Mensch & Arbeit

Arbeitspsychologie

Warum das Thema Sinn für Unternehmen relevant ist

Die jüngeren Generationen hinterfragen stärker den Sinn ihres beruflichen Tuns, heisst es. Gehört jetzt auch «Sinn» in die Toolbox eines Unternehmers oder Managers, um den Kunden und Mitarbeitenden den Sinn oder besser den «Corporate Purpose» des Unternehmens zu vermitteln? Jedenfalls ist das Thema mehr als nur eine philosophische Diskussion.
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Management by Objectives, by Delegation oder by Exception. Immer wieder ändern sich scheinbar die Führungs- und Verhaltensweisen in den Unternehmen. In der einschlägigen Managementliteratur wird alle paar Jahre etwas Neues präsentiert. Ist also das Thema Sinn im Unternehmen nur ein weiteres Schwein, das durch das Management- und Beraterdorf getrieben wird? Oder steckt vielleicht doch ein Paradigmenwechsel vor dieser Sinnfrage?

In den letzten Jahren wurde das Thema Sinn (Sinn bei der Arbeit und Sinn im Leben) zum öffentlichen Thema. Die jungen Generationen scheinen sich vermehrt die Frage zu stellen, was der Sinn ihres Lebens sei – und welche Rolle die Arbeit darin spielt. Sie haben jahrelang bei ihren Eltern gesehen, welchen Tribut die Arbeitswelt, die Karriere und der Erfolg fordern. Wenn die Eltern nach einem anstrengenden 12-Stunden-Tag «geburnoutet» nach Hause kamen, war das für die junge Generation nicht unbedingt ein Vorbild, nach dem sie streben wollten. Die ganze Sinn-Aufregung also nur, weil die Jungen «Unruhe» ins System bringen?

Erfolgsfaktor Sinn: drei Gründe

Es gibt drei gewichtige Gründe, warum sich Unternehmen, und damit die Führungskräfte, aber auch die Mitarbeitenden mit dem Thema Sinn befassen müssen.

Die Macht der Generationen Y und Z

Die Ältesten der Ge­neration Z treten 2020 langsam ins Arbeitsleben ein. Die Jungen «tickten» schon immer anders als ihre Eltern und Grosseltern. Die heutigen Jungen sollen vermehrt danach fragen, «warum» sie etwas machen.

Diese Sinnfrage muss das Unternehmen also beantworten können. «Ansehen, Geld und Goodies» ist nicht die Antwort auf die Sinnfrage. Diese Faktoren sind immer noch sehr attraktiv und wichtig. Aber ohne die Antwort auf «wozu soll ich meine unglaublich wertvolle Lebenszeit für Ihr Unternehmen einsetzen» wird es schwierig, gute Mitarbeitende zu finden. Früher bedankte man sich einfach bei einem Beförderungsangebot – und nahm dieses in den meisten Fällen sofort an. «Weiterkommen» in der Karriere war hier das Ziel. Denn wenn man weiter die Erfolgstreppe erklimmt, erhält man Anerkennung und Ansehen. Man «ist» dann jemand. Ein Denkmuster, das heute noch in den meisten Köpfen stark verankert ist. Die grosse Ernüchterung kommt meist, wenn man pensioniert wird und den Titel und damit (vermeintlich) das Ansehen und den eigenen Lebenssinn aufgibt. Die heutigen Jungen denken bei einem Beförderungsangebot häufiger darüber nach, wie sich diese Beförderung auf die Lebenssituation auswirken könnte und ob dies in ihr Lebenskonzept passt.

Lebenskonzepte

Wie eine Studie des Lebensversicherungskonzerns Swiss Life zeigt, waren 2018 psychische Erkrankungen mit 37 Prozent die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit. Und das sind teilweise auch jüngere Arbeitnehmer, die dadurch aus dem Berufsleben ausscheiden. Natürlich darf man jetzt anmerken, dass ein Burn-out in vielen Fällen nicht nur durch die berufliche Belastung ausgelöst wurde, sondern auch private Ursachen mit enthält. 

