Mensch & Arbeit

Selbstmanagement

Wege zur Selbstmotivation in Krisenzeiten

Von einer Führungskraft wird verlangt, ihr Team auch durch Krisenzeiten zu führen und die Mitarbeiter zu Höchstleistungen anzuspornen. Was aber, wenn sie selbst unter Erfolgsdruck gerät? Wer hilft ihr, damit nicht auch noch die eigene Motivation in den Keller rutscht?
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Die meisten Führungskräfte kennen das Diktum von Managementvordenker Peter F. Drucker, die einzige Person, die man führen könne und auch führen müsse, sei man selbst. Die Fähigkeit zur Mitarbeitermotivation und -führung hat mit der Kompetenz zu tun, die eigenen Stärken zu kennen und zu fördern sowie sich selbst zur Erreichung derjenigen Ziele zu managen, die der Führungskraft am Herzen liegen. Das ist in Krisen besonders gefragt: Denn dann kommt es darauf an, als Führungskraft verunsicherte oder gar verängstigte Mitarbeiter zu motivieren, trotz einer schwierigen Situation das Beste zu geben. Aber dabei darf sie sich selbst nicht vergessen. Denn nur wer von sich selbst überzeugt ist, kann andere überzeugen und motivieren. Es stehen mehrere Motivationswege zur Verfügung: Sie sucht sich einen Ratgeber «von aussen» oder nutzt die Möglichkeit, sich mit einem Kollegen oder Vertrauten im Unternehmen auszutauschen. Die entscheidende Alternative jedoch bleibt der Versuch, sich am eigenen Schopf aus dem Demotivationsloch herauszuziehen. Doch was heisst das?

Gestaltungskräfte aktivieren

Viele Manager denken jetzt wohl vor allem an Aspekte wie das Zeitmanagement, und klar ist: Gerade in Krisenzeiten müssen die Formulierung glasklarer Ziele, die Setzung eindeutiger Prioritäten und die Konzentration auf das Wesentliche erfolgen, etwa mithilfe der 80:20-Regel, nach der 20 Prozent der jetzt wichtigen Aktivitäten 80 Prozent des Erfolgs ausmachen. Allerdings: Methoden und Techniken sind wichtig, genügen aber nicht. Im Fokus des Selbstmanagements sollte die Entfaltung der persönlichen Stärken stehen.

Im Selbstreflexionsprozess ruft sich die Führungskraft diejenigen Gestaltungskräfte und mentalen Stärken ins Bewusstsein, mit denen sie die schwierige Situation meistern kann. Es schadet nicht, wenn sie zugleich ihre Schwächen minimiert und ausmerzt – entscheidend jedoch ist die Beantwortung der Frage: «Welche meiner Persönlichkeitsmerkmale und mentalen Kraftreserven unterstützen mich jetzt, die Mitarbeiter zu motivieren und Wege aus der Krise tatkräftig zu beschreiten?» Die Selbstmotivation und das Selbstmanagement speziell in Zeiten einer Krise haben mithin mehr mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun als mit Zeitmanagement.

Distanz einnehmen

Welche der zahlreichen Selbstmotivations- und Selbstcoachingtools am besten helfen, muss jeder individuell entscheiden. Bewährt hat es sich beispielsweise, die Problematik aus der Helikopter-Perspektive zu betrachten: Die Führungskraft «erhebt» sich quasi über das Motivationsproblem und betrachtet es von oben und aus der Ferne. Die Selbstdistanzierung wirkt insbesondere dann, wenn damit ein tatsächlicher Ortswechsel einhergeht. Ob der Spaziergang in der Natur, ob das Lesen eines Buches – das inhaltlich nichts mit dem Thema zu tun haben muss, das die Führungskraft derzeit beschäftigt –, ob im Kurzurlaub oder im ruhig gelegenen Hotel: Die Kombination von gedanklicher und räumlich-zeitlicher Distanz führt meistens zu ungewöhnlichen und kreativen Ideen.

Selbstdistanzierung und Perspektivwechsel eröffnen den Zugang zu innovativen Problemlösungen – ein Zugang, der in der gewohnten Umgebung oft verschlossen bleibt. Nicht umsonst ziehen sich Unternehmer, Manager und Führungskräfte in ein Kloster zurück und nutzen die Stille und Ruhe, um zu sich selbst zu finden und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Es muss ja nicht gleich ein Kloster sein – wichtig ist eine Umgebung, die die intensive Besinnung auf die eigenen Stärken ermöglicht.

Selbstvergewisserung

Manchen Menschen fällt die schriftliche Selbstvergewisserung leichter. Sie führen zum Beispiel ein Tagebuch und beantworten dort ihre Fragen zu ihrer augenblicklichen Motivationslage. Sie notieren ihre Stärken und Schwächen, stellen sie gegenüber, wägen sie ab und prüfen, wie sich die Stärken ausbauen und die Schwächen abstellen lassen. Notwendig ist es, rasch in die Umsetzung zu gelangen und aus der Stärken-Schwächen-Analyse einen Handlungsplan mit konkreten Aktivitäten abzuleiten.

