Recht

Arbeitsrecht

Aktuelle Rechtsfragen rund um die Ferien

Ferien führen in vielen Arbeitsverhältnissen früher oder später zu Unstimmigkeiten. Die möglichen Problemkreise sind vielfältig. Der Beitrag fokussiert einzelne aktuelle Themen und die damit verbundenen gesetzlichen Bestimmungen.
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Sämtliche Aspekte aus dem Themenfeld Ferien zu besprechen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. In den folgenden Ausführungen soll daher auf einzelne aktuelle Themen im Zusammenhang mit Ferien näher eingegangen werden, so- dass dem Arbeitgeber die korrekte Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen erleichtert wird.

Das Bestimmungsrecht

Gemäss Art. 329a des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) hat der Arbeitnehmer bis zur Vollendung des 20. Altersjahrs Anspruch auf mindestens fünf Wochen Ferien pro Jahr, danach auf mindestens vier Wochen. Der Arbeitgeber bestimmt den Zeitpunkt der Ferien, wobei er die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat, soweit dies mit dem Geschäftsbetrieb vereinbar ist.

Änderung des Ferienzeitpunkts, Rückruf aus den Ferien

Sind Ferien vom Arbeitgeber genehmigt, ist eine Änderung des Ferienzeitpunkts durch den Arbeitgeber nur unter der Voraussetzung statthaft, dass eine rechtzeitige Anzeige erfolgt sowie die aktuellen Interessen des Betriebs diejenigen des Arbeitnehmers überwiegen. Ebenfalls möglich ist eine Änderung des Ferienzeitpunkts oder sogar ein Rückruf aus den Ferien bei dringenden und unvorhergesehenen betrieblichen Bedürfnissen. Kosten, welche dem Arbeitnehmer durch einen solchen Rückruf entstehen, sind vom Arbeitgeber zu erstatten.

Anordnung einzelner Ferientage

In der Regel sind die Ferien im laufenden Dienstjahr zu gewähren, wobei zwei Wochen zusammenhängen müssen. Diese gesetzliche Bestimmung (Art. 329c Abs. 1 OR) soll den durch die Ferien angestrebten Erholungswert gewährleisten, welcher sich erst nach einer gewissen Akklimatisierungszeit richtig einstellt. Nicht nur die zwei durch das Gesetz angeordneten zusammenhängenden Ferienwochen, sondern die gesamten Ferien dienen der Erholung, weshalb sämtliche Ferien grundsätzlich in jeweils mehreren zusammenhängenden Tagen zu gewähren sind. Der Bezug einzelner Ferientage oder sogar Ferienhalbtage soll daher nur auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers gewährt werden, wobei der Arbeitgeber das Recht hat, den Bezug einzelner Ferientage zu verweigern, wenn dies den Ferienzweck – also die Erholung durch längere Abwesenheit vom Arbeitsplatz – vereiteln würde.

Ferienbezug während der Kündigungsfrist

Die Anordnung von Ferienbezug während der Kündigungsfrist oder der Freistellungsdauer durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich zulässig und bei einer durch den Arbeitnehmer erfolgten Kündigung unproblematisch. Wurde das Arbeitsverhältnis aber durch den Arbeitgeber gekündigt, vereitelt die Stellensuche den Erholungszweck der Ferien. Das Arbeitsgericht Zürich hat die «Drittelsregel» entwickelt, wonach ein Drittel der Kündigungsfrist oder Freistellungsdauer zum Bezug von Ferien angerechnet werden darf, während die restliche Dauer der Kündigungsfrist zur Stellensuche zur Verfügung stehen muss. Gemäss Bundesgericht ist aber auf den Einzelfall abzustellen (auf die Dauer der Kündigungsfrist, die Arbeitsmarktlage, das Restferienguthaben sowie die persönlichen Voraussetzungen des Arbeitnehmers wie Alter oder berufliche Fähigkeiten).

Bei Ferienunfähigkeit

Wie bereits oben ausgeführt, dienen die Ferien dem Zweck der Erholung. Ist ein Arbeitnehmer während der Ferien krank oder verunfallt er, tritt kaum eine Erholung ein und der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, die Ferien zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, sofern er den Beweis erbringen kann, dass die Krankheit oder der Unfall die Erholung während der Ferien verunmöglichen. Dieser Beweis kann beispielsweise durch ein Arztzeugnis, in welchem die Ferienunfähigkeit attestiert wird, erbracht werden.

Arbeitsunfähigkeit und Ferienunfähigkeit sind nicht immer deckungsgleich

Für den Nachweis der Ferienunfähigkeit spielt es keine Rolle, ob und in welchem Masse der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. So hat das Bundesgericht in einem Urteil bestätigt, dass eine bloss arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit dem Erholungswert und damit dem Ferienbezug nicht entgegenstehen muss. Auch sind Arztzeugnisse, die eine Teilarbeitsunfähigkeit attestieren, nicht aussagekräftig betreffend Ferienfähigkeit eines Arbeitnehmers. Attestiert ein ärztliches Zeugnis eine 50-prozentige Arbeitsunfähigkeit, so ist der Arbeitnehmer entweder ganz ferienfähig und die Ferien sind ihm voll anzurechnen oder er ist gar nicht ferienfähig. Im zweiten Fall steht dem Arbeitnehmer das Recht zu, die Ferien zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, im Gegenzug muss er aber die verbleibende Arbeitsfähigkeit von 50 Prozent dem Arbeitgeber anbieten.

