Mensch & Arbeit

Multitasking

Warum Multitasking eine Ausnahme bleibt

Multitasking ist fast schon zu einem vermeintlichen Erfolgsfaktor geworden, das parallele Erledigen von mehreren Aufgaben zu einem Zeichen von Leistungsfähigkeit. Dabei haben Multitasker nicht nur weniger Kontrolle über ihre Aufmerksamkeit, häufig kaschiert Multitasking auch oberflächlichen Aktionismus. Ein Plädoyer für Monotasking.
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Multi-Kulti, Multi-Jobber, Multi-Vitamin – und jetzt noch Multitasking. Für viele ist es ganz normal, mit einem Geschäftspartner zu telefonieren und nebenbei eine Mail zu lesen. Gleichzeitig mehrere Dinge tun – typisch für Multitasking im Büro. Und warum auch nicht? Denn wer wie früher eines nach dem anderen erledigt, braucht mehr Zeit. Starkes Kommunikationsbedürfnis und immer mehr soziale Kontakte erfordern ein Umdenken. Im privaten Bereich gehts doch auch: Fernsehen und essen. Im digitalen Zeitalter muss man auf allen Kanälen gleichzeitig kommunizieren.

Alles auf einmal?

Wie selbstverständlich verlangt man von sich, mit Multitasking klarzukommen, da es andere ja offenbar auch schaffen. Paralleles Erledigen von zwei Aufgaben funktioniert nach wissenschaftlichen Untersuchungen nicht, unser Gehirn kann das nicht verarbeiten. Beim Versuch, vieles auf einmal zu tun, switcht das Gehirn immer zwischen den Themen hin und her.

Multitasker trainieren sich dabei eine Aufmerksamkeitsstörung an. In einer Untersuchung der Universität Stanford schnitten die Multitasker in allen Konzentrationstests schlechter ab als die Vergleichsgruppe. Sie wurden schneller abgelenkt, hatten weniger Kontrolle über ihre Aufmerksamkeit und konnten sich später auch nur noch an wenig erinnern. Wer versucht, alles gleichzeitig zu tun, tut nichts richtig, weil er sich auf nichts voll konzentrieren kann. Man kann es privat selbst probieren: unterhalten und zur gleichen Zeit einen Film im Fernsehen zu verfolgen. Da ist man hin- und hergerissen zwischen unterschiedlichen Inhalten und braucht doppelte Konzentration. Wer sich ganz mit einer Sache befasst, erfährt mehr, kann sich auch länger an Inhalte erinnern und spart jede Menge Stress. Multitasker produzieren Eigenstress und sind schnell am Limit angekommen.

Fehler nehmen zu

Besonders die junge Generation meint, es gehört zum Erfolg, vieles auf einmal zu erledigen. Schluss mit dem spiessigen Eins-nach-dem-anderen-tun! Telefonieren und Mails lesen oder essen, Fernsehen und unterhalten ist «in». Die Risiken werden vergessen. Wenn sich Tätigkeiten überkreuzen, sinkt nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern die Häufigkeit von Fehlern steigt um etwa 20 Prozent. Unser Hirn kann sich nur mit grösster Mühe und nur für sehr kurze Zeit auf parallel komplexe Tätigkeiten einlassen. Alles gleichzeitig tun, reduziert alles zur Bedeutungslosigkeit. Nichts ist wirklich wichtig. Das Resultat ist eine oberflächliche Kommunikation.

Nur unter höchster Anspannung kann man beim Autofahren dem Navi lauschen, gleichzeitig Radio hören oder mit dem Beifahrer ein Gespräch führen. Hat das nicht jeder schon mal probiert? Wer weiss dann noch, um was es im Gespräch ging? Bei «gleichartigen Informationen» z. B. auf den Verkehr zu achten und gleichzeitig Anweisungen vom Navi anzunehmen, kann Multitasking noch funktionieren. Bei verschiedenartigen Informationen wird nur das Kurzzeitgedächtnis aktiviert, in dem Informationen schneller «gelöscht werden» als im Langzeitgedächtnis. Multitasking kaschiert nicht selten oberflächlichen Aktionismus und verkauft sich als Business as usual.

Eins nach dem anderen

Selbst ein Multitasking-Genie findet zur Gelassenheit und Entspannung zurück, wenn der eigene Aktionismus begrenzt wird. Wer eins nach dem anderen tut, ist kreativer und lässt der Fantasie freien Lauf. Beim Telefonieren ohne Nebenbeschäftigung hört man mehr, weil die Konzentration voll entfaltet wird. Indem man die Augen schliesst und damit auch visuelle Ablenkungen verhindert, fällt Konzentration auf den Gesprächsinhalt leichter. Schon einmal ausprobiert?

Die Konzentration beim Monotasking ist weniger mühsam, der Verschleiss der Ressourcen geringer. Eins nach dem anderen verringert Missverständnisse, Rückfragen werden verhindert. Multitasking ist Zeitverlust, der vermeidbar gewesen wäre, hätte man Monotasking angewendet. Aufgaben-Hopping (ständiger Wechsel zwischen zwei Tätigkeiten) ist oft die Folge von Multitasking. Weil man sich das angewöhnt hat, ist man überrascht, dass es auch anders geht. Aus lauter Gewohnheit ist man gedanklich mit zwei Themen beschäftigt und macht eigentlich nichts richtig.

Multitasking kann in bestimmten Situationen vorübergehend sinnvoll sein, doch der permanente Multitasker ist einer der vier Stresstypen, der sich dem totalen Verschleiss hingibt. Wer viel arbeitet (Workaholic) und dies mit hohem Arbeitstempo (Tempoholic) und es dabei perfekt machen will (Perfektionist), sollte sich dann als Multitasker zurücknehmen. Man wird nicht nur von aussen unter Druck gesetzt, Druck entsteht auch eigenbestimmt.

Konzentration ist erlernbar

Monotasker arbeiten konzentrierter, können ihre Kräfte voll und ganz auf eine Tätigkeit richten. Ausdauer und Durchhaltevermögen sind die Kennzeichen der Konzentrationsfähigkeit. Das verschleisst weniger Kraft und garantiert gründlicheres Erledigen. Denn wer Störung und Ablenkung weitgehend verhindert, kommt zu besseren Ergebnissen. In der multi­medialen Gesellschaft ist Konzentration nicht einfach, aber nötiger denn je. Erfolgreiches Arbeiten funktioniert bei voller Konzentration auf eine Sache.

Je stärker das Interesse an einem Thema, desto leichter ist es, sich voll zu konzentrieren. Es soll vor allem die Eigenab­lenkung vermieden werden. Auch wenn es mehr Zeit kostet, man muss nicht zwei Dinge gleichzeitig tun. Die steigende Informationsflut auf den verschiedenen Kanälen muss beherrschbar bleiben, auch in der schnelllebigen Zeit bleibt Multitasking die Ausnahme.