Zu der Selbstvergewisserung zählt, hemmende Überzeugungen wie etwa «Du musst stets perfekt sein» zu identifizieren und gegen förderliche Einstellungen auszutauschen. Das ist nicht leicht, weil es sich oft um Überzeugungen handelt, die einem Menschen von Kindesbeinen an in der Sozialisation eingetrichtert worden sind. Als verinnerlichte Glaubenssätze, die ihm gar nicht bewusst sind, determinieren sie das Denken und Handeln und blockieren die Gestaltungsenergie. Vielleicht jedoch lässt sich ein Glaubenssatz wie «Das schaffe ich sowieso nicht» doch noch durch eine «Ich vermag es»-Einstellung ersetzen.

Rückschläge akzeptieren

Eine Selbstmanagementstrategie besteht darin, sich gerade in schwierigen Zeiten an bisherigen Erfolgserlebnissen zu orientieren. Das hat nichts mit dem rosaroten Blick des positiven Denkens zu tun. Vielmehr geht es darum, sich ähnliche Situationen, in denen die Führungskraft eine Problemlösung gefunden hat, vor das geistige Auge zu rufen und mithilfe dieser «Erfolgskonferenz» eine begeisternde und anfeuernde Gestaltungsenergie nach dem Motto «Ich habe es doch schon einmal geschafft, warum nicht auch jetzt!» zu entfachen.

Fehler und Rückschläge sollten dabei als Entwicklungsschritte und notwendige Lernprozesse auf dem Weg zum Ziel definiert werden. Selbstverständlich muss die Führungskraft einen Fehler nicht unbedingt wiederholen, zugleich aber gilt: Wer absolute Fehlervermeidung anstrebt, beraubt sich hilfreicher Lernchancen. Dabei gibt es zwei grundsätzliche Aktionsweisen: Entweder überschreibt die Führungskraft Negativerlebnisse mit Positiverlebnissen – dies gelingt mit einer Aktion, die ein Erfolgserlebnis garantiert. So kann der Dunstkreis der negativen Emotionen verlassen werden. Eine Alternative besteht darin, jenen Fehler zu akzeptieren, die Gründe zu verifizieren (damit er nicht noch einmal passiert) und abzuhaken: So wird der Kopf frei für Lernprozesse und die nächste Problemlösung.

Hilfe von aussen

Bei der Frage, wer eigentlich (wie) die Führungskraft motiviert, ist die Antwort bisher eindeutig ausgefallen: Das muss die Führungskraft selbst leisten. Aber natürlich ist es notwendig und richtig, nach Unterstützung Ausschau zu halten, und zwar offensiv. So kann sie mit einem externen Berater zusammenarbeiten. Der Vorteil: Ein Externer kann die Problemstellung von aussen reflektieren und eine frische Perspektive ins Spiel bringen. Es kann, muss aber kein professioneller Berater oder Coach sein – jetzt sollte die Führungskraft ihre beruflichen und privaten Netzwerke anzapfen, online und offline, virtuell und real.

Der Vorteil des Beraters ist, dass er meistens kurzfristig zur Verfügung steht und aufgrund seiner Professionalität zeitnah helfen kann – ein Beispiel: Der Verkaufsleiter musste die Zurücknahme eines Grossauftrags verkraften, zugleich steht ein Konfliktgespräch mit einem mobbenden Mitarbeiter an – volle Konzentration ist gefragt. In dieser komplexen Situation kann ein Berater in einem Blitzcoaching konkrete Verhaltenstipps geben, um den Verkaufsleiter aus der Demotivationsfalle zu befreien und ihm Hinweise zur konstruktiven Gestaltung des Konfliktgesprächs zu geben.

Der Buddy im Unternehmen

Vorausschauende Führungskräfte bauen sich informelle und formelle Netzwerke rund um Menschen auf, die ihnen bei Motivationsproblemen Unterstützung geben können. Das kann auch unternehmensintern geschehen, etwa durch ein Kollegen-Coaching, auch Buddy-Coaching genannt (Buddy = Kollege). Es findet zumeist auf derselben Hierarchieebene statt, also etwa im Kreise mehrerer gleichberechtigter Führungskräfte, die sich im motiva-
torischen Bereich und bei ihren Selbstmanagementaktivitäten unterstützen. Besonders geeignet sind Unterstützungsmassnahmen wie das Stärkeninterview oder die Ideenparty, bei der die Kollegen mit Kreativität, Spass und Kompetenz zu der Frage brainstormen, wie sich Gestaltungskräfte bei komplexen Herausforderungen aktivieren lassen.

Menschen, die sich auf der gleichen Hierarchiestufe befinden, können sich auf Augenhöhe partnerschaftlich begegnen sowie produktiv kritisieren und motivieren. Aber auch die Gründung hierarchieübergreifender Motivationszirkel ist hilfreich: Die Führungskraft blickt über den Tellerrand der eigenen Motivationsprobleme hinaus und tritt in einen Erfahrungsaustausch ein, um von den Erfahrungen der Mitarbeiter und Chefs zu profitieren. Fazit: Durch Buddy-Coaching und Motivationszirkel lernt die Führungskraft andere Sichtweisen kennen und tauscht sich mit Menschen aus, die mit ähnlichen Stolpersteinen zu tun haben wie sie selbst.

Porträt