Ausländische Arztzeugnisse

Da sich Arbeitnehmer, die während ihrer Ferien erkranken oder verunfallen, häufig im Ausland aufhalten, werden Arbeitgeber oft mit ausländischen Arztzeugnissen konfrontiert. Diesen Arztzeugnissen kommt grundsätzlich der gleiche Beweiswert wie inländischen Arztzeugnissen zu, auch wenn sie in der jeweiligen Landessprache verfasst sind. Massgebend dafür, dass einem ausländischen Arztzeugnis der gleiche Beweiswert wie einem inländischen zukommt, ist, dass es dieselben formellen und materiellen Kriterien erfüllt: Das Zeugnis muss die Personalien des Arbeitnehmers enthalten, den Aussteller bezeichnen, datiert sein und Stempel und Unterschrift des attestierenden Arztes aufweisen. Zudem muss die Ferien­unfähigkeit bescheinigt werden, damit dem Arztzeugnis volle Beweiskraft zukommt. Fehlt eines dieser Kriterien, ist der Arbeitgeber berechtigt, eine vertrauensärztliche Untersuchung anzuordnen.

Verhinderte Rückkehr

In den letzten Jahren mussten sich viele Arbeitgeber mit dem Thema auseinandersetzen, wie vorzugehen ist, wenn ein Arbeitnehmer daran gehindert wird, rechtzeitig aus den Ferien zurückzukehren. Dies kann auf Grund von Unwettern, Flugverboten wegen Krieg, Vulkanausbrüchen, Streiks von Eisenbahngesellschaften oder Groundings von Fluggesellschaften geschehen. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob während der ungeplanten Abwesenheit des Arbeitnehmers eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht.

Grundsätzlich gilt hier: Ohne Arbeit kein Lohn. Erbringt der Arbeitnehmer seine Leistung nicht, ist demnach kein Lohn geschuldet. Eine Ausnahme bildet die Lohnfortzahlungspflicht im Falle eines Annahmeverzugs des Arbeitgebers (Art. 324 OR), bei welcher der Arbeitgeber während der gesamten Dauer der Verhinderung den Lohn bezahlen muss, ohne dass der Arbeitnehmer verpflichtet wäre, die nicht erbrachte Leistung zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen. Andererseits besteht eine zeitlich begrenzte Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist (Art. 324a /b OR). Auch in diesen Fällen muss der Arbeitnehmer die nicht erbrachte Arbeitsleistung nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachholen und in beiden Fällen dürfen die entsprechenden Zeiten dem Arbeitnehmer nicht auf die Ferien, Überstunden oder Gleitzeiten angerechnet werden.

Ereignis, das die Rückkehr verhindert, trifft den Arbeitgeber Wird der Betrieb des Arbeitgebers durch ein Ereignis, zum Beispiel ein Erdbeben, so schwer beeinträchtigt, dass der Arbeitnehmer die Arbeit nicht erbringen kann, liegt ein Annahmeverzug vor und der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer für die gesamte Zeit den Lohn zu bezahlen, ohne dass der Arbeitnehmer die Arbeitszeit zu einem späteren Zeitpunkt nachholen müsste. Anrechnen lassen muss sich der Arbeitnehmer hingegen, was er durch das Entfallen der Arbeitsleistung gespart, anderweitig verdient oder absichtlich zu verdienen unterlassen hat.

Ereignis, das die Rückkehr verhindert, trifft den Arbeitnehmer

Wird der Arbeitnehmer an seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz verhindert, weil er durch das Ereignis verletzt wurde oder er dadurch erkrankte, so kommen Art. 324a/b OR zur Anwendung. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, während einer beschränkten Zeit, welche von der Anzahl Dienstjahre des Arbeitnehmers abhängt, mindestens 80 % des Lohns des Arbeitnehmers zu bezahlen.

Ereignis, das die Rückkehr verhindert, trifft die Allgemeinheit

Es gibt Fälle, in denen der Grund für die Arbeitsverhinderung weder in der Risikosphäre des Arbeitgebers (Annahmeverzug) noch in der Person des Arbeitnehmers (Anwendungsfall von Art. 324a/b Obligationenrecht) liegt, sondern die Allgemeinheit trifft. Wobei insbesondere an die folgenden zwei Fälle zu denken ist: Eine allgemeine Unterbrechung der Verkehrswege verhindert den Arbeitnehmer an der Rückkehr oder ein Ereignis hat das Vermögen eines Arbeitnehmers derart schwer getroffen, dass er Erhaltungsmassnahmen ergreifen muss und deshalb seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann.Lehre und Rechtsprechung sind sich einig, dass bei einer allgemeinen Unterbrechung der Verkehrswege kein Lohn geschuldet ist, der Arbeitnehmer die versäumte Arbeitszeit aber auch nicht nachholen muss und die Zeit zudem nicht an das Ferienguthaben des Arbeitnehmers angerechnet werden darf.

Bleibt hingegen ein Arbeitnehmer von der Arbeit fern, weil sein Vermögen derart schwer getroffen wurde, dass er vernünftigerweise Erhaltungsmassnahmen ergreifen muss – zum Beispiel, wenn sein Haus überschwemmt wurde – so sind sich Lehre und Rechtsprechung nicht einig, ob den Arbeitgeber eine Lohnzahlungspflicht trifft. Einig sind sich aber Lehre und Rechtsprechung darüber, dass auch in diesem Fall die Zeit durch den Arbeitnehmer weder nachzuholen ist noch an sein Ferienguthaben angerechnet werden darf. Zählt man den drohenden Vermögensverlust als in die Risikosphäre des Arbeitnehmers fallend, so ist wohl auch in diesem Fall eine Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a/b OR anzunehmen.

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