlen will oder wenn man einen Verzicht auf den 13. Monatslohn erreichen möchte. Mehr arbeiten für gleich viel Geld wird in der Regel akzeptiert. Weniger Lohn für die gleiche Arbeit stösst dagegen fast immer auf Widerstand.

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