Mensch & Arbeit

Burnoutprävention

Warum Vorsorge eine gute Investition ist

An Burnout erkrankte Mitarbeiter kosten Arbeitgeber Milliardensummen. Nicht allein deshalb macht es Sinn, in die Burnoutprävention zu investieren. Der Beitrag zeigt mögliche Ursachen für eine Erschöpfungsdepression auf, stellt eine Persönlichkeitstheorie zur Früherkennung vor und zeigt Reaktionsmöglichkeiten nach ersten Anzeichen eines Burnouts.
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Erkranken Mitarbeitende an Erschöpfungsdepression (medizinische Diagnose für ein Burnout), hat dies oftmals weitreichende Konsequenzen. Gemäss dem Job-Stress-Index 2016 sind ein Viertel der Erwerbstätigen erschöpft und gestresst (gesundheitsfoerderung.ch). Die damit verbundenen Kosten für Arbeitgeber werden auf 5,7 Milliarden Franken geschätzt. Für die Betroffenen selbst und ihr Umfeld entstehen ebenfalls erhebliche Aufwendungen. Dazu kommen allenfalls weitere Ausgaben für Umschulungen, Stellensuche und für die Rekonvaleszenz. Investitionen in die Burnoutprävention lohnen sich deshalb gleich mehrfach. Damit werden die gravierenden Folgen einer Erschöpfung vermieden – dies ist mit Abstand die günstigste Lösung, nicht nur finanziell.

Der Begriff Burnout

Ein Burnout kann auf eine lang andauernde Stressperiode folgen. Im Zusammenhang damit wird auch oft der Begriff Burnoutsyndrom verwendet, da bei einem Burnout verschiedene Symptome auftreten. Gemäss Christina Maslach – einer bedeutenden Forscherin in diesem Gebiet – gehören eine emotionale Erschöpfung, Entfremdung (Distanzierung und zynische Haltung gegenüber anderen Menschen) sowie eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit zu den Kriterien.

Der Begriff wird für eine beruflich bedingte Erschöpfung verwendet und ist keine medizinische Diagnose und somit auch keine Krankheit. Kommt es in der Folge zu einer völligen psychischen und körperlichen Erschöpfung mit depressiven Anzeichen, kann das Syndrom kaum mehr von einer Depression unterschieden werden. Der ärztliche Befund lautet dann auf Erschöpfungsdepression.  

Mögliche Ursachen

Da die Bezeichnung Burnout vorwiegend im beruflichen Kontext verwendet wird, ist es naheliegend, dass die Ursachen dafür im betrieblichen Umfeld gesucht werden. Doch dieser Sachverhalt ist komplexer. Menschen in einem Unternehmen arbeiten nicht isoliert, sondern sind in das Unternehmenssystem eingebunden, sie werden geführt und arbeiten mit anderen zusammen. Das bedeutet, dass die Ursachen für Stress oder eine Erschöpfung meist nicht alleine im betrieblichen Umfeld liegen, sondern im Zusammenwirken zwischen betroffenen Personen, ihren Vorgesetzten und / oder den weiteren Mitarbeitenden. Für die von Burnout Betroffenen bedeutet dies, dass sie selbst auch einen Anteil dazu beitragen.     

Menschen tun etwas, wenn ihre Grundmotive angesprochen werden. Bei der beruflichen Karriereplanung kann es vorkommen, dass Personen Ziele verfolgen, die nicht ganz zu ihnen passen, da die falschen Grundmotive angesprochen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist, wenn Menschen ihrem bewussten Wunsch folgen, dass sie viel leisten möchten und so zum Beispiel eine arbeitsintensive Tätigkeit in der IT annehmen. Dies kann dann zu einem Problem (zum Beispiel hoher Arbeitsstress) führen, wenn zwischen dem bewussten und dem unbewussten Leistungsmotiv eine grosse Differenz besteht. Oft merken dies Menschen nicht von selbst.

In der Abbildung 1 sind für vier Grundmotive die bewussten (expliziten) und un­bewussten (impliziten) Motivstärken dargestellt. Diese Person leistet beruflich überdurchschnittlich viel, das unbewusste Leistungsmotiv liegt aber drei (!) Stan-
dardeinheiten tiefer als das bewusste. Dies kann zu grossen inneren Spannungen und Stress führen, woraus langfristig ein Burnoutsyndrom entstehen kann. Eine andere mögliche Interpretation dieses Messergebnisses ist auch, dass bei diesem Menschen das Leistungsmotiv stark erfüllt ist und sich deshalb in der Ausprägung reduziert. In einem solchen Fall werden sich auch dann kaum Stresssymptome entwickeln.

Die Persönlichkeitstheorie PSI

Die sogenannte PSI-Theorie (Personality Systems Interaction Theory) ist die wohl komplexeste Persönlichkeitstheorie. Sie wurde von Professor Julius Kuhl an der Universität Osnabrück entwickelt.

Die darauf basierende trainingsbegleitende Osnabrücker Persönlichkeitsdiagnostik (TOP/EOS) eignet sich ausgezeichnet als Einstieg in einen Klärungsprozess für möglicherweise von einem Burnout betroffene Menschen. Die Besonderheiten dieses entwicklungsorientierten Tools liegen darin, dass es zwischen normalen und stressbedingten Erst­reaktionen und Zweitreaktionen (aus der Steuerzentrale, siehe Abbildung 2) sowie zwischen bewussten und unbewussten Motiven unterscheiden kann.

Die vier Persönlichkeits-Systeme

Die PSI-Theorie geht von den folgenden vier Persönlichkeits-Systemen aus: Denker (IG), Störungsmelder (OES), Steuerzentrale (EG) und Trigger (IVS); (Abbildung 2). Ist ein Mensch ausgeglichen, arbeiten diese Systeme optimal zusammen. Kommt es zu Störungen und damit verbunden zu einer Stressreaktion, wird der Störungsmelder aktiv. Er meldet sich mit einem negativen Signal (rote Lampe). Sobald diese Stressreaktion abgeklun­gen ist, geht der Organismus wieder in den Normalzustand über.

Dauert aber eine Stresssituation lange an, bleibt der Störungsmelder aktiv (rote Lampe bleibt an) und verhindert damit die reibungsfreie Zusammenarbeit aller vier Systeme. Die langfristigen Folgen dieser Stresssituation können dann die typischen Burnoutsymptome auslösen.

Diagnostische Möglichkeiten

Die TOP/EOS-Diagnostik setzt sich aus unterschiedlichen Testverfahren (einer sogenannten Testbatterie) zusammen und liefert umfangreiche Ergebnisse. Einzelne Diagnostiken stammen auch aus dem psychotherapeutischen Kontext. Dadurch entsteht ein umfassendes Gesamtbild einer Person und es gibt viele Hinweise auf Entwicklungspotenziale. Die wichtigste Abgrenzung zu anderen Testverfahren besteht darin, dass nicht Eigenschaften oder Werthaltungen untersucht werden, sondern Entwicklungspotenziale angezeigt werden.

Im nachfolgenden Praxisbeispiel wurden die Selbststeuerungskompetenzen, Belastung und Druck einer Person gemessen (siehe Abbildung 3). Belastung und Druck werden ausgewertet und auf die einzelnen Selbststeuerungskompetenzen bezogen dargestellt. Damit kann festgestellt werden, wie stark die Belastung beziehungsweise der Druck auf den einzelnen Kompetenzen zur Selbststeuerung lastet. Dieses Beispiel aus einem Präventionscoaching zeigt, dass dieser Mensch kaum mehr selbst handeln kann. Es kann sogar angenommen werden, dass ein deutliches Burnoutsyndrom vorliegt. Glücklicherweise ist die Planungsfähigkeit nach wie vor sehr hoch ausgeprägt.

Das PSI-System kennt zwei Interventionsachsen (Modulationsannahmen, vergleiche mit Abbildung 2). Durch die erste Interventionsachse werden Denker und Trigger moduliert. Basierend auf der Ressource «Planungsfähigkeit» (diese ist im Denker angesiedelt) konnte mit wenigen Coachings eine attraktive Zukunftsperspektive ausgearbeitet werden. Dadurch wurde der Coachee motiviert und er entwickelte positive Emotionen, welche den Trigger aktivierten und so die Umsetzung auslösten.

Je nach Stärke der Erschöpfung sind für eine rasche Verbesserung des Zustands weitere Massnahmen erforderlich. Dafür eignet sich der Einsatz der zweiten Interventionsachse. Durch passende Entspannungsmassnahmen kann der Störungsmelder beruhigt werden, dadurch wiederum kann die Steuerzentrale Entwarnung geben. Die rote Lampe erlischt und die Steuerzentrale geht wieder in den Normalbetrieb. Ein wesentlicher Vorteil dieser Diagnostik liegt in ihrem hohen Differenzierungsgrad. Die Detailauswertung liefert dem Diagnostiker viele Faktoren, um effektive Interventionen zu bestimmen.

Vermeidungsstrategien

Ein Burnout kommt nicht von heute auf morgen, sondern ist die Folge einer lang­anhaltenden Periode mit Überlastung oder Stress oder auch von Fehlverhalten. Werden die sich langsam ankündenden Burnoutsymptome über einen längeren Zeitraum ignoriert, kann es schon mal zu einem «Knall» kommen. Ein solcher wird im Volksmund auch Nervenzusammenbruch genannt.

Ein Ausbrennen kann am einfachsten vermieden werden, wenn beim Aufkommen der ersten Symptome reagiert wird. Da eine hohe Arbeitslast und ein gewisser Arbeitsstress für viele Menschen zum beruflichen Alltag gehören, ist es wichtig, dass ein Ausgleich dafür täglich oder möglichst mehrmals pro Woche geschieht.

Das kann ein kurzer Spaziergang oder können sportliche Aktivitäten sein. Für Menschen mit mittlerer oder hoher Belastung empfehlen sich zusätzlich hochwirksame Entspannungsmethoden wie zum Beispiel Atemübungen, progressive Muskelrelaxation (PMR), autogenes Training oder Yoga. Diese Methoden sind relativ einfach erlernbar und es gibt dazu ein reichhaltiges Angebot an Lehrbüchern und Kursen.

Für die Burnoutprävention nehmen auch Unternehmer und Führungskräfte eine wichtige Rolle ein. Durch den Führungsstil können sie ein positives, leistungsmotivierendes Arbeitsklima des Vertrauens schaffen sowie feststellen, wenn die Mitarbeitenden überlastet sind, und diese Situationen mit ihnen klären.

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