Mensch & Arbeit

Unternehmenskultur

Warum sich der Aufbau einer Fehlerkultur lohnt

Es gilt noch immer als Manko, Fehler zu machen oder gar zu scheitern. Diese Konditionierung setzt sich durch das ganz Berufsleben fort. Dies, obwohl bekannt ist, dass Fehler durchaus auch eine Chance sind, wenn man aus ihnen lernt. An dem Aufbau einer Fehlerkultur im Unternehmen zu arbeiten, kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
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Mitarbeiter in KMU geben ihr Bestes, um die ihnen anvertrauten Aufgaben optimal zu erledigen. Aber alle Arbeitnehmer sind auch «nur» Menschen – und Menschen machen nun mal Fehler. Wenn nun in ­Betrieben ungewollte Ereignisse passieren, kann dies den Verursacher des Fehlers und weitere Kreise sehr belasten. Daher kommt dem offenen Umgang mit Zwischenfällen und der zeitgerechten und angemessenen Kommunikation eine entscheidende Bedeutung zu. Damit Fehler sich nicht wiederholen, ist es notwendig, eine offene und transparente Fehler- und Sicherheitskultur zu leben. Eine Kultur, die hinschaut, statt nach einem Schuldigen zu suchen. Eine Kultur, die es ermöglicht, offen mit Fehlern umzugehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Umgang mit Zwischenfällen 

Es kann immer wieder geschehen, dass Menschen, Produkte, Prozesse, Projekte etc. unbeabsichtigt zu Schaden kommen, teilweise mit gesundheitlichen und monetären Auswirkungen. Und immer noch – aus Tabugründen oder aus Angst vor Konsequenzen – werden Fehler in den ­Unternehmen oft verschwiegen, vertuscht und verheimlicht. Es ist irrelevant, wem ein Fehler unterlaufen ist, die entscheidende Frage lautet: Welche Faktoren haben dazu beigetragen, dass eine Störung im System oder ein negatives Ereignis auftreten konnte? Der Schritt von einer Schuld- zur Fehlerkultur soll dazu bei­tragen, aus negativen Ereignissen zu ­lernen. Die Auseinandersetzung mit Fehlern ist zweifellos eine grundlegende Vor­aussetzung für eine gesundes Betriebsklima.

Ist ein Fehler passiert, heisst das, raschestmöglich die zuständige Stelle zu ­informieren. Ist ein Mensch, beziehungsweise ein Mitarbeiter, zu Schaden gekommen, hat diese Person unmittelbar Anspruch auf eine Entschuldigung. Die Ehrlichkeit und Offenheit, einen Fehler verursacht zu haben und zu gestehen, ist das absolute Nonplusultra. Eine rasche und ernsthafte Entschuldigung, wenn zum Beispiel Menschen eine physische oder psychische Verletzung erlitten haben, ist der erste «Schadenersatz», den man anwenden muss. Die Folge davon ist, den weiteren Verlauf der Fehlerverarbeitung zu mildern oder gutzumachen.

Beispiel aus der Fliegerei

Die zentrale Erkenntnis der Fehlertheorie (nach G. Richardson): Alle Unfall­untersuchungen aus dem Luftverkehr sind zu dem Schluss gekommen, dass die Gleichung «Unfallursache = menschliches Versagen» falsch ist. Menschliches Versagen ist nicht die Ursache. Die Ur­sache findet man in all den Umständen, die die Urteilsfähigkeit des Piloten be­einträchtigt haben. Mit anderen Worten: menschliches Versagen ist das Ergebnis, nicht die Ursache, das heisst, die Ursache muss aufgedeckt werden.

Der Brite James Reason hat diese Art der Fehler-Weiterleitung sehr anschaulich in seinem Schweizer-Käse-Modell ­beschrieben (siehe Abbildung 2). Innerhalb eines Prozesses gibt es verschiedene Sicherheitsbarrieren, die dazu beitragen, dass keine unerwünschten Ereignisse eintreten. In der Realität haben aber auch die eingebauten Sicherheitsbarrieren ­Lücken (vergleichbar mit den Löchern einer Käsescheibe) und können somit versagen. Kommt es zu der unglücklichen ­Situation, dass ein Fehler alle Barrieren passiert, kann das unerwünschte Ereignis eintreten.

Weshalb entstehen kritische Situationen? Eine gefährliche Situation kann ihren ­Ursprung entweder im Faktor Mensch ­haben, in der Technik selbst oder im ­System sowie in Umgebungsfaktoren, aber auch in einem komplexen Zu­sam­menspiel all dieser Faktoren. Wenn bei solchen gefährlichen Situationen Abwehrmechanismen einsetzen, kann die Situation wieder auf den Normalzustand zurückgeführt werden.

