Mensch & Arbeit

Mediation

Wie teure Konflikte am Arbeitsplatz vermieden werden können

Die Auswirkungen ungelöster Konflikte auf das Betriebsergebnis sind nicht zu unterschätzen. Konflikte führen zu Leistungsverlusten, innerer Kündigung, Fehlzeiten bis hin zu Trennungen oder Gerichtskosten. Wie mithilfe einer Mediation Kosten gespart, Konflikte analysiert und die Grundlage für ein neues Miteinander geschaffen werden, zeigt ein Praxisbeispiel.
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Ein mittlerer Industriebetrieb im Kanton Zürich beschäftigte in einem der Grossraumbüros ein Team, bestehend aus vier Teammitgliedern und einem Teamleiter. In diesem Team waren ein schroffer Ton, versteckte Seitenhiebe und unterschwellige Angriffe an der Tagesordnung. Statt diesen Umgang im Team zu besprechen, taten die Beteiligten so, als wäre alles in Ordnung und diese Art zu kommunizieren normal. Jedes Teammitglied litt, aber keines unternahm etwas. Die Vorgesetzten und die Personalabteilung hatten mehrmals versucht, die Situation zu klären. Jedoch ohne Erfolg. Sie verschlechterte sich sogar so, dass sich Kunden begannen zu beschweren. Die Führung schätzte die Arbeitsleistung jedes Einzelnen sehr und stellte das gesamte Team schliesslich vor die Wahl: Entweder nehme das Team gemeinsam an einer Mediation teil oder es müsse mit Kündigungen rechnen. Niemand aus dem Team wollte das Unternehmen verlassen. Alle waren bereit, mittels einer Me­diation die Situation zu klären.

In der oben geschilderten Situation handelte es sich um ein defensives Konfliktmuster. Aus Angst, vermeintliche Schwächen zu zeigen, Anschuldigungen entgegennehmen zu müssen oder gar als Sündenbock dazustehen, bremste, verzögerte und blockierte das Team die Auseinandersetzung über die eigentlichen Anliegen. Die einzelnen Mitarbeiter hatten sich längst zurückgezogen und gingen damit einer Konfliktaustragung aus dem Weg. Je mehr sie sich zurückzogen, desto grösser wurde der Konflikt.

Es war klar, dass in der Konfliktbearbeitung zunächst diese Muster aufgebrochen werden mussten. Dazu war es nötig, die Hintergründe zu beleuchten, die zu dieser Situation geführt hatten: Im Herbst 2009 hatten zwei von damals vier Teammitgliedern, darunter die Teamleiterin, die Firma verlassen. Die Vorgesetzten organisierten Unterstützung von anderen Teams. Um Fehler und Fehlerkorrekturen von den unterstützenden Teams zu vermeiden, hatten die verbleibenden beiden Teammitglieder die Arbeit mehrheitlich alleine erledigt. Als ein neuer Teamleiter und zwei neue Teammitglieder am Jahresende 2009 im Team eingestellt wurden, wurden sie von zwei ausgelaugten und übermüdeten Kollegen in ihre Arbeit eingeführt. Nicht genügend empfundene Wertschätzung für ihre Arbeit und die Enttäuschung, nicht selbst Teamleiterin oder Teamleiter geworden zu sein, lösten bei den alten Mitarbeitenden grosse Frustration aus. Diese wurde auf die neuen Kollegen übertragen. Die neuen Teammitglieder ihrerseits waren enttäuscht über ihre Arbeitsstelle, übernahmen zudem die schlechten Gefühle der anderen beiden und gerieten immer tiefer in den negativen Sog. Kündigen wollte jedoch niemand. Erstens gefiel die Arbeit und zweitens wollte kein Teammitglied «aufgeben». Neid, Konkurrenzkampf, Trotz sowie Frustration trieben die Konfliktspirale immer weiter an.

Die Stimmung im Team begann sich ab Februar 2010 markant zu verschlechtern und das Team schätzte im Nachhinein selbst , dass es ab Oktober 2010 im absoluten Tiefpunkt angekommen war. Bis zum Start der Mediation im Januar 2011 vergingen 12 Monate. Gemäss Aussagen der Mitarbeitenden wendeten sie während dieser Zeit rund 30 Prozent der Arbeitszeit zur Konfliktbewältigung (innere Auseinandersetzung, Ablenkung, Diskussion mit Mitgliedern anderer Teams, etc.) auf. In der folgenden Berechnung sind die durch den Konflikt entgangenen Umsätze und Gewinne nicht berücksichtigt (siehe Abbildung).

Aufgrund des Konflikttyps und des Eskalations­grades wurden als ersten Schritt Einzelgespräche geführt. In diesem Rahmen konnten die persönlichen Bedürfnisse und Anliegen zur Sprache kommen, ohne dass sie sich vor den anderen Teammitgliedern blossgestellt fühlten. Zudem wurde der Boden bereitet, in den folgenden gemeinsamen Mediationssitzungen offen über diese Anliegen zu sprechen. Die Freude der Teammitglieder an der Arbeit, ihrem Willen, der Situation ein Ende zu bereiten und die Zusammenarbeit neu zu gestalten, überzeugten die Mediatorin, dass eine Bearbeitung trotz schwerer Hindernisse erfolgreich sein könnte. Das Bild, welches sie über den Inhalt und die Beteiligten erhielt, half, ein der Situation und den Teammitgliedern geeignetes Interventionsdesign zu entwerfen.

In einem zweiten Schritt wurden diese Anliegen und Konfliktpunkte mit dem ganzen Team bearbeitet. Die anfänglich verunsicherten und zurückhaltenden Teammitglieder entwickelten immer mehr Vertrauen zueinander und die lange unterdrückten Emotionen und Anliegen konnten endlich zum Ausdruck gebracht und diskutiert werden.

In der vierten Sitzung wurde aus der Mediation eine Teamentwicklung. Die Teammitglieder klärten Werte und Erwartungen und definierten neue teaminterne Abläufe. Sie entwickelten Umsetzungspläne und vereinbarten Regeln zur Zusammenarbeit. Drei Monate nach der Mediation im geschilderten Fall wurde zur Standortbestimmung und zur Vertiefung der Vereinbarungen ein Anschlussworkshop durchgeführt. Die Teammitglieder hatten sich mittlerweile so gut verstanden und die Vereinbarungen umgesetzt, dass keine weiteren Workshops mehr nötig waren. Heute, ein Jahr nach Abschluss arbeitet dieses Team immer noch gerne und sehr gut zusammen und ist hoch motiviert. Je eher Vorgesetzte, Personalmanager oder andere Stellen sich eines Konfliktes annehmen, umso geringer sind die Verluste und der Bearbeitungsaufwand. Wichtig ist, Konflikte und vor allem, die darin involvierten Personen in ihren Anliegen ernst zu nehmen und dass die Beteiligten den echten Wunsch nach Veränderung haben.

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