Durch diesen Umstand lernen wir, dass die Idee einer Work-Life-Balance blanker Unsinn ist. Es geht nicht darum, die Balance zwischen der «lebenszeitvernichtenden» Arbeit und der schönen Freizeit herzustellen. Es geht darum, dass wir unser Leben so gestalten, dass es für uns Sinn macht, sehr oft Spass macht und uns erfüllt. Das Burn-out-Thema wird noch brisanter, wenn man die Zahlen der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bern und Zürich liest: 2007 gab es in Zürich 49 Notfälle, 2017 bereits 649. Das bedeutet, dass selbst unsere Kinder zunehmend überfordert sind. 

Also einfach so weitermachen? Nein. Es geht hier um Menschen. Und zusätzlich um viel Geld: Eine Schweizer Beamtin hat den eigenen Arbeitgeber (Staat) für ihr Burn-out verantwortlich gemacht und im Januar 2020 im dritten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Bestätigung erhalten, dass die Fürsorgepflicht verletzt wurde (und damit ein Haftpflichtfall vorliege). 

Die Sinnfrage (und die damit zusammenhängenden Themen) in den Unternehmen zu thematisieren, ist ein wichtiger erster Schritt. Es geht nicht (nur) darum, einen Prophylaxe-Prozess aufzubauen. Es geht darum, mit den Menschen zu sprechen. Auch darüber zu diskutieren, was Karriere, Erfolg, Leistung etc. wirklich bedeuten. Das geht alles nicht von heute auf morgen. Die Menschen sind solche Fragestellungen im Unternehmen nicht gewohnt. Aber wenn man diese Themen angeht, kann es passieren, dass das Unternehmensklima sich verändert. Und das ist der Anfang.

Die Transparenz im Internet

Die interne und externe Kommunikation in Unternehmen wurde in den letzten Jahren nicht einfacher. Früher reichte es aus, neben Flyern, Werbebroschüren und Preislisten eine aufwendig gedruckte Imagebroschüre zu erstellen. In dieser meist von einer Agentur getexteten Imagebroschüre verkaufte man sich so, wie man in seinen schönsten Träumen gerne wäre. Mit den gelebten Realitäten hatte das (wenn man ehrlich ist) meist nicht viel zu tun. Die Kunden, die mit diesen Luxusbroschüren beglückt wurden, blätterten diese durch – und legten diese dann behutsam in der Kiste für Altpapier ab. 

Heute reicht ein Blick auf das Unternehmensbewertungsportal Kununu.com, um die brutalste Realität des Unternehmens zu erkennen. Auch hier trifft man nicht die Wahrheit an, sondern sehr oft den schlimmsten Albtraum des Unternehmens. Hier rächen sich entlassene Mitarbeiter bei ihren Chefs (natürlich anonym) und be- und verurteilen das Unternehmen über verschiedenste Faktoren. Sind das Führungsverhalten, die Arbeitsatmosphäre, der Umgang mit älteren Menschen oder die Work-Life-Balance mangelhaft, kann man dies auf der Plattform lesen.

Doch die Transparenz geht noch einen grossen Schritt weiter. Journalisten eines grossen Zürcher Medienkonzerns twittern (anonym) auf ihrer öffentlichen Twitter-Seite Internas nach aussen, weil sie mit der Unternehmens- und Sparpolitik des Medienkonzerns nicht einverstanden sind. Man muss nicht erwähnen, dass der Twitter-Account mehr Follower hat als der offizielle Kanal des Medienunternehmens auf Twitter. Jede Alibi-Massnahme eines Unternehmens wird heute aufgedeckt und darüber im Internet gerichtet. Das bedeutet, alles, was das Unternehmen macht und kommuniziert, muss authentisch, echt und glaubhaft sein.

Wir alle, ob als Mitarbeiter oder als Kunde, haben enorm an Macht gewonnen. Heute hat jeder vernetzte Mensch Zugriff auf tausende Menschen und kann innerhalb weniger Minuten Meinungen im Internet bilden. Ist man mit einem Unternehmen oder einem Produkt unzufrieden, können sich Kunden öffentlich auf Social Media darüber auslassen. Garantiert finden sich noch weitere unzufriedene Kunden und der Shitstorm kann beginnen. Da hilft auch die Verlinkung der schönen Image­broschüre als PDF nicht mehr.

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