Was ein Fehler ist

Ein Fehler stellt ein Tun oder Unterlassen einer Berufsperson im Rahmen seiner professionellen Tätigkeit dar. Entspricht dieses Tun oder Ausführen nicht dem aktuellen Standard der Berufsaufgaben oder weicht vom geforderten Erkennt­nisstand ab, wird es als «Fehler» bezeichnet. Die Aufdeckung und die Vermeidung von Fehlern sind wichtige Bestandteile der professionellen Berufsausübung. Auf welche Art und Weise dies in den Berufsanforderungen geschieht, legt die Institution fest. In der Praxis bleiben Fehler oftmals unentdeckt und damit ohne Folgen. Vorsätzlich oder fahrlässig verursachte und aufgedeckte Fehler können straf- und zivilrechtliche Konsequenzen haben.

Nachfolgend eine Reihe von Beispielen, die Ausgangssituationen respektive Fehlerursachen zeigen:

  • Ungenügende, fehlerhafte ­Kommunikation
  • Psychologische Sicherheit fehlt in der Unternehmenskultur 
  • Oberflächliche und unvollständige Einarbeitung im Berufsumfeld
  • Mangelhafte Führung
  • Respektlosigkeit, mangelndes ­Vertrauen
  • Ungenügende Sicherheit ­der ­Umgebung
  • Unzureichende Kompetenzen
  • Schlechte, oder karge Information
  • Nicht-vorhanden-Sein von ­bedeutungsvollen Mitteilungen
  • Suboptimale Organisationskultur
  • Ungenügende Planung und/oder ­Vorbereitung
  • Unqualifiziertes Personal
  • Ungenügende Kontinuität
  • Keines oder nur marginales ­Risiko­management

Ausgangslage

In einem Tätigkeitsablauf kann es auch zu Missverständnissen und Fehlkommunikation zwischen den Angestellten kommen. Die meisten Probleme sind in der Regel harmlos und es kommt relativ selten zu gröberen Schäden. Aber es gibt vermutlich eine hohe Dunkelziffer und es finden selten systematische Analysen statt.

In jedem Fehler steckt ein grosses Lern­potenzial für den zukünftigen Prozess. Nicht «Wer ist schuld?» – sondern viel interessanter ist die Frage: «Was ist schuld?». Eigentlich ist es also irrelevant, wem ein Fehler unterlaufen ist. Die entscheidende Frage lautet: Welche Faktoren haben dazu beigetragen, dass eine Störung im System auftreten konnte? Verbesserungen müssen auf Prozesse fokussieren.

Fehler managen

Das Management von Risiken in allen ­Unternehmen wird eine zunehmende ­Bedeutung erfahren. Risikomanagement ist mittlerweile zu einem elementaren Bestandteil der Fehlerreduzierung und -vermeidung geworden. Die aus der Expertenmeinung der Literatur abgeleitete These besagt, dass umfassende und nachhaltige Risikominimierung die Schadenshöhe/-häufigkeit beeinflusst. 

Die Vermeidung von Fehlern beinhaltet die Vermeidung von Schäden und deren Folgen. Das heisst, dass die Folgekosten, die bei Eintritt unerwünschter Ereignisse auftreten, verhindert werden. Das sind zum Beispiel Kosten durch Mehr- oder Nacharbeit, wenn eine Handlung nicht wie geplant ausgeführt wird.

Fazit

Das wichtigste Ziel muss die Schaffung einer «Fehler-» beziehungsweise «Sicherheits- oder Risikokultur» sein. Akzeptieren, dass überall und von jedem Fehler gemacht werden. Dass aus Fehlern nur dann etwas gelernt werden kann, wenn diese erkannt, offengelegt und analysiert werden. Ein Anklagen derjenigen, die freiwillig ihre Fehler offenlegen, muss möglichst vermieden werden. 

Ebenfalls gehört zu einer Fehlerkultur wie bereits erwähnt die Schaffung einer Risikokultur und damit auch eines Risiko-Bewusstseins. Der Prozess kann nur angestossen werden, wenn die Bereitschaft gewachsen ist, Risiken zu erkennen, zu melden und zu beseitigen. Diese Offenheit fordert einen intensiven Denk- und Lernprozess, den das Unternehmen aktiv fördern und unterstützen muss.

